Schöne Cafés und Restaurants, kleine Läden, große, gepflegte Gründerzeithäuser – das Bayerische Viertel gehört mit zu den attraktivsten Quartieren Berlins. Das spiegelt sich auch immer deutlicher in den Mietpreisen wider. Nach den Werten im neuen Wohnmarktreport des Bankhauses Berlin Hyp und des Immobiliendienstleisters CBRE müssen dort inzwischen bis zu 14,50 Euro für die Kaltmiete pro Quadratmeter gezahlt werden. Die gute Nachricht bei der Auswertung von insgesamt rund 65.000 Angeboten für Mietwohnungen und 35.000 Eigentumswohnungen aus dem vergangenen Jahr ist speziell für den Bayerischen Platz jedoch, dass die Angebotsmieten „nach einem starken Anstieg in den Vorjahren sogar gesunken“ sind. Das gelte auch für die Gebiete um das Rathaus Schöneberg und den Bülowbogen.
„Wer im Bayerischen Viertel wohnt, wohnt dort gerne“, weiß Immobilienmaklerin Michaela Beer, Inhaberin von „Immosiv – Exklusive Immobilien“, aus Erfahrung. Es sei ein schöner Kiez mit nur wenigen Hauptstraßen und dafür vielen relativ ruhigen Nebenstraßen. „Es ist szenig, aber nicht so sehr wie in Prenzlauer Berg, es gibt kinderfreundliche Spielplätze und viele große Altbauwohnungen mit vier und mehr Zimmern.“ Je nach Lage und Zustand der Wohnung würden bei Neuvermietungen inzwischen circa neun Euro kalt pro Quadratmeter erzielt. „Allerdings gibt es kaum Leerstand, deswegen sind höhere Mieten möglich“, so die Maklerin, die auch Eigentümer betreut, die, wie sie sagt, „ihre Wohnung fair und vor allem langfristig vermieten wollen und deshalb nicht bis ans Limit gehen“.
Viele Alte müssen umziehen
Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins, geht davon aus, dass das Mietniveau in Berlin weiter ansteigen wird, weil die öffentlich geförderten Neubauprojekte sich mit 1000 Wohnungen pro Jahr nicht entlastend auswirken. Auch wenn es Bereiche gibt wie den Bayerischen Platz, wo sie nach den Analysen des Wohnmarktreports sinken. „Das betrifft nur die Neuvermietungen in Spitzenlagen, wo heute elf, zwölf Euro und mehr in Einzelfällen erzielt werden. Das sind Spitzenwerte. Es gibt Grenzen, was man den Mietern zumuten kann in Berlin“, so Wild. Das Klientel für diese Preisklasse sei in Berlin begrenzt. Aus Sicht des Mietervereins wird dessen Anteil auch durch die Zuwanderung nicht wachsen. „Die 20- bis 30-Jährigen, die überwiegend kommen, haben in aller Regel nicht solch ein Einkommen, das Spitzenmieten ermöglicht“, so Wild.
Statt mit Mietern, die Spitzenmieten zahlen können, hat die Sozialstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Sibyll Klotz (Grüne), auch mit Rentnern zu tun, die nicht wissen, wie sie ihre Miete noch aufbringen sollen. „Gerade hatten wir den Fall einer Rentnerin, die 601,74 Euro Miete zahlt und deren Rente 885,27 Euro beträgt. Ihr bleiben also 283,53 Euro für alles andere“, berichtet sie. Grundsicherung könne die Frau nur erhalten, wenn sie sich eine andere Wohnung suche.
>> Interaktive Grafik: Wie stark die Mieten in den Kiezen steigen
„Die Miete überschreitet alle Grenzen. Die Frau hat zwar für einen Übergangszeitraum von etwa einem halben Jahr komplett den Anspruch, dass die Miete vom Sozialamt voll übernommen wird, aber sie muss sich eine preiswertere Wohnung suchen, denn dauerhaft dürfen für eine Person maximal nur etwa 420 Euro übernommen werden“, rechnet Klotz vor. Das reiche für innerstädtische Bereiche meistens nicht mehr aus. Doch die Frau wolle auch in ihrem Kiez wohnen bleiben. „Das sind dramatische Fälle, wegen der hohen Mieten häufen die sich“, sagt Klotz. Auch im Bayerischen Viertel mit den 50er- und 60er-Jahre-Bauten lebten viele Rentner, die noch eine moderate Miete hätten.
Junge Familien seien manchmal sogar von Zwangsräumung bedroht, wenn sie in die Preisspirale einer für ihre Verhältnisse zu teuren Wohnung gerieten. „Das hatten wir gerade wieder bei einer jungen alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern. Mehr als 1000 Euro betrug ihre Miete für eine relativ kleine, ehemalige Sozialwohnung“, berichtet Klotz. Bei der Suche nach einer günstigeren Wohnung sei die junge Frau dann bei elf Euro warm pro Quadratmeter in Tempelhof gelandet. Wegen einer negativen Schufa-Auskunft habe sich der Vermieter gegen sie entschieden.
„Wir suchen jetzt Hilfe bei den städtischen Wohnungsgesellschaften. Berlinweit gibt es ein geschütztes Segment für solche Fälle mit 1400 Wohnungen, wir konnten in Tempelhof-Schöneberg im vergangenen Jahr nur etwa 30 Personen damit versorgen. Das reicht nicht“, so Klotz. Allerdings habe die Frau jetzt eine Wohnung in Marzahn angeboten bekommen, ihre Kinder seien aber in Schulen in Tempelhof integriert. „Ein schwieriger Fall, es wird zunehmend richtig eng, das merken wir im Sozialamt immer mehr“, so Klotz.
Wie die Auswertungen des Wohnmarktreports ergaben, ist „die mittlere Angebotsmiete pro Quadratmeter im innerstädtischen Schöneberg höher als im vorstädtischen Tempelhof“. Und genau umgekehrt verhalte es sich mit dem Mietanstieg. Die Gebiete mit der dynamischsten Entwicklung liegen in Tempelhof. Marienfelde-West gehört mit zu den Gebieten, die die niedrigsten Angebotsmieten 2014 hatten, zeitgleich aber die größten Steigerungen verzeichneten. Dasselbe, so der Report, gilt für Alt-Marienfelde, Alt-Mariendorf und Mariendorf-West. „Zu einer Angleichung der Tempelhofer Angebotsmieten an das Schöneberger Niveau dürfte es aber in absehbarer Zeit nicht kommen“, prognostizieren die Immobilienexperten.
In einigen Gebieten sinken die Preise
Die geforderten Mieten in Schöneberg bei Neuvermietung „stoßen offenbar an die Grenzen der Zahlungsbereitschaft“, weshalb für die Gebiete um den Bayerischen Platz, den Bülowbogen und das Rathaus Schöneberg die Preise sanken. Beim Mietspitzenreiter des Bezirks, dem Quartier um den Viktoria-Luise-Platz, wurde noch ein moderater Anstieg errechnet. Spürbare Anstiege gab es rund um den Friedrich-Wilhelm-Platz, Breslauer Platz und Grazer Damm – alles Gebiete außerhalb des S-Bahn-Rings.
Um steigenden Mieten etwas entgegenzusetzen, unterstützt der Bezirk Tempelhof-Schöneberg den Neubau. „Aber es sind eben auch viele Eigentumswohnungen, die entstehen“, so Klotz, die neben dem Sozial- und Gesundheitsressort auch für die Stadtentwicklung im Bezirk zuständig ist. Beim größten Projekt am Innsbrucker Platz entstehen etwa 900 Wohnungen. Immerhin sollen etwa ein Viertel davon mit bezahlbaren Kaltmieten von 6,50 bis 7,50 Euro im geförderten sozialen Wohnungsbau entstehen.
Mit sozialen Erhaltungsgebieten wie am Bayerischen Platz versucht das Bezirksamt, der Verdrängung der angestammten Bevölkerung zu begegnen. „Man kann damit Luxussanierung verhindern, Modernisierung aber nicht generell, und das wollen wir auch nicht“, sagt Klotz. Solange die Umwandlungsverordnung vom Senat, mit der die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verboten werden soll, fehle, seien soziale Erhaltungssatzungen der Bezirke ein stumpfes Schwert. Dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) die soziale Erhaltungssatzung für die Rote Insel in Schöneberg begrüßte, die sie als Politikerin der Grünen in Kürze als viertes Gebiet im Bezirk erlassen werde, freue sie zwar. Aber noch mehr freue es sie, „wenn Müller und sein Koalitionspartner CDU endlich eine Umwandlungsverordnung“ erließen.
Die interaktive Grafik der Berliner Morgenpost zeigt, wie die Mieten in den Kiezen steigen: morgenpost.de/mieten-in-berlin. Unter morgenpost.de/sowohntberlin finden Sie alle Teile der Wohnserie