Lichterfelde West

Wind stoppt Arbeiten an der Moltkebrücke

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Arne Huhn, Referatsleiter Brückenbau, vor dem 38 Meter langen Stahlträger für die neue Moltkebrücke.

Arne Huhn, Referatsleiter Brückenbau, vor dem 38 Meter langen Stahlträger für die neue Moltkebrücke.

Foto: Sergej Glanze / FUNKE Foto Services

Am Vormittag sollte der erste Stahlträger der neuen Moltkebrücke am S-Bahnhof Botanischer Garten eingebaut werden. Dann kam alles anders.

Berlin.  Alles war berechnet, alles war bereit: Um 9.30 Uhr sollte das erste Brückenteil der neuen Moltkebrücke am Kran hängen und über die Gleise am S-Bahnhof Botanischen Garten schweben. Die Stahlketten wurden schon herabgelassen, um den 38 Meter langen und 40 Tonnen schweren Stahlträger vom Schwerlasttransporter hochzuheben, und ihn dann in seine Position zwischen Enzianstraße und Moltkestraße zu bringen.

Da auf einmal wurde es still. Der Kranführer hatte den Motor abgestellt, der zuvor den Kiez in Lichterfelde West rund um den S-Bahnhof beschallt hatte. Stopp, hieß es. Zuviel Wind, zu gefährlich. Das Brückenteil am Haken könnte den Wind aufnehmen und sich drehen. Der Windmesser oben an dem 750 Tonnen schweren Teleskop-Autokran war unbestechlich und unberechenbar. Nur so viel war am Vormittag klar: Vor 17 Uhr kann es nicht weitergehen, erst dann wird sich der Wind legen. Um 19 Uhr war schließlich der erste Träger eingebaut.

Eine halbe Stunde zuvor hatte Arne Huhn, Referatsleiter Brückenbau bei der Senatsverwaltung für Umwelt und Mobilität, noch gesagt: „Der Wind ist das größte Risiko.“ Zu diesem Zeitpunkt war allerdings noch nicht zu ahnen, dass der Zeitplan durcheinandergeraten könnte. Huhn war guter Dinge und ging davon aus, dass alle fünf Brückenteile bis zum Abend eingehoben sind.

Ausnahmegenehmigung muss verlängert werden

Doch binnen einer Minute änderte sich die Lage. Jetzt musste er seinen „Plan B“ rausholen. Das Wichtigste war, die Ausnahmegenehmigungen zu verlängern, und damit auch die Sperrfrist, die bis Montag, 4 Uhr, für die Gleise der S-Bahn und die Regionalbahn unterhalb der Brücke galt. Was zuvor als Witz die Runde machte, nämlich, dass eine Verzögerung der Arbeiten gar nicht auffallen würde, weil die Bahn wegen des Streiks am Montag sowieso nicht fährt, wurde auf einmal Realität. „Aber durch den Streik könnte es leichter werden, die Sperrpause zu verlängern“, sagte Huhn. Die Züge stehen eh still.

Rund um den S-Bahnhof herrschte am Sonnabendvormittag so etwas wie Volksfeststimmung. Alle Läden hatten ihre Türen geöffnet, die Bewohner der umliegenden Häuser standen auf ihren Balkons. Viele waren aber auch zu Fuß, mit dem Fahrrad oder sogar mit dem Auto gekommen, um beim spektakulären Einbau der fünf Stahlträger dabei zu sein.

Extra aus Zehlendorf war zum Beispiel Helmut Schmidtchen mit seiner Enkelin gekommen. „Ich habe noch nie so große Brückenteile gesehen“, sagte der 76-Jährige. Auch die riesigen Kräne seien beeindruckend. Der Zehlendorfer war schon ganz früh am morgen da, und wollte später noch einmal wiederkommen. Das das eine gute Idee war, wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Mit einem Brötchen und einem Kaffee hatte sich auch Kerstin in beste Sitz- und Blickposition gebracht. Der lange Stahlträger lag genau vor ihr. „So eine große Baustelle ist schon spannend, auch wenn sie nervig für die Anwohner ist“, erklärte die 62-Jährige. Sie wohnt in Lichterfelde und hatte beobachtet, wie in der vergangenen Nacht „ordentlich Autos abgeschleppt wurden“.

14 Fahrzeuge mussten in der Nacht abgeschleppt werden

Das konnte Arne Huhn bestätigen. Im Kiez zwischen Asternplatz und Hindenburgdamm wurden aufgrund des Brückeneinbaus über das Wochenende zahlreiche Verkehrseinschränkungen veranlasst. „14 Fahrzeuge mussten wir trotz Informationen abschleppen“, berichtete der Referatsleiter. Ein Schwerpunkt sei die Moltkestraße gewesen. Die ist halbseitig gesperrt und es gilt eine Einbahnstraßenregelung, damit die Schwerlasttransporte durchkommen. Zwischen Gardeschützenweg und Roonstraße ist die Moltkestraße voll gesperrt.

Die Verzögerung durch den Wind wird das Bauprojekt nicht ins Wanken bringen. „Das Wichtigste ist, dass die fünf Stahlträger an diesem Wochenende von den Transportern abgeladen und eingehängt werden“, so Huhn. Alles andere könne später noch erfolgen. Im ersten Quartal 2024 soll die neue Moltkebrücke nach zwei Jahren Bauzeit fertig sein. Die Fußgänger können die neue Brücke wahrscheinlich schon eher nutzen. Die Gehwege und der Fahrstuhl sollen schon im November zur Verfügung stehen.

Anwohner wollen in ihrem Kiez etwas bewegen

Die neue Brücke ist genauso breit wie die alte Brücke, die aus dem Baujahr 1909 und marode war und deshalb abgerissen werden musste. Die neue hat auch wieder zwei Fahrbahnen, in jede Richtung eine und auf beiden Seiten einen Bürgersteig. Dennoch wollen einige Anwohner den Brückenbau zum Anlass nehmen, um etwas in ihrem Kiezzentrum rund um den S-Bahnhof Botanischer Garten zu bewegen. Vor zwei Monaten hat sich die Bürgerinitiative „Kiez Moltkestraße“ gegründet. Ziel sei es, „wieder das hinzukriegen, was mal der alte Kiezgedanke war“, erklärte Heidrun Achilles.

Sie ist von Anfang an in der Initiative dabei und hat alle Wünsche schnell parat: Auf der Brücke soll künftig Tempo zehn gelten. Als Spielstraße soll sie den Durchgangsverkehr von der Straße Unter den Eichen heraushalten und keine Rennstrecke sein. Kurzzeitparkplätze, Sitzgelegenheiten und eine Spielfläche für Kinder sind weitere Forderungen der Initiative. Auch mehr kleine Läden sollten sich im Kiez ansiedeln. „Früher konnten wir uns mit allem hier vor Ort versorgen“, erinnerte sich die Lichterfelderin.

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