Berlin. Es wäre fast komisch, bestünde nicht die Gefahr für schwere Unfälle: In Berlin-Weißensee lenken Autofahrer an einer Baustelle ihre Fahrzeuge immer wieder in das Gleisbett der Tram. Vor rund einer Woche klebten Mitarbeiter der Verkehrssicherung BSG eine neue Schraffierung und Leitpfeile auf. Doch genützt hat es bislang wenig: In einer örtlichen Facebook-Gruppe berichten Anwohner alle paar Tage über neue Autos auf den Schienen.
Konkret geht es um die Baustelle an der Berliner Allee auf Höhe der Einmündung Indira-Gandhi-Straße am Weißen See im Bezirk Pankow. Dort ist die Fahrbahn der Berliner Allee stadtauswärts gesperrt, der motorisierte Verkehr wird über die Tramgleise auf die Gegenfahrbahn verschwenkt. Grund ist seit April zuerst eine BVG-Baustelle gewesen, die inzwischen nahtlos in Arbeiten der Berliner Wasserbetriebe übergegangen ist.
Weißensee: Baustelle verschärft unübersichtliche Verkehrssituation
Die Folge ist eine unübersichtliche Verkehrssituation, bei der Autofahrer aus Richtung Indira-Gandhi-Straße nur stadteinwärts abbiegen dürfen und dabei sowohl die Tramgleise als auch den einspurig auf die Fahrbahn in Richtung Stadtgrenze umgelegten Gegenverkehr passieren müssen. Gleichzeitig können Fahrzeuge von der Berliner Allee nur aus Richtung stadtauswärts in die Indira-Gandhi-Straße einbiegen.
Wer der Tram über den zunächst noch geteerten Bereich folgt oder ob der Breite der Kreuzung die Übersicht verliert, landet trotz mehrerer eigentlich eindeutiger Hinweise offenbar leicht auf den Gleisen und fährt sich mitunter fest. Die Folge sind Sperrungen der Tramstrecke und der Einsatz von Spezialgerät.
Arbeiten in der Berliner Allee sollen noch mehrere Monate andauern
Während ein Baustellenschild vor Ort nur die arbeiten der BVG vom 6. April bis zum 25. Juli ausweist, werden dort derzeit Kanalarbeiten der Berliner Wasserbetriebe ausgeführt, wie auch die Senatsverwaltung für Mobilität bestätigt. Nach Auskunft der Verkehrsinformationszentrale Berlin sollen sie erst am 28. Februar 2023 um 17 Uhr beendet sein. Allerdings heißt es dort bereits: „Im Anschluss folgen weitere Arbeiten.“
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Bis die Unfallstelle entschärft ist, werden so offenbar noch einige Monate ins Land gehen. „Wir wissen von der Häufung“, sagt unterdessen eine Sprecherin der Polizei, ohne jedoch konkrete Zahlen zu nennen. Die Behörde sei deswegen bereits tätig geworden und habe das an die zuständige Senatsverwaltung für Verkehr gemeldet. Denn für eine Änderung der Verkehrssituation ist die Polizei nicht zuständig.
Nach neuesten verfügbaren Daten der zuständigen Senatsverwaltung für Mobilität vom 9. Dezember sind an der Baustelle in Weißensee bislang 31 Fahrzeuge in das Gleisbett gerattert. Dennoch beziehe sich die Identifikation als „Problemschwerpunkt“ nur die Verspätungslage der BVG auf der Berliner Allee und nicht die Fahrbahnverschwenkung.
Darauf, dass dutzende Autos auf den Schienen daran einen Anteil haben könnten, geht die Verwaltung nicht näher ein. Nach Ergänzung der Markierung und Beschilderung „wird derzeit beobachtet, ob die erwartete Verbesserung eintritt“, heißt es von der Pressestelle.
Für Dirk Stettner aus Weißensee grenzt das Verhalten der obersten Landesbehörde an Fahrlässigkeit. Auf eine schriftliche Anfrage des CDU-Abgeordneten schreibt die Behörde: „Unter Beachtung der vorhandenen Beschilderung und Markierung ist ein sicheres Passieren des genannten Bereiches möglich“, um gleich darauf auf die hohe Zahl der Fahrzeuge im Gleisbett zu antworten, dass die Anzahl der „Ereignisse“ als „außergewöhnlich“ eingestuft werde. Wie oft und wie lange der Straßenbahnverkehr für die Entfernung der Autos unterbrochen werden musste, hat die Senatsverwaltung nach eigenen Angaben jedoch nicht erfasst.
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„Wenn so viele Autofahrer im Gleisbett landen, ist die Verkehrsführung mangelhaft“, ist Dirk Stettner überzeugt. Da die Markierungsarbeiten der vergangenen Woche das Problem offensichtlich nicht behoben hätten, müsste die Behörde erneut schleunigst nachbessern und dürfe nicht einfach auf das Ende der Bauarbeiten warten.
Denn neben dem Schaden und der Gefährdung der Autofahrer gehe es auch um unzählige Menschen aus ganz Weißensee, die nach entsprechenden Unfällen an Haltestellen frieren müssten. „Das ist dem Senat anscheinend schnuppe“, so der Abgeordnete.