Berlin. Berlins Kultursenator schlägt einen Standort in Mitte für die Zentralbibliothek vor. Weichen müssten die Galeries Lafayette.

Der Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) hat positiv auf einen Vorschlag von Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) reagiert, wonach die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) in das Quartier 207 an der Friedrichstraße in Mitte ziehen könnte. Dort ist das Warenhaus Galeries Lafayette derzeit Hauptmieter. „Für den Fall, dass der Fortbestand des Warenhauses an dieser Stelle nicht möglich ist, wäre das eine intelligente Lösung“, sagte HBB-Chef Nils Busch-Petersen am Montag gegenüber der Berliner Morgenpost in einer ersten Reaktion.

Chialo bezeichnete den möglichen neuen Standort am Montag laut Mitteilung als „eine einmalige Chance und ein starkes Zeichen des Aufbruchs für Berlin“. „Das Quartier 207 als Standort für die dringend benötigte Berliner Zentral- und Landesbibliothek bietet optimale Voraussetzungen und würde eine jahrzehntelange Suche beenden. Die ZLB in der Friedrichstraße, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Humboldt Forum, der Humboldt-Universität und zu herausragenden Leuchttürmen Berliner Kultur, wie der Staatsoper Unter den Linden, wäre für alle Berlinerinnen und Berliner gut erreichbar, für die Anrainer in der Friedrichstraße ein echter Gewinn und, vor allem: Der Ort bietet ideale Bedingungen für eine zeitgemäße Bibliothek in einer Millionenmetropole und das mitten im Herzen der Stadt“, erklärte er.

Neubau der Bibliothek „aus der Finanzplanung genommen“

Darüber hinaus habe das Gebäude laut dem CDU-Politiker die richtige Größe, wäre schneller bezugsfertig und zudem deutlich nachhaltiger als ein jahrelanger, kostenintensiver Neubau. Und: Für das Land Berlin wäre ein Umzug an den Standort vergleichsweise kostengünstig zu haben.

Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) sagte am Abend der Berliner Morgenpost, sollten sich die Galeries Lafayette entscheiden, den Standort in der Friedrichstraße aufgeben, sei eine Nutzung durch die ZLB durchaus denkbar. „Fest steht: Jede Einkaufsstraße braucht einen Anker, der die Menschen anzieht. Das kann eine moderne Bibliothek als offenes Haus oder auch ein Warenhaus sein. Solch ein Anker ist insbesondere für die Friedrichstraße wichtig, deren Gewerbetreibende in den letzten Jahren einige Krisen meistern mussten“, so Giffey. Das gemeinsame Ziel müsse sein, die Friedrichstraße zu einer echten Flaniermeile zu entwickeln und die historische Mitte Berlins so zu gestalten, dass sie dem Maßstab einer europäischen Weltmetropole gerecht werde, erklärte sie weiter.

Bisher war als Quartier für die ZLB eigentlich ein Neubau am Kreuzberger Blücherplatz vorgesehen. Planungen dafür gab es seit 2015. Kostenpunkt: rund 500 Millionen Euro. Der Kulturverwaltung zufolge hat man die Pläne mittlerweile jedoch aufgeben. „Notwendige Schritte zur Umsetzung liegen bereits jetzt im Zeitplan zurück, ein Hochbauwettbewerb kann nicht ausgelobt werden, da aufgrund der Konsolidierung der Investitionsmittel das Vorhaben 2022 aus der Finanzplanung genommen wurde“, hieß es laut Mitteilung.

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Im Austausch mit dem Eigentümer des Quartier 207, Tishman Speyer, sei nun die Idee entwickelt worden, das Galeries Lafayette-Gebäude als Standort für die ZLB zu nutzen. „Erste Untersuchungen zum möglichen neuen Standort liegen bereits vor und stimmen optimistisch“, so die Kulturverwaltung. Zentral in der Mitte der Stadt gelegen sei das Gebäude gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Mit vier Unter- und sieben Obergeschossen könnten zudem alle erforderlichen Raumtypen im Gebäude untergebracht werden. Die Nutzfläche liege mit gut 35.000 Quadratmeter allerdings leicht über dem ermittelten Bedarf an Fläche.

Gerüchte über den Auszug von Galeries Lafayette gab es zuletzt immer wieder

Nach einem kurzem Umbau könnte dann ab 2026 das Quartier 207 neue Heimat der ZLB sein. Dies sei auch „deutlich nachhaltiger als der bisher geplante Neubau“. Beispielsweise ließen sich 64 Prozent CO2 durch die Umnutzung einsparen. Der geplante Neubau würde darüber hinaus auch erst 2035 fertiggestellt sein. Außerdem würden Ausweichorte für den Betrieb während der Bauphase benötigt.

Das Vorpreschen Chialos kommt mit Blick auf den neuen Standort aber dennoch überraschend. Das Quartier 207 ist seit seiner Fertigstellung im Jahr 1996 Heimat des Kaufhauses Galeries Lafayette, das zu der gleichnamigen französischen Kaufhauskette gehört. Gerüchten um einen möglichen Wegzug hatte Galeries Lafayette in der Vergangenheit vehement widersprochen. Der Berliner Kultursenator erklärte am Montag, die Galeries Lafayette würden 2024 ausziehen. Vom Unternehmen selbst gab es dazu auf Morgenpost-Anfrage zunächst keine Reaktion.

Auszug der Galeries Lafayette wäre wohl gänzlicher Abschied aus Berlin

Das Quartier 207 gehört seit 2022 der US-Immobiliengruppe Tishman Speyer. Morgenpost-Informationen zufolge ist der neue Eigentümer an einer nachhaltigen Belebung des Gebäudes – das eigentlich nicht für ein Warenhaus konzipiert worden war – interessiert. Der bisherige Mietvertrag von Galeries Lafayette soll tatsächlich lediglich bis Ende 2024 laufen. Gespräche mit dem Einzelhändler, dessen Hauptverwaltung ihren Sitz in Paris hat, seien schwierig. Abschließend gescheitert sind sie allerdings wohl noch nicht, ist zu hören. „Die Kommunikation der Franzosen ist schwierig. Womöglich weiß nicht mal der Geschäftsführer vor Ort hier in Berlin, was eigentlich los ist“, sagt ein Szenekenner. Fast sicher hingegen ist: Bleiben die Galeries Lafayette nicht am bisherigen Standort käme das einem Abschied aus Berlin gleich.

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Für die zuletzt gebeutelte Friedrichstraße käme der Einzug der Berliner ZLB hingegen wohl einer Belebung gleich. „Wir wissen, dass es mit reinem Handel nicht mehr getan ist“, sagte HBB-Chef Busch-Petersen. Eine Bibliothek als großer Anker würde wohl fraglos für stärkeren Publikumsverkehr in der Friedrichstraße sorgen, so Busch-Petersen. Womöglich hätte das auch positive Auswirkungen auf die übrigen Händler. Zuletzt hatte die Branche wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage wieder über Einbußen geklagt.

Verkehrssenatorin will neues Konzept auch für die Friedrichstraße erarbeiten

Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) hatte bereits angekündigt, mit Anwohnern und Gewerbemietern ein neues Konzept für die Straße im historischen Zentrum Berlins entwickeln zu wollen. Seit Juli ist die Friedrichstraße wieder gänzlich für den Autoverkehr freigeben. Schreiner hatte damit auch die Verkehrspolitik des Vorgänger-Senats revidiert, der einen Teil-Abschnitt der Straße ab August 2020 im Rahmen eines Verkehrsversuchs für Autos gesperrt hatte.