Berlin. Noch im Dunkeln, in den frühen Morgenstunden, ist das russische Panzerwrack, zerstört beim Angriff auf die Ukraine, als Mahnmal vor der russischen Botschaft Unter den Linden aufgestellt worden. Zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine wollten die Initiatoren des Projektes, Enno Lenze und Wieland Giebel von Berlin Story Bunker, ein starkes Zeichen gegen den Angriffskrieg setzen.
Medienwirksam war die Aktion allemal: von CNN über Al Dschasira bis zu tschechischen, ukrainischen und spanischen Medien – viele Sender und Agenturen aus dem Ausland begleiteten den Start der Aktion in Berlin. Der Bezirk Mitte hatte anfangs viele Bedenken dagegen vorgebracht. Als Andrij Melnyk, der im vergangenen Sommer noch als ukrainischer Botschafter in Berlin amtierte, die Einwände kritisierte, wurden die Pläne weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt.
Der Krieg gegen die Ukraine richte unglaubliches Leid an, er selbst habe es immer wieder erlebt, sagte Museumsleiter Enno Lenze, der in einem eigenen News-Kanal von der Front berichtet, auf einer Pressekonferenz neben dem Panzerwrack am Freitagvormittag. Die Grausamkeiten seien unvorstellbar und so schwer verständlich zu machen. „Ein zerstörter Panzer – man sieht, dass er kaputt ist – zeigt diese Vergänglichkeit von Mensch und Maschine, zeigt, welche Kräfte da wirken.“
Der Panzer fuhr in einem Vorort von Kiew auf eine Mine
Der Panzer sei am 31. März 2022 bei der Schlacht um Kiew in einem Vorort, wo man die Skyline schon sehen könne, durch eine Mine der Ukraine zerstört worden, berichtete Lenze. Der Panzer habe aktiv an den Kämpfen teilgenommen, eine Reihe von Einschusslöchern aus Waffen unterschiedlichen Kalibers belegten das. Auch gebe es eine Reihe von Treffern aus Handfeuerwaffen.
Museums-Kurator Wieland Giebel sagte, er äußere mit dem Panzerwrack moralische Abscheu gegenüber den Verbrechen Putins. „Das Abschlachten an der Front, die Raketen gegen Schulen, Krankenhäuser, gegen ein Theater als Schutzraum und gegen Wohngebiete – das alles sind Kriegsverbrechen.“ Der Panzer stehe vor der russischen Botschaft als Symbol des Untergangs. „Das Regime wird untergehen, in die Hölle. Wer solche Kriegsverbrechen begeht, wird das nicht überleben.“
Den Panzer nach Deutschland zu bringen, war nicht einfach. Lenze nannte das Prozedere seit der Idee vergangenem Sommer eine „irre, hoch komplizierte Geschichte“ und sprach von „Tausend Unterlagen Genehmigungen“. Ohne einen fähigen Rechtsanwalt wäre die Aktion gescheitert. Patrick Heinemann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, erinnerte an die Gründe, die das Bezirksamt Mitte vorgebracht hatte, die die Aktion fast zum Scheitern gebracht hatten. „Das Bezirksamt hat außenpolitische Gründe, Denkmalschutzgründe, Pietätsgründe vorgebracht. Aber die Meinungsfreiheit kam nicht in die Waagschale.“
Auch Botschafter Makeiev besichtigt das Wrack
Auch der aktuelle ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev hat am Jahrestag zum Kriegsbeginn den vor der russischen Botschaft aufgestellten zerstörten Panzer besichtigt. Das russische Panzerwrack sei eine Mahnung, die zeige, was nötig sei, um den Krieg zu beenden. „Damit solche Panzer nie mehr in Europa rollen, dafür ist die Ukraine verantwortlich“, sagte Botschafter Makeiev. „Wir werden alles dafür tun, dass die russischen Panzer zurück nach Russland verdrängt werden.“
Umstehende und Passanten begrüßen die Aktion als beeindruckend
„Ich bin überwältigt“, sagte eine 32-Jährige, die mit dem Fahrrad eher zufällig am neu aufgestellten Panzerwrack vorbeikam. „Das kommt so nah.“ Ein junger Marokkaner bezeichnete die Aktion und den Panzer als Symbol „sehr treffend“. Er studiert in der Ukraine, hat sie nach Kriegsbeginn im vergangenen Jahr verlassen und kann aktuell sein Studium nicht fortsetzen. Eine Ukrainerin, die ganz ruhig am Bauzaun mit ihrem Baby die Protestaktion beobachtete, wischte sich eine Träne weg. „Das ist jedenfalls mehr als Fernsehen leisten kann.“ Vielleicht verständen die Deutschen durch den Panzer eher, was der Krieg bedeute. Sie habe vor kurzem ihre Schwester in der Ukraine besucht. Nichts sei mehr so gewesen wie es war. „Dabei ist es ganz nah. Fast schon um die Ecke.“
Die Kanone zielt auf die russische Botschaft
Einer vierköpfigen Familie aus Sachsen ist aufgefallen, dass die Kanone des Panzers auf die russische Botschaft gerichtet ist. „Sowas macht man nicht“, kommentierte der Vater. Mit einer Waffe ziele man nicht auf Menschen, das predige er auch immer seinen Kindern. Rechtsanwalt Patrick Heinemann sagte, dass das Rohr auf die Botschaft ziele, sogar direkt auf den Gebäudetrakt des Geheimdienstes, sei nicht so gedacht gewesen. Das habe aus Gründen der Statik sein müssen. „Aber wir können da gut mit leben. Schließlich hat Putin einen Angriffskrieg gestartet.“
Das Wrack bleibt anders als angekündigt nur ein paar Tage
Lange kann der Panzer nicht vor der russischen Botschaft bleiben. Eigentlich wurde er für zwei Wochen genehmigt, doch am Montag wird schon wieder abgebaut. Denn der Schwerlast-Trailer, auf dem er steht, wird am Dienstag für die Lieferung von Hilfsgütern in die Ukraine gebraucht. Zunächst soll der Panzer als Symbol des Protests auf Reisen gehen, erst einmal ins Freedom Museum in die Niederlande, kündigten die Initiatoren an.
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