Berlin. Rettungskonzept für das abgesackte Bauwerk: Wie der Tunnel der U-Bahn-Linie 2 unter dem Alexanderplatz angehoben werden soll.
Die U-Bahn-Linie U2 soll mit einer zehn Millionen Euro teuren Tunnelanhebung im Bereich Alexanderplatz ab August wieder normal fahren. Derzeit ist dort aus Sicherheitsgründen nur ein 15-Minuten-Takt möglich, da die Tunnelröhre abgesackt ist. Der vollständige, zweigleisige Betrieb im August sei das Ziel, sagte Meike Niedbal, Staatssekretärin für Mobilität, am Montag in Berlin.
Auf der Pressekonferenz legte der Immobilienkonzern Covivio ein Konzept vor, nach dem der U-Bahn-Tunnel zunächst stabilisiert und anschließend angehoben werden soll. Das Unternehmen errichtet direkt neben dem Tunnel einen 130-Meter-Büroturm mit einem 36 Meter hohen Sockelgebäude, in dem neben Gewerbe 220 Mietwohnungen entstehen sollen.



„Das Sanierungskonzept liegt vor – wir werden jetzt gemeinsam mit dem Bezirk und der BVG die Unterlagen prüfen und schnellstmöglich freigeben“, so Verkehrsstaatssekretärin Meike Niedbal. Laufe es wie geplant, könnten die Arbeiten im März beginnen und im August dieses Jahres soweit abgeschlossen sein, dass der Vollbetrieb auf der U2 wiederaufgenommen werden könne.
Weitere Sanierungsarbeiten können dann voraussichtlich zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, vorzugsweise nachts und ohne Beeinträchtigungen des Verkehrs auf der Linie, ergänzte Rolf Erfurt, Vorstand Betrieb der BVG.
Der Vorstandsvorsitzende von Covivio, Daniel Frey, sagte, er wolle nicht spekulieren, wer die Verantwortung für das Absacken des Tunnels trage. Dies würde durch Gutachter derzeit geklärt. Bei den Kosten der Reparatur von zehn Millionen Euro geht die Covivio den Angaben zufolge jedoch in Vorkasse. Über die genaue Aufteilung werde dann nach Vorliegen des Gutachtens entschieden.
Stützwand der Baugrube hat sich durch den Wasserdruck verformt
Auch wenn die Verursacherfrage also noch nicht abschließend geklärt ist, gilt es doch als sehr wahrscheinlich, dass die Arbeiten an der Baugrube die Ursache waren. Im Sommer 2022 hatten sich die Stützwände, die die Baugrube absichern, unter dem Druck des Grundwassers so stark verformt, dass der unmittelbar angrenzende Tunnel der U2 um 3,8 Zentimeter absackte. An der schmalsten Stelle beträgt der Abstand zur Hochhaus-Baugrube zwischen 80 Zentimeter und 2,50 Meter, sagte Covivio-Projektmanager Andreas Tichay.
In einem ersten Schritt sollen nun zunächst auf einer Fläche von 16 mal 45 Metern 256 sogenannte Injektionslanzen durch die Baugrubenwand eingebracht werden, erläuterte Tichay weiter. Jede dieser Lanzen wiederum wird durch sogenannte Verdrängungsrohre geführt. „Das ist notwendig, denn wir entnehmen keine Erde, sondern verdichten den Boden“, so der Projektmanager.
Durch diese soll dann Flüssigzement unter den Tunnel gebracht werden, um den um knapp vier Zentimeter abgesackten Tunnel in seine alte Lage zu bringen und zu stabilisieren. Die Baugrubenwand selbst soll anschließend durch Stahlanker stabilisiert werden. Nach fünf Monaten soll den Planungen zufolge dieser Prozess abgeschlossen sein, so dass die Züge der Linie U2 ab August wieder auf beiden Gleisen fahren können.
Die Hebevorrichtung soll jedoch noch viel länger vor Ort bleiben – eine Sicherheitsmaßnahme, falls es im weiteren Verlauf der Bauarbeiten erneut zu Absenkungen des Tunnelbauwerks kommen sollte. Erst ein halbes Jahr nach Fertigstellung des Gebäudes solle diese wieder entfernt werden, um, wenn nötig, nachjustieren zu können, sagte Tichay. Das Hochhaus werde durch die Rettungsarbeiten am Tunnel vermutlich neun Monate später als geplant, Ende 2026, fertig.
Für die BVG-Kunden bringt das am Montag vorgestellte Konzept vorerst keine Veränderung. Bis August ist mit einer wesentlichen Verbesserung der Situation für die Fahrgäste der Linie nicht zu rechnen, die U2 soll solange nur zwischen Klosterstraße und Senefelderplatz pendeln. Aus Sicherheitsgründen, so BVG-Betriebsvorstand Erfurt, sei es leider nicht möglich, die Züge über den Senefelderplatz hinaus bis zum Rosa-Luxemburg-Platz fahren zu lassen. Diese Verbesserung war noch vergangene Woche in Aussicht gestellt worden.
„Gemeinsam mit dem Land bereiten wir aber eine Verstärkung der Straßenbahnlinie M1 vor, die viele als Alternative nutzen“, sagte der BVG-Betriebsvorstand. Ziel sei es, die M1 ab Anfang April im Fünf- statt im 7,5-Minuten-Takt fahren zu lassen.
Daniel Frey, Vorstandsvorsitzender der Covivio, beteuerte, das Unternehmen habe mit Blick auf die Reparatur der U2-Strecke „in den letzten Monaten alle Energie darauf verwandt, um dafür eine zuverlässige technische Lösung zu finden“. Auch wenn noch nicht sicher ist, dass die Covivio am Ende für den verursachten Schaden allein die Verantwortung trägt – eine Vertragsstrafe muss der Immobilienkonzern bereits seit Oktober für jeden Tag zahlen, den die BVG nur im Pendelverkehr fährt. Wie teuer diese sogenannte Pönale das Unternehmen zu stehen kommt, wollte jedoch keiner der Beteiligten sagen. „Ich kann Ihnen aber versichern: Sie tut richtig weh“, sagte BVG-Betriebsvorstand Erfurt.
Der Tunnelschaden durch den Bau von Gebäuden in unmittelbarer Nachbarschaft von U-Bahnen hatte in Berlin eine breite Debatte darüber ausgelöst, ob solche Projekte überhaupt noch genehmigt werden sollten. Der Berliner Baugrund mit seinen Schichten aus Sand, Kies und eingelagerten Moorlinsen sei zwar schwieriger als etwa auf der Insel Manhattan, deren Hochhäuser auf einem Granitsockel errichtet seien, sagte dazu Ephraim Gothe (SPD), Baustadtrat des Bezirks Mitte. Der Bezirk hatte dem Covivio-Hochhaus als zuständige Behörde die Baugenehmigung erteilt. „Aber ich finde, wir sollten nicht zu verzagt sein, es gibt technische Lösungen.“ Auch Städte wie Hamburg, die ebenfalls in der norddeutschen Tiefebene liegen, verzichteten nicht auf entsprechende Bautätigkeit.
Künftig soll mehr Risikovorsorge zur Pflicht werden
Allerdings, so Gothe weiter, sollte man bei künftigen Projekten in der Nähe empfindlicher Verkehrsinfrastruktur noch mehr Risikovorsorge betreiben. Dies habe man bei dem Covivio-Projekt auch getan. „Die Baugenehmigung war von Anfang an mit einer nachbarschaftlichen Vereinbarung zwischen dem Bauherrn und der BVG verbunden, was uns jetzt schnell in die Lage versetzt hat, handeln zu können“, ergänzte Gothe. Das habe den Vorteil, dass der folgenschwere Schaden ohne Verzug bei der Planung und Durchführung angegangen werde könne. „Für die weiteren Bauplanungen am Alexanderplatz sollte dies zur Regel werden“, so Gothe.
Staatssekretärin Niedbal aus dem Hause der grünen Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch sieht das genauso: „Künftig müssen wir bei allen weiteren Bauprojekten mit Risiken für die öffentliche Infrastruktur im Vorfeld auf einer nachbarschaftlichen Vereinbarung bestehen – zwischen Covivio und BVG lag sie zum Glück vor“, bekräftigte sie mit Verweis auf die vielen Bauvorhaben, die teils ebenfalls dicht an U-Bahntunnel grenzen. Eine solche Vereinbarung sei aber bisher nicht obligatorisch.
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