Berlin. Auseinandergebaut liegt das hölzerne Amphitheater auf dem Gelände. Nicht zuletzt für den spektakulären Bau war das Monbijou-Theater einst bekannt. Vor der Kulisse der Museumsinsel wurden hier Dramen aufgeführt. Mittlerweile darf der Holzbau im Monbijoupark nicht mehr für Aufführungen genutzt werden. Er ist zum Zankapfel zwischen alten und neuen Mietern der Fläche verkommen. Dafür hat sich deren Streit um das Theater selbst in den vergangenen Monaten zum Drama entwickelt. In dieser Woche hat er einen neuen Höhepunkterreicht.
In der Nacht zu Dienstag verschafften sich Unbefugte Zutritt zum Gelände und besprühten eines der Bühnenbilder für die baldige Premiere des „Faust“ mit einem Stinkefinger, einem Anarchie-Zeichen und einer Fratze mit herausgestreckter Zunge. Auf dem Dach der zur Fläche gehörenden Bunkeranlage habe gar jemand seine Notdurft verrichtet, erklären die Mieter der Fläche, die Theater an der Museumsinsel gGmbH.
Inzwischen Anzeige gegen Unbekannt gestellt
Die Theatermacher haben Anzeige gestellt. Die Täter haben sie nicht gesehen. „Wir wissen nicht wer die Täter sind, aber wir ahnen es“, sagt Matthias Horn, einer der Geschäftsführer. Denn Auseinandersetzungen habe es in letzter Zeit immer wieder mit dem Vormieter Christian Schulz und dessen Umfeld gegeben. Das Theater kommt nicht zur Ruhe. Dabei schien der letzte Akt im Drama eigentlich längst erreicht.
Sprung zurück in den März. Die Humboldt-Universität (HU), Eigentümer der Bunkeranlagen auf denen das bekannte Theater liegt, schließt den Vertrag für die Sommerspielzeit 2019 mit einem neuen Betreiber ab. Nun soll die von aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern gegründete „Theater an der Museumsinsel Berlin gGmbH i.G.“ die Fläche bespielen. Dahinter stehen der Bühnenbildner David Regehr, der den markanten Holzbau des Theaters erfunden hat, Regisseur und Dramaturg Maurici Farré, sowie der Ensemble-Sprecher Matthias Horn.
Mit der Entscheidung der HU schien ein Konflikt zu enden, der fast das Aus für eines der größten freien Theater in Berlin bedeutet hätte. Zuvor war die Kritik von Seiten der Bezirkspolitik am damaligen Betreiber Christian Schulz lauter geworden. Kritisiert wurde, dass für den Barbetrieb immer größere Flächen des Monbijouparks genutzt wurden.
Der Bezirk Mitte hatte die Gastronomie nur mit einer Sondergenehmigung in der Grünfläche zugelassen, um den Theaterbetrieb querzufinanzieren. Doch ob der Großteil der Einnahmen wirklich dazu diente, schien zunehmend unklar. „Wie viel Geld damit umgesetzt wurde, ist nach wie vor unklar“, sagte Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) damals. Gerade bei einer öffentlichen Fläche sei es notwendig, Transparenz zu schaffen. Dem sei Schulz bis zuletzt nicht nachgekommen, so Gothe. Im Dezember forderte die Bezirksverordnetenversammlung daher das Bezirksamt auf, nur noch einer gemeinnützigen GmbH die Sondergenehmigung zu erteilen. Die Führung des Theaters durch Schulz hatte da längst zu Konflikten mit den Mitarbeitern geführt, die den weiteren Betrieb bedrohen würden, hieß es aus dem Ensemble. Bühnenbildner Regehr etwa erhielt von Schulz ein Hausverbot.
Online-Petition mit über 8000 Unterstützern
Um das Theater auch künftig betreiben zu können, gründete Schulz kurzerhand die „Monbijoutheaterproduktions GmbH“ mit seinem früheren Weggefährten und Leiter des Hexenkessel Hoftheaters, Roger Jahnke. Die HU entschied sich dennoch für Schulz’ Konkurrenten. Zu Ende war die Geschichte damit nicht.
Durch das Aus für Schulz im Monbijoupark verloren einige seiner Mitarbeiter ihren Job. Im Mai starteten ehemalige Mitarbeiter des Monbijou-Theaters und Schauspieler des ehemaligen Hexenkessel Hoftheaters daher eine Petition – gegen die neuen Theaterbetreiber. Der Tenor: Das Theater steht vor dem Aus, rettet das Theater. Ungeachtet dessen, dass die neuen Betreiber unverzüglich in die Planung ihrer ersten Spielzeit starteten. Mittlerweile hat die Online-Petition in Berlin über 8000 Unterstützer gefunden. Zuletzt warb die Schauspielerin Meret Becker dafür.
Für Matthias Horn klingt der Aufruf nach nach ehemaligen Mitarbeitern, die ihrem Frust eine Stimme geben wollten. „So ganz verstehen wir die Petition nicht. Nur das sie uns neuen Betreibern schaden soll.“ Das geschehe längst auch auf anderem Wege, wie mit der neuerlichen nächtlichen Aktion. Ein Einzelfall sei das nicht. „Hier tauchen permanent Leute auf, die uns behindern“, sagt Horn. Neulich seien die Proben durch ihre Kontrahenten gestört worden. Und es gehe weiter, erklärt der Ensemble-Sprecher. „Die nehmen sich einfach den Zugang zum Gelände und verbarrikadieren alle Türen und Fenster und tauschen die Schlösser aus.“ Inzwischen hätten die Neumieter mehrfach Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet.
Doch so klar wie es wirkt, scheinen die Rollen nicht verteilt zu sein. Zumindest wenn man sich die Lage von Christian Schulz und seinem Anwalt schildern lässt. Mit dem Vandalismus wollen der Ex-Theaterbetreiber sowie Roger Jahnke nichts zu tun haben. „Ich weise das weit von mir“, sagt Schulz. Auch bei den verbarrikadierten Räumen ist er anderer Ansicht. Denn dabei handelt es sich um die Märchenhütten auf den Bunkeranlagen. Wem diese gehören ist nicht klar. Die Neumieter reklamieren sie als Teil der Mietsache. Schulz betrachtet sie weiter als sein Eigentum – das er nicht von der Fläche holen könne, da er von den Neumietern Hausverbot erhalten habe. Sein Anwalt verweist darauf, dass auch die HU weiterhin Schulz als Eigentümer der Hütten sieht, die zwischenzeitlich unrechtmäßig von den neuen Theaterbetreibern genutzt worden sei.
Vorwürfe gegen die Humboldt-Universität erhoben
Darauf angesprochen bleibt Horn teils vage. Er verweist darauf, dass Schulz jederzeit angemeldet seinen Besitz wie das zusammengepackte Theater abholen könne. „Er darf sein Zeug abholen, das ist kein Problem.“ Die Situation ist unübersichtlich. „Insgesamt ist das eine ungelöste Situation“, klagt Horn. Schuld sei daran auch die HU, die verpasst habe, Klarheit zu schaffen, etwa darüber, was zur Mietsache gehört. Zudem habe die Universität den Mietpreis versechsfacht.
Die Universität erklärt auf Anfrage, den aktuellen Mietern sei der Zustand der Fläche vor Vertragsabschluss bekannt gewesen. Bei der Miete habe „eine gewisse Anpassung an die aktuellen Marktgegebenheiten“ stattgefunden. Der Quadratmeterpreis habe sich jedoch nicht versechsfacht.
All diese Fragen versuchen Horn und der Rest der Theatertruppe vorerst auszublenden. Am Freitag, 14. Juni, startet die Spielsaison mit der Premiere einer Neufassung von „Faust“. „Das ist alles ziemlich hässlich“, sagt Horn. Doch aufgeben will der Schauspieler nicht. „Wir machen trotzdem Theater.“