Mitte. Das Berliner Museum für Naturkunde hat seit Jahren schon ein Maskottchen. Nur zu besonderen Anlässen kommt der ausgestopfte Große Vasapapagei aus seiner dunklen Behausung an die Öffentlichkeit. Am Mittwochmittag streicht Museumsdirektor Johannes Vogel über das Gefieder des Tieres. Es ist ein solcher Tag.
Denn das Haus an der Invalidenstraße in Mitte wird in den kommenden zehn Jahren 660 Millionen Euro investieren dürfen. Bund und Land teilen sich die Finanzierung. Das Naturkundemuseum soll mit dem Geld bald zu den führenden Häusern weltweit zählen. Gebäude sollen um- oder gleich ganz neu gebaut werden. Die Sammlung wird digital. Das soll auch die Forschung voranbringen.
Zweite Großinvestition nach dem Siemens-Campus
Vogel streicht jetzt über den Vogel. Das Tier sei auch ein bisschen wie das Naturkundemuseum, sagt der Direktor dann, während im Sauriersaal viele Mitarbeiter des Museums und zahlreiche Pressevertreter zuhören. Auf der linken Seite ist Jakob, so heißt das Maskottchen, intakt, die Federn glänzen. Die rechte Seite hingegen ist vernarbt, dem Tier fehlt ein Flügel. Seinem Museum gehe es ähnlich, so Vogel. 85 Prozent der Artefakte würden derzeit gar nicht gezeigt. „Wir wollen jetzt wieder alles schön machen.“ Und weiter: „Ich kann gar nicht sagen, wie glücklich ich bin.“
Generaldirektor Johannes Vogel und der Geschäftsführer des Hauses, Stephan Junker, freuen sich unübersehbar. Am Montag erst hatte Junker den ersehnten Anruf von Johannes Kahrs (SPD), dem Vorsitzenden des Haushaltsauschusses des Bundestags, erhalten. Der Abgeordnete überbrachte die frohe Kunde, dass alle Zeichen auf Grün stehen. Am heutigen Donnerstag plant das Finanzgremium, 330 Millionen Euro für den Zukunftsplan des Museums freizugeben.
Berlin steuert weitere 330 Millionen Euro aus seinem Topf für Sonderinvestitionen (Siwa) bei. Finanzielle Details will Berlins rot-rot-grüne Koalition noch klären. Neue Regeln wie Budgetpuffer und strengere Berichtspflichten der Bauherren sollen aber dazu führen, dass die Kosten dieses Mal im Rahmen bleiben.
Naturkundemuseum in neuem Zeitalter
„Wir können festhalten, dass wir nun mit dem Naturkundemuseum in ein neues Zeitalter eintreten“, sagt Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Mittwoch zu der Finanzspritze. Nicht nur als Museum, sondern auch als Forschungseinrichtung könne das Haus dann seine Vorhaben schneller als geplant voranbringen, so Müller.
Die Museumsleiter Vogel und Junker haben hohe Ansprüche. Vogel, seit 2012 Generaldirektor, arbeitete mit seinem Kollegen einen Plan aus und stellte sein Konzept immer wieder hinter verschlossenen Türen vor. In Johannes Kahrs und im Berliner Bundestagsabgeordneten Swen Schulz (beide SPD) hatte er zwei Fürsprecher gefunden. Die Politiker warben im Haushaltsausschuss des Bundestages für das Projekt. „Beim dritten Mal hat es nun geklappt. Jetzt kann ich mich wieder hierher trauen“, sagt Kahrs.
Dinausaurierskelette aus drei Zeitaltern
Für Berlin ist es innerhalb einer Woche die zweite angekündigte Großinvestition. Nach dem Siemens-Campus in Spandau nun das Naturkundemuseum in Mitte. Angesprochen auf das Vorhaben des Industriekonzerns scherzt Johannes Vogel: „Wir sind ja auch wie eine Stadt.“ Rund 50.000 Quadratmeter ist das Grundstück groß, auf dem sich Architekten, Planer und Bauarbeiter in den kommenden Jahren betätigen werden.
Die Pläne stehen bislang nur grob: Die größte Summe dürfte mit rund 300 Millionen Euro die Sanierung des dreiflügeligen Hauptgebäudes aus dem Jahr 1889 verschlingen. Nebengebäude sollen für rund 150 Millionen Euro um- oder neu gebaut werden. Danach wird sich die Ausstellungsfläche verfünffacht haben, von derzeit 5000 auf 25.000 Quadratmeter. In einigen Jahren sollen in den Hallen dann auch weltweit einmalige Ausstellungsstücke zu sehen sein.
„Wir planen, aus drei Zeitaltern Dinosaurierskelette zu zeigen. Das gibt es in keinem anderen Naturkundemuseum“, sagt Vogel. 632.454 Besucher kamen im vergangenen Jahr. Nach den Bauarbeiten will das Haus auch als Touristenattraktion noch einmal einen Sprung und die Sammlung zu der meistbesuchten Europas machen.
Museum will seine Sammlung digitalisieren
Auch auf der Forschungsseite will die Einrichtung zulegen. Dafür sollen zunächst die rund 30 Millionen Objekte aus den Magazinen und Ausstellungsräumen digitalisiert werden. Das kostet weitere 100 Millionen Euro. Wissenschaftler können dann auf der ganzen Welt etwa mit digitalen Insekten arbeiten. Johannes Vogel kündigt zudem an, mit seinem Museum dauerhaft eine Führungsrolle bei der Erforschung und Bewältigung der großen Umweltthemen einnehmen zu wollen.
Die Berliner Ambitionen hätten wohl auch dem früheren Besitzer des Großen Vasapapageis gefallen. Jakob saß zeitweise nämlich auf ziemlich berühmten Schultern: Der Vogel war das Haustier Alexander von Humboldts (1769–1859), der zu den bedeutendsten Naturforschern seiner Zeit zählte.
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