Berlin. Am Mittwoch dieser Woche wird um 18 Uhr die vorerst letzte Bischofsmesse in Berlins wichtigster katholischer Kirche, der St.-Hedwigs-Kathedrale gefeiert. Eine Stunde zuvor ruft die Initiative „Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale“ zur Protestdemonstration gegen die „Denkmalzerstörung“ auf dem Bebelplatz vor der Kathedrale auf.
Im September soll der Sakralbau für die große Neugestaltung dann leer geräumt, die Öffnung zur Unterkirche provisorisch geschlossen werden. Für Künstler und ihre Nachfahren, die dieses Werk nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen haben, ist die Messe jedoch noch nicht gesungen. Sie wollen alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um gegen den Umbau im Innern vorzugehen. Sie wollen den Bescheid des Bezirks beim Verwaltungsgericht anfechten und außerdem ihr Urherberrecht zivilprozesslich gegen den Bauherrn, also beim Erzbistum, einklagen.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz wird sie dabei unterstützen. Auch finanziell. „Die St. Hedwigs-Kathedrale mit dem unter der Leitung von Hans Schwippert geschaffenen Innenraum ist ein einzigartiges Gesamtwerk, sowohl als Gemeinschaftsleistung ost- und westdeutscher Künstler in der Zeit des Wiederaufbaus in Deutschland, als auch in liturgie- und kunsthistorischer Hinsicht“, sagte Hans-Christian Feldmann von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz auf Anfrage der Berliner Morgenpost.
Innenraum der Kathedrale in Originalsubstanz erhalten
Die Stiftung setze sich sich im Rahmen der geltenden Gesetze für den Erhalt des originalen Denkmals ein. Der Innenraum der Kathedrale sei in seiner Originalsubstanz vollständig erhalten. „Die Stiftung reagiert daher mit Unverständnis auf die Absicht des Erzbistums Berlin, dieses eminente Denkmal fast vollständig zu zerstören, und unterstützt deshalb die gerichtliche Überprüfung dieses Vorhabens“, sicherte Feldmann zu.
Zehn Widersprüche hatte das Bezirksamt Mitte gegen die denkmalrechtlichen Genehmigung erhalten, mit der die Behörde den Um- und Neubau der St. Hedwigs-Kathedrale und des Bernhard-Lichtenberg-Hauses weitgehend erlaubt hat. Hauptsächlich fordern Künstler ihr Urheberrecht ein. Sogar das Erzbistum selbst, also der Antragsteller, hatte Widerspruch eingelegt. „Aber nur aus formalen Gründen“, sagte Stefan Förner, Sprecher des Erzbischöflichen Ordinariats.
Wie Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) auf Anfrage sagte, wurden neun Widersprüche zurückgewiesen. „Eine Zurückweisung ging auch an das Erzbistum Berlin, eine weitere an die Freunde der St.Hedwigs-Kathedrale, ein Widerspruch ist noch offen. Alle Zurückweisungen erfolgten, weil die Widerspruchsführer formal nicht widerspruchsberechtigt waren“, so von Dassel. Einen Bauantrag gebe es noch nicht, er werde im Frühjahr 2019 erwartet.
Komplette Neugestaltung des Kuppelbaus
Wie berichtet, soll der eindrucksvolle Kuppelbau der Kathedrale am Bebelplatz im Innern komplett neu gestaltet werden. Die Bodenöffnung störe die Liturgie, also das gemeinschaftliche Feiern des Gottesdienstes, außerdem könne mit einem Umbau der Bedeutung der Kathedrale als Bischofskirche der Hauptstadt besser entsprochen werden, sagen die Befürworter.
Mit dem Totalumbau werde ein als Denkmal geschütztes Gesamtkunstwerk zerstört, sagen hingegen die Kritiker. Das Erzbistum kalkuliert für die Pläne mit 60 Millionen Euro Kosten, inklusive des Teilneubaus des Bernhard-Lichtenberg-Hauses. Ein Drittel wollen Bund und Land beisteuern.
Nicht nur bei Kirchenmitgliedern, auch in der Politik eine höchst umstrittene Entscheidung: „Die Kirchenleitung wäre im Vorfeld gut beraten gewesen, auf die Umbaugegner nicht zuletzt in der eigenen Gemeinde zuzugehen und den Ausgleich zu suchen“, sagte Daniel Wesener, Sprecher für Kultur und Haushalt der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Das Erzbistum habe zwar das Recht, gegen den denkmalrechtlichen Bescheid selbst Widerspruch einzulegen. „Aber dass die Kirchenleitung erst die öffentlichen Zuschüsse für ihr Bauvorhaben einstreicht und sich dann mit Händen und Füßen gegen die wenigen verbliebenen Auflagen, die der Denkmalschutz im öffentlichen Interesse macht, wehrt, passt für mich nicht zusammen“, kritisierte Wesener.
Das Kreuz auf der Kuppel ist nach Auskunft des Bistumssprechers Stefan Förner „noch in der Abstimmung“. Immerhin ist inzwischen klar, dass es wieder ein Kreuz auf der Kuppel geben soll. Die Architekten wollten es vor den Giebel versetzen, damit die Öffnung im Zentrum der Kuppel den Himmel freigibt. Der Erzbischof scheint sich in dieser Frage durchgesetzt zu haben. Er wollte, dass es auf der Kuppel bleibt. Das Wie ist aber noch in der Diskussion.
Einstweilige Verfügung der Kritiker
Offen ist wohl auch noch, ob das jetzige Kreuz das Dach schmücken wird oder ein neues. Wenn im September die Sanierung des Daches beginnt und die Kirche geschlossen wird (Ersatz ist St. Joseph an der Müllerstraße 161 in Wedding), soll das drei Meter hohe Kreuz auf der großen Kuppel, das dort 1958 aufgesetzt wurde, eingelagert werden, ebenso wie die Ausstattungsgegenstände aus dem Innern. Das ist der Plan, den die Kritiker als erstes versuchen wollen, mit einer einstweiligen Verfügung zu durchkreuzen.
Für den 89 Jahre alten Aachener Goldschmied Hubertus Förster, der zusammen mit einem Kollegen den Tabernakel und das Altarkreuz gefertigt hat, ist der Umbau ein Frevel. Auch er hatte Widerspruch gegen den denkmalrechtlichen Bescheid eingelegt. An keiner Stelle werde begründet, warum die gottesdienstlichen Belange schwerer wögen als das öffentliche Interesse am Erhalt des Denkmals.
„Wie kann sich ein denkender Mensch an dieser Kathedrale vergreifen? Das Wort Gesamtkunstwerk wird oft hochtrabend benutzt, aber die St. Hedwigs-Kathedrale ist wirklich eines. Es war eine wunderbare Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer Architekten Hans Schwippert, und so etwas Tolles als Ergebnis habe ich selten erlebt“, sagte Förster dieser Zeitung. Er frage sich auch, wo die christliche Bescheidenheit bei diesem Projekt bleibe. Er hofft jetzt auf die Gerichte.
Das hofft auch die Initiative zur denkmalgerechten Sanierung der St. Hedwigs-Kathedrale. Nach Meinung des Initiators und ehemaligen Berliner CDU-Abgeordneten Alfred M. Molter offenbart die Erlaubnis des Bezirksamtes Mitte zum Umbau des Denkmals einen „unglaublichen Vorgang“. Das von Fritz Kühn geschaffene Kuppelkreuz solle mit folgender Begründung entfernt werden: „Die Liturgie wird empfindlich gestört, wenn sein Schatten auf den Altar fällt.“
Die Respektlosigkeit, mit der ein Gesamtkunstwerk von europäischem Rang bewusst zerstört werden solle, sei schon schwer genug zu ertragen. „Doch das hier schlägt dem Fass den Boden aus“, kritisiert Molter, der sich selbst als engagierten Katholiken versteht. Das sei „keine plausible liturgische Begründung“, sondern seiner Meinung nach „Gotteslästerung“. „Ganz offensichtlich will man der katholischen Berliner Bischofskirche ihr Alleinstellungsmerkmal nehmen und strebt den Umbau zum heidnischen römischen Pantheon an“, so Molter.
1100 Unterschriften
Die knapp 1100 von ihm gesammelten Unterschriften von Gläubigen, die sich mit ihm gemeinsam für eine denkmalgerechte Sanierung einsetzten, ignoriere das Erzbistum. Der für Denkmalschutz und die Kirchen zuständige Senator Klaus Lederer (Linke) habe sich einfach abgeduckt, empört sich der ehemalige Kulturpolitiker Molter. „Jetzt gehören auch die finanziellen Leistungen des Landes Berlin an die katholische Kirche auf den Prüfstand“, fordert er.
Der Verwaltungsrechtsexperte Ulrich Battis, ehemaliger Direktor des Institutes für Deutsches und Internationales Baurecht an der Humboldt-Universität, positioniert sich ebenfalls gegen den Umbau und führt folgende Argumente an: „Die Liturgie in der St. Hedwig-Kathedrale ist nicht eingeschränkt, weil die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils in den Jahren 1962 bis 1965 maßgeblich von den Berliner Kardinälen Bengsch und Döpfner geprägt wurde.
St. Hedwig ist ein frühes Beispiel für diese Liturgiereform. Und es geht in diesem Fall nicht nur um Urheberrechte, sondern auch um die Kunstfreiheit. Wenn die für die Innenausstattung wichtige Kunst entfernt wird, wird das Gesamtkunstwerk zerstört.“
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