Die Lage in der Rigaer Straße ist verfahren, die Positionen der Anwohner, Eigentümer und der Besetzer des Hauses mit der Nummer 94 sind verhärtet. Gerade deswegen fordert der SPD-Innenexperte Räume für einen geschützten Dialog.
Das Haus Rigaer Straße 94 ist seit Anfang 1990, also seit 27 Jahren besetzt. Welche Lösungsansätze gibt es, um diese Besetzung zu beenden? Warum sind bislang alle Gespräche gescheitert?
Tom Schreiber: Aus meiner Sicht gab es nie wirklich ein politisches Interesse, diesen offensichtlichen Konflikt auf Bezirksebene zu lösen. Die Landesebene hat sich in der Vergangenheit hier jedoch ebenso einen schlanken Fuß gemacht. Das Verantwortungs- und Zuständigkeitsdurcheinander half der linksextremistischen Szene und begünstigte Straftaten aus dem Milieu.
Im Juli gab es einen runden Tisch unter anderem mit Anwohnern, Vertretern der Eigentümer und Mitgliedern des Abgeordnetenhauses. An welchem Stand der Verhandlungen sind Sie jetzt im Oktober 2017?
In meinem Zehn-Punkte-Plan zur Rigaer Straße habe ich im Mai 2017 genau diesen Dialog gefordert. Dieser muss aber auch klare Grenzen und Regeln haben. Mit Straf- und Gewalttätern kann in dieser Runde nicht gesprochen werden. Ich war nicht an diesen Treffen beteiligt, insofern kann ich auch nichts zu möglichen Ergebnissen sagen.
Erklären Sie uns einige Ihrer Vorschläge zur Befriedung der Rigaer Straße und des Kiezes.
Unter dem Punkt „breite Kiezbefriedung“ schlage ich vor, einen „Dialog-Laden“ einzurichten. Also ein Ort, an dem die Anwohnerschaft zusammenkommt und im geschützten Raum offen über die Probleme beziehungsweise Anfeindungen geredet werden kann. Man könnte auch über eine mobile Wache vor Ort nachdenken, welche im Kiez unmittelbar und 24 Stunden am Tag ansprechbar ist.
Bitte erklären Sie das Stichwort „zupackende Repression“.
Eine zeitlich begrenzte mobile Wache könnte eine klare Dialogbereitschaft signalisieren. Der Raumschutz muss über die nächsten Wochen und Monate bestehen bleiben und kann ein sofortiges polizeiliches Einschreiten bei Brandanschlägen oder Sachbeschädigungen gewährleisten. Ein zuständiger Staatsanwalt für den Bereich wäre zudem eine Möglichkeit, um die Strafverfolgung intensiver als bisher voranzutreiben.
Gewerbetreibende der Straße trauen sich kaum, öffentlich Kritik gegen die Besetzer zu äußern, aus Angst vor Zerstörung.
Das ist ein Grundproblem. An diesem Ort, aber auch anderen Orten der Stadt, wird zum Teil geschwiegen. Menschen werden eingeschüchtert und haben Angst. Das können wir in unserer Demokratie nicht dulden und mit unserem Rechtsstaat nicht vereinbaren. Diese Atmosphäre der Angst muss aufgelöst werden, damit Vertrauen wieder neu entstehen kann.
Laut Verfassungsschutz ist die Rigaer 94 „zentrale Institution der gewaltbereiten autonomen Szene Berlins“. Etwa 30 bis 40 Personen seien zum „harten Kern militanter Linksextremisten zu rechnen“. Warum wird so ein „Rückzugsort“ in einer ansonsten friedlichen Wohnstraße geduldet?
Ich kann nur raten, dies rechtlich sauber abzuklopfen und gezielt gegen Straf- und Gewalttäter in dieser Straße und in diesem Objekt vorzugehen. Rechtswidrige Einsätze wie im letzten Sommer helfen nur den Extremisten bei der Legendenbildung. Deshalb gehört neben der Prävention, der Deeskalation auch die Repression dazu. Deshalb fordere ich dort auch einen örtlichen Staatsanwalt.
Wie sollte langfristig mit dem Haus Rigaer 94 umgegangen werden?
In allererster Linie muss der Eigentümer der Rigaer Straße 94 klar sagen, was er mit dem Objekt vorhat. Ohne die Einbindung des Eigentümers und der Hausverwaltung wird es keine Lösung geben. Grundsätzlich gilt die Frage: Sollen die bestehenden Mietverträge aufgelöst oder fortgeschrieben werden? Die Mieter wollen eine Rechtssicherheit. Langfristig kann man darüber diskutieren, ob das Land Berlin das Objekt kauft, sofern ein Verkaufsinteresse besteht, oder die Mieter kaufen das Objekt.
Steinhagel, Autobrände, Linksextremismus: Die Rigaer Straße