Berlin. Arbeitstage mit zehn Stunden und mehr waren für Bernd Wardacki als Filialleiter im Einzelhandel keine Seltenheit. 25 Jahre machte er diesen Job, dann war plötzlich Schluss. Zwangsweise, wie der 64-Jährige sagt. Aus betrieblichen Gründen ist er überraschend in Rente geschickt worden. Dass der Stress vorbei war – darüber war er nicht traurig. Doch was tun mit der freien Zeit?
Auf der Suche nach einer Idee sei er im Internet auf das Freiwilligenzentrum Sternenfischer in Treptow-Köpenick gestoßen, erzählt Wardacki. Er machte einen Termin, ließ sich beraten und ist seitdem beschäftigt: Im Haus am See der Awo in Friedrichshagen baute er einen Bücherbasar auf, der eher einer gut sortierten Bibliothek gleicht.
Es war das perfekte Match. Literatur, Klassiker, Krimis, Bestseller – das ist Wardackis Welt. Die Awo-Freizeitstätte brauchte hingegen dringend Hilfe bei den 2000 Büchern, die sich ungeordnet stapelten. Dass beide Seiten zusammengefunden haben, ist den Sternenfischern zu verdanken. Aufgabe des Freiwilligenzentrums ist es, „für Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, das Passende zu finden“, sagt Leiterin Ute Clausner.
In Treptow-Köpenick war das erste bezirkliche Freiwilligenzentrum Berlins
Als das Büro am 8. März 2008 gegründet wurde, war es das erste bezirkliche Freiwilligenzentrum in Berlin. Mittlerweile haben alle Bezirke nachgezogen. Das 15-jährige Bestehen soll am 12. September auf der Insel der Jugend mit Freiwilligen, dem Bezirk sowie Vereinen und Einrichtungen gefeiert werden. 440 Organisationen aus Treptow-Köpenick sind in der Datenbank, die mithilfe der Sternenfischer Freiwillige für ihre Projekte suchen. Sie haben derzeit 380 Angebote aus allen Bereichen – vom Lesepaten bis zum Besuchsdienst – für potenzielle Ehrenamtler, von Jung bis Alt.
Eine, die über die Sternenfischer freiwillige Mitstreiter sucht, ist Diana Franz. Die 43-Jährige hat die Gruppe Clean up Trepnick gegründet, mit der sie regelmäßig Müllsammelaktionen in Treptow-Köpenick organisiert (www.cleanuptrepnick.de). Die kaufmännische Angestellte hat lange Zeit in Asien gelebt und festgestellt, wie dreckig es ist. Schon dort fing sie an, den ersten Müll aufzuheben.
In Berlin zurück, fand sie es auch hier zunehmend schmutzig und begann zunächst allein, Kippen und Kaffeebecher zu entsorgen. „Dafür braucht man keine große Ausrüstung, man muss sich nur bücken können und kann es zu jeder Tag- und Nachtzeit tun“, begründet die Adlershoferin ihr Engagement für die Umwelt. Über die Nachbarschaftsinitiative nebenan.de wurde die Gruppe größer und hat heute in sieben von 15 Ortsteilen von Treptow-Köpenick einen verantwortlichen Kiezpartner. Gemeinsam wird mindestens einmal im Monate Müll gesammelt. „In den vergangenen Wochen waren wir aber fast jedes Wochenende unterwegs“, erzählt sie.
Müll sammeln in Parks und auf Grünflächen
Oft gehen sie Hinweisen von Anwohnern nach, Parks und Grünflächen sind regelmäßig ihr Revier. Unterstützt werden sie vom Bezirk, der Fördermittel aus dem Fonds „Sauberes Berlin“ zur Verfügung stellt, und der BSR, die den Müll abholt. Natürlich beteiligt sich die Gruppe auch am World Cleanup Day am 16. September, an dem weltweit aufgeräumt wird.
Was Diana Franz an den Müllaktionen neben dem Umweltschutz schätzt, ist der Austausch der Menschen untereinander und auch, gemeinsam etwas Sinnhaftes zu tun und aus der Einsamkeit herauszukommen. Das hat auch Bernd Wardacki festgestellt, der jetzt auf einen Bestand von 4000 Büchern verweisen kann. „Viele kommen regelmäßig und fühlen sich nicht nur gut beraten, sie wollen auch einfach reden“, sagt der ehrenamtliche Bibliothekar. Jeden Mittwoch und Donnerstag ist er vier Stunden im Haus am See anzutreffen. Früher war es eine Seniorenfreizeitstätte, heute gibt es auch für Kinder Angebote.
Die Jugend einbinden, in Schulen gehen, aufklären über die Umwelt, das ist auch das Ziel von Diana Franz. Sternenfischer-Leiterin Ute Clausner kümmert sich ebenfalls um den Bereich Junges Engagement. Doch im Moment hat sie vor allem die Babyboomer im Blick, die in Rente gehen. „Die wollen sich oft engagieren, wir müssen nur das Richtige für sie finden“, sagt sie. Vielleicht gibt es wieder ein Match auf der nächsten Veranstaltung Aktiv in Treptow-Köpenick, die am 17. Oktober im Rathaus Treptow stattfindet.
Freiwilligenzentrum Sternenfischer
Das Freiwilligenzentrum Sternenfischer berät und informiert Menschen, die sich freiwillig engagieren möchten. Es ist ein Projekt der Stiftung Unionhilfswerk und wird vom Sozialamt Treptow-Köpenick gefördert.
Kontakt: Freiwilligenzentrum Treptow-Köpenick, Oberspreestraße 182, 12557 Berlin,
Tel. 030 24 35 85 75.