Silvester 2022

Silvester-Randale: Giffey kündigt Konsequenzen an

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Feuerwehrleute im Einsatz: In der Knobelsdorffstraße in Charlottenburg brannten in der Silvesternacht mehrere Autos.

Feuerwehrleute im Einsatz: In der Knobelsdorffstraße in Charlottenburg brannten in der Silvesternacht mehrere Autos.

Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Michael Kuenne

Silvester in Berlin: Feuerwehrleute und Polizisten werden mit Pyrotechnik und Eisenstangen angegriffen, Retter verletzt. Die Bilanz.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat sich erschüttert über die Angriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht gezeigt. "Es schadet unserer Stadt, es schafft Angst und Schrecken und hat mit dem feierlichen Begrüßen des neuen Jahres nichts zu tun", erklärte sie via Twitter. Sie kündigte Konsequenzen an. "Wir werden erneut im Senat über die Ausweitung von Böllerverbotszonen sprechen müssen", so Giffey. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) pflichtete ihr bei. „Ich hoffe auf eine erfolgreiche und konsequente Strafverfolgung“, betonte Spranger. „Auch rechtliche Neuerungen sollten wir uns anschauen und diskutieren.“

Polizei und Feuerwehr hatten insgesamt 33 verletzte Einsatzkräfte gemeldet. Selbst erfahrene Einsatzkräfte seien über die Aggressivität und Gewaltbereitschaft durch zum Teil vermummte Gruppen geschockt gewesen, meldete die Berliner Feuerwehr am Neujahrsmorgen. Angriffe mit Pyrotechnik und Eisenstangen, mutwillige Brandstiftungen, verletzte Einsatzkräfte - das waren nur einige Vorkommnisse, denen sich die Retter in der Silvesternacht 2022 ausgesetzt sahen. Ohne Schützenhilfe der Polizei konnten die Feuerwehrleute in vielen Fällen ihrem Auftrag gar nicht nachgehen.

„Mit dieser Aggressivität haben wir nicht gerechnet“, sagte Feuerwehrsprecher Thomas Kirstein der Berliner Morgenpost. „In 14 Fällen wurden Löschfahrzeuge in Hinterhalte gelockt.“ In einigen Fällen hätten die Feuerwehrleute nur noch flüchten können. „Die Brutalität, mit der unsere Kolleginnen und Kollegen angegriffen wurden, hat eine nie dagewesene Form angenommen.“

Zum Jahreswechsel fuhr die Berliner Feuerwehr mehr als 1700 Einsätze, fast 700 mehr als vor einem Jahr während der Corona-Beschränkungen. Von Knallern und Raketen wurden 22 Menschen verletzt. In 38 Fällen seien Einsatzkräfte angegriffen und 15 von ihnen verletzt worden. Einer der verletzten Retter musste sogar ins Krankenhaus. „Dieses Verhalten ist durch nichts zu rechtfertigen und ich kann es nur auf das Schärfste verurteilen“, sagte Landesbranddirektor Karsten Homrighausen.

Silvester 2022: Gewerkschaft der Polizei Berlin fordert weitgehendes Böllerverbot

In Lichtenrade beispielsweise griffen Vermummte die Einsatzkräfte an einer brennenden Barrikade mit Latten und Pfefferspray an. An der Hermannstraße in Neukölln wurde ein Löschfahrzeug durch den Beschuss von Pyrotechnik stark beschädigt und konnte in dieser Nacht nicht mehr eingesetzt werden. Bei anderen Einsätzen wurden Feuerwehrleute mit Schreckschusspistolen bedroht und beschossen.

Ein Feuerwehrmann berichtet von einem Einsatz an der Silbersteinstraße. „Ein Rettungssanitäter saß in dem Fahrzeug, als plötzlich vier Vermummte an die geschlossene Seitenscheibe des Wagens traten, ihre Waffen direkt an die Scheibe hielten und mehrere Schüsse abfeuerten. Glücklicherweise zerbrach die Scheibe nicht.“

Vermummte versuchten, Löschfahrzeug auszuplündern

Andere Kräfte wurden mit Bierkisten und Feuerlöschern beworfen. Auf der Hermannstraße musste ein Löschfahrzeug langsamer fahren, als aus dem Nichts plötzlich 20 vermummte und bewaffnete Männer den Wagen beschossen und versucht haben, die Rollläden zu öffnen, um das Fahrzeug auszuplündern, so der Feuerwehrmann. Der Fahrer gab Gas und konnte Schlimmeres verhindern.

„Von den 38 Übergriffen fand etwas mehr als die Hälfte in Gropiusstadt und in Neukölln statt.“ An der Sonnenallee in Neukölln musste die Feuerwehr einen Reisebus löschen. Unbekannte hatten das Fahrzeug in Brand gesetzt.

Gewerkschaft der Polizei fordert weitgehendes Böllerverbot

Als Reaktion auf die Angriffe mit Böllern und Raketen auf Polizisten und Feuerwehrleute fordert die Gewerkschaft der Polizei Berlin ein weitgehendes Böllerverbot. „Wir haben deutschlandweit gesehen, dass Pyrotechnik ganz gezielt als Waffe gegen Menschen eingesetzt wird“, kritisierte GdP-Landeschef Stephan Weh am Neujahrsmorgen. Das müsse ein Ende haben. Lesen Sie auch: Silvester in Berlin: Die Ereignisse der Nacht im Protokoll

"Der Staat darf nicht länger zuschauen, wie Chaoten immer wieder Polizisten und Feuerwehrleute angreifen. Das sind keine Kavaliersdelikte, das sind Verbrechen. Diese Vorfälle müssen konsequent verfolgt und bestraft werden", erklärte der Landes- und Fraktionsvorsitzende der CDU Berlin, Kai Wegner.

Silvester in Berlin - die Bilder der Nacht

Die Feuerwehr hatte wie üblich den „Ausnahmezustand Silvester“ ausgerufen. Insgesamt waren 1471 Kräfte im Dienst. Sie wurden den Angaben zufolge zwischen 19.00 Uhr am Silvesterabend und 06.00 Uhr am Neujahrsmorgen 1717 Mal gerufen - unter anderem zu 749 Bränden und zu 825 anderen Rettungsdiensteinsätzen.

Zum Vergleich: In der Silvesternacht vor einem Jahr, für die offiziell kein Feuerwerk verkauft werden durfte, waren es in der gleichen Zeit insgesamt 1026 Einsätze. Üblich sind 1400 Einsätze binnen 24 Stunden.

Kellerbrände erwiesen sich als größere Einsätze

Zwei Menschen verletzten sich lebensgefährlich, als sie in einem neungeschossigen Wohngebäude an der Mollstraße in Mitte durch ein Deckenlicht stürzten. Zu den größten Einsätzen gehörten laut Feuerwehr zwei Notrufe, die zunächst als Kellerbrände registriert wurden. An der Urbanstraße in Kreuzberg fanden die Feuerwehrleute das Treppenhaus eines fünfstöckigen Wohnhauses und mehrere Wohnungen jedoch massiv verraucht. Drei Verletzte mussten ins Krankenhaus.

Ähnlich die Lage in einem siebenstöckigen Wohnhaus an der Groß-Ziethener-Straße in Lichtenrade: Zunächst brannten zwei Kellerverschläge, dann stand dichter Rauch im Gebäude. Dort wurden sieben Menschen medizinisch betreut und zwei von ihnen in eine Klinik gebracht. Am Bernshausener Ring in Wittenau brach in einer Wohnung im fünften von sieben Geschossen ein Brand aus, dort kamen drei Verletzte ins Krankenhaus.

UKB meldet 45 Böller- und Feuerwerksverletzungen, darunter auch Kinder betroffen

An der Landsberger Allee in Alt-Hohenschönhausen brannten bei einem 20-geschossigen Hochhaus mehrere Balkone. Zwei Personen mussten ins Krankenhaus. Unverletzt blieben dagegen 30 Bewohner, die wegen eines Dachbrands am Neujahrsmorgen aus einem Haus am Germersheimer Weg am Falkenhagener Feld gerettet wurden. I

Das Unfallkrankenhaus Berlin meldete am Sonntagnachmittag insgesamt 45 Böller- und Feuerwerksverletzungen. Darunter seien auch mehrere Kinder mit teil schweren Handverletzungen. Bei zwei Patienten habe ein Aug entfernt werden müssen. Die Ärzte der Klinik rechnen noch mit weiteren Spreng- und Brand-Verletzten.

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Polizei Berlin: Schützenhilfe für die Feuerwehr - 18 Kräfte verletzt

Auch die Polizei hatte in der Silvesternacht sehr viel zu tun. Auf Twitter vermeldete die Polizei Berlin im Minutentakt Einsätze wegen Schlägereien, Schüssen aus Schreckschusspistolen, Böller- und Raketenwürfen auf Passanten, Gebäude und Beamte. Überall in der Hauptstadt wurde schon tagsüber geböllert - auch wenn dies offiziell erst ab 18 Uhr am Silvesterabend erlaubt war. Rund 1300 zusätzliche Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz.

Die Böllerverbotszonen hätten Wirkung gezeigt, so die Polizei Berlin in ihrer Neujahrsbilanz. Am Alexanderplatz, im Steinmetzkiez in Schöneberg sowie in den Straßenzügen im Umfeld der Justizvollzugsanstalt Moabit seien die Regeln eingehalten und keine besonderen Vorkommnisse festgestellt worden

Andererseits seien massive Angriffe auf Einsatz- und Rettungskräfte im gesamten Stadtgebiet zu verzeichnen gewesen, die in ihrer Intensität mit den Vorjahren nicht zu vergleichen seien. Nach den bisherigen Erkenntnissen seien 18 Polizeikräfte verletzt worden, davon ein Beamter schwer. Die Polizistinnen und Polizisten nahmen 103 Personen, darunter 98 Männer und fünf Frauen, fest und leiteten zahlreiche Ermittlungsverfahren ein.

Einsätze der Polizei Berlin in der Silvesternacht - Auswahl

  • Neukölln: Kurz nach 20 Uhr warfen Unbekannte in der Peter-Anders-Straße Steine auf ein Einsatzfahrzeug der Polizei. Es gab keine Verletzten.
  • Gesundbrunnen: Gegen 20.30 Uhr schossen Jugendliche am Bahnhof Gesundbrunnen mit Pyrotechnik und Schreckschusswaffen um sich. Alarmierte Einsatzkräfte konnten die Lage beruhigen.
  • Mitte: Rund zwei Stunden später trugen etwa 30 Personen Baustellenabsperrungen auf die Fahrbahn der Brunnenstraße, welche von Polizistinnen und Polizisten wieder entfernt wurden.
  • Charlottenburg: Etwa eine Viertelstunde nach Mitternacht wurde in der Suarezstraße ein sprengstoffartiger Gegenstand gezündet. Durch die Explosionswirkung wurden die Scheiben zweier geparkter Fahrzeuge sowie umliegender Geschäfte und Wohnungen zerstört.
  • Neukölln: Ungefähr zur gleichen Zeit stand in der Sonnenallee Ecke Michael-Bohnen-Ring ein Reisebus in Flammen. Einsatzkräfte der Feuerwehr löschten den Brand, der zuvor zeitweise drohte, auf ein Gebäude überzugreifen. Nach Zeugenaussagen schlugen Unbekannte die Fensterscheiben des Fahrzeugs ein und setzten den Innenraum mit Pyrotechnik in Brand. Der Bus brannte vollständig aus.
  • Gropiusstadt: Gegen 0.20 Uhr wurden mehrere Streifenbesatzungen in der Wutzkyallee massiv mit Pyrotechnik beschossen. Dabei erlitt ein Beamter schwere Verbrennungen am Hals und kam zur medizinischen Behandlung in eine Klinik, wo er stationär aufgenommen wurde.
  • Plänterwald: Eine Familie war gegen 0.30 Uhr in der Kiefholzstraße iunterwegs, als aus einer größeren Personengruppe ein gezündeter Böller auf sie geworfen wurde. Während der 34-Jährige und seine ein Jahr jüngere Frau unverletzt blieben, erlitt das dreijährige Kind Verletzungen am Bein sowie am Ohr.
  • Charlottenburg: Ebenfalls gegen 0.30 Uhr brannte in der Knobelsdorffstraße ein geparktes Auto. Aufgrund des starkes Windes griffen die Flammen auf weitere Wagen über, so dass schließlich sechs Fahrzeuge, ein Krad und vier Fahrräder zum Teil erheblich beschädigt wurden. Einsatzkräfte der Feuerwehr löschten den Brand.
  • Kreuzberg: Etwa 200 Vermummte griffen gegen 0.45 Uhr Einsatzkräfte der Feuerwehr an, als diese am Kottbusser Damm Ecke Sanderstraße brennende Mülltonnen, die dort die Fahrbahn blockierten, löschen wollten. Erst mit dem Eintreffen der Polizei konnte die Lage beruhigt und mit den Löschmaßnahmen begonnen werden.
  • Gropiusstadt: Ebenfalls gegen 0.45 Uhr setzten Unbekannte auf dem Freigelände einer Wohnanlage in der Lipschitzallee mehrere Müllcontainer in Brand. Als die Einsatzkräfte eintrafen, wurden sie aus einer Gruppe von 40 bis 50 Personen mit Pyrotechnik angegriffen, wobei auch ein Polizist verletzt wurde.
  • Lichtenrade: Gegen 1.40 Uhr wurde ein Funkwagen in der Nahariyastraße mit einem geworfenen E-Roller attackiert und anschließend mit Pyrotechnik und Flaschen beworfen. Verletzt wurde dabei niemand, das Fahrzeug hingegen erheblich beschädigt. Einsatzkräfte der Feuerwehr wurden massiv angegriffen, wobei auch Eisenstangen benutzt wurden. Mit Eintreffen von Verstärkung konnte die Situation beruhigt werden.

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( mit dpa )