Berlin. Um bei ihren Verkehrsblockaden besonders fest auf dem Asphalt zu kleben, mischen Aktivisten der „Letzten Generation“ jetzt Sand in den Klebstoff. Was dazu führt, dass die Polizei ihre Hände aus dem Asphalt meißeln muss. Dadurch entstehen Löcher in den Fahrbahnen – und steinerne Rückstände an den Händen der „Klimakleber“.
An mehreren großen Kreuzungen in Prenzlauer Berg bot sich am Dienstag dadurch das gleiche Bild: Mitarbeiter des Bezirksamts Pankow ließen die beschädigte Straße mit Kaltasphalt provisorisch reparieren. Und die losgemeißelten Aktivisten am Straßenrand machten sich daran, die Straßenstücke selbst von ihren Händen zu lösen. Konstanze aus Dresden, die mit zwei anderen „Klimaklebern“ den Verkehr an der Kreuzung Greifswalder Straße und Danziger Straße blockiert hatte, räumte ein, dass sie sich bei erfahreneren Kräften der „Letzten Generation“ erst einmal informieren muss, wie das funktioniere. Dass sie beim Entfernen des Asphalts vielleicht Verletzungen erleidet, nimmt sie für ihre Sache in Kauf. „Wenn wir die Klimakrise nicht lösen, ist so etwas unser kleinstes Problem“, erklärte sie mit dem Straßenstück in der Hand.
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Das Bezirksamt Pankow hat unterdessen beziffert, was die Reparatur eines Lochs in der Straße kostet – laut der zuständigen Stadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) muss man mit mindestens 400 Euro pro Schaden rechnen. Geld, das ihre Abteilung bei den Aktivisten wieder eintreiben soll. „Die Kosten werden vorerst vom Bezirksamt getragen, jedoch wird selbstverständlich geprüft, inwieweit angerichtete Schäden von den ,Klebechaoten’ der Letzten Generation ersetzt werden müssen“, erklärt Anders-Granitzki auf Morgenpost-Anfrage.
Letzte Generation: Neue Sand-Fixierung der Aktivisten hat teure Folgen
Wie schnell das Eintreiben der Kosten funktioniert, muss sich zeigen. In jedem Fall bedeutet das Herausmeißeln von Händen und das Füllen von Löchern im Asphalt eine neue Eskalationsstufe der Blockaden in Berlin, die täglich zu langen Staus auf Einfallstraßen und Autobahnen führen. Zuvor hatten die Aktivisten sich „nur“ mit Sekundenkleber an die Fahrbahn geklebt. Diese Fixierungen hatte die Polizei recht schnell mit Speiseöl lösen können. Doch auch das neue Verfahren mit extrastarker Sand-Haftung der Hände auf dem Boden lösen die Beamten routiniert, wie sich am Dienstag auf gleich drei blockierten Kreuzungen in Prenzlauer Berg zeigte.
An der Ecke Prenzlauer Allee und Danziger Straße war eine Blockade der „Letzten Generation“ mit Hilfe von Meißelwerkzeugen fast so schnell gelöst, wie beim „herkömmlichen“ Befreien der angeklebten Hände mit Speiseöl. Dennoch setzen Tim, Dennis und Clara weiter auf die verschärfte Form der Straßenhaftung. „Wir tragen Kleber auf, schütten Sand drauf und warten, dass es aushärtet“, beschrieb Tim das Vorgehen. Dank dem behutsamen Vorgehen der Polizei beim Herausmeißeln aus der Straße gelang die Befreiung am Dienstag verletzungsfrei. „Das ist alles ganz in Ordnung“, meinte Tim, der nun am gleichen Asphaltstück klebte wie Dennis. „Wenn man sagt, dass man Schmerzen hat, wird an einer anderen Stelle weitergemeißelt.“
Und wie wird man das Stück Straße von der Hand wieder los? „Mit Hammer, Meißel, Öl und viel Geduld“, sagte Dennis. „Wir nehmen uns dafür den Rest des Tages frei.“ Bei den Blockierern der Prenzlauer Allee handelt es sich um eine Gruppe aus Schleswig-Holstein, die ihre Klebeaktionen so lange wiederholen will, bis die Politik Forderungen der „Letzten Generation“ zur Gründung eines Bürgerrats erfüllt. Auch wenn es bedeutet, dass noch viele Asphaltstücke an den Händen haften werden.
Straßenschäden, die Bezirke sofort mit Kaltasphalt flicken müssen, sind für die Aktivisten Nebensache. „Wir verlieren wesentlich mehr durch den Kurs unserer Bundesregierung, wenn wir nicht darauf aufmerksam machen, was bei der Klimapolitik schief läuft“, betonte Dennis. „Da ist ein verlorener Tag wegen Asphalt an der Hand das geringste Übel.“ Wie oft die Schleswig-Holsteiner schon auf Berliner Straßen klebten, sei „nicht mehr zu zählen“. Den Verkehrsknoten in Prenzlauer Berg habe man ausgewählt, „weil es hier möglich ist, den Verkehr möglichst effektiv zu stören und so auf die Klimakrise hinzuweisen“, erklärte Clara.
Berliner Bezirke schätzen Reparaturkosten pro Straßenloch auf 400 bis 2500 Euro
Dass die Höhe der Sachschäden an den durchlöcherten Straßen variieren kann, zeigt ein Beispiel aus Charlottenburg-Wilmersdorf. Hier fiel kürzlich bei einem Vorfall am Ernst-Reuter-Platz ein Schaden von etwa 2500 Euro an, also deutlich mehr als die geschätzten 400 Euro pro Loch in Pankow. Hier ging es um einen Ausschnitt von 0,15 Quadratmetern und 15 bis 20 Zentimetern Tiefe. „Dieser Schaden ist zunächst provisorisch behoben worden. Eine fachgerechte Wiederherstellung steht noch aus“, heißt es aus dem City-West-Bezirk.
Wie hoch die Gesamtschäden an Berliner Straßen bislang ausfielen, konnte die Senatsverwaltung für Mobilität am Dienstag auf Anfrage noch nicht beantworten. Beim sofortigen Ausbessern der Asphaltlöchern sind ohnehin zunächst die Bezirke gefragt. Am Beispiel Pankow zeigt sich, dass die Straßenämter selbst versuchen wollen, die Kosten wieder einzutreiben.
Die Aktivisten der „Letzten Generation“ haben seit Wochen ihre Proteste in Berlin massiv ausgeweitet, um die Bundesregierung zu mehr Tempo im Kampf gegen die globale Erwärmung anzutreiben. Gerade im Berufsverkehr werden praktisch täglich die Stadtautobahn und zentrale Kreuzungen blockiert.