Berlin. In Berlin hat am Sonntagmorgen ein Volksentscheid für ehrgeizigere Klimaziele begonnen. Doch in welchen Bereichen in der Hauptstadt entstehen eigentlich die meisten CO2-Emissionen? Die Berliner Morgenpost hat sich die Daten des Amtes für Statistik Berlin Brandenburg von 2020 angesehen.
- Demnach verursacht jeder Einwohner der Stadt rein rechnerisch pro Jahr 3,6 Tonnen Kohlendioxid.
- Von den knapp 14 Millionen Tonnen CO2, die in der Stadt verursacht werden, stammen 40 Prozent aus Kraftwerken, die Strom und Wärme erzeugen, überwiegend aus Gas und Steinkohle.
- Für 30 Prozent sind die Verbrennermotoren im Verkehrssektor verantwortlich.
- Jeweils etwas mehr als 13 Prozent steuern Gewerbe, Handel und Dienstleistungen sowie die privaten Haushalte mit ihrem Energieverbrauch bei.
- Die Industrie ist in Berlin mit 1,8 Prozent ein im Vergleich zu anderen Bundesländern kleiner Faktor.
Volksentscheid in Berlin: Das bedeutet Klimaneutralität
Das Bündnis „Klimaneustart“ will erreichen, dass Berlin sich verpflichtet, bis 2030 und nicht wie bislang vorgesehen bis 2045 klimaneutral zu werden. Dafür soll das Energiewendegesetz des Landes geändert werden.
Klimaneutralität bedeutet, dass keine Treibhausgase emittiert werden, die über jene hinausgehen, die zum Beispiel durch die Natur aufgenommen werden. Die Antwort auf die Frage, wie genau das bis 2030 in Berlin erreicht werden soll, überlässt die Initiative bewusst der Politik.
Die wichtigsten Stellschrauben sind bekannt:
- energetische Sanierung von Gebäuden
- fossilfreie Energie- und Wärmeerzeugung
- Ausbau des ÖPNV
- emissionsfreie Autos vor allem mit E-Antrieb.
Nötig wären dafür allein in Berlin Investitionen in zwei- oder dreistelliger Milliardenhöhe - unabhängig vom Jahresziel der Klimaneutralität.
Zum Vergleich: Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Die EU will bis 2050 so weit sein. Entsprechend viel Skepsis herrscht bei der Frage vor, ob Berlin das bereits bis 2030 schaffen kann. Die Initiatoren des Volksentscheids und ihre Unterstützer bei Umweltorganisationen, dem Mieterverein, Initiativen und in der Kulturszene, aber zuletzt auch bei Grünen und Linken bejahen das.
Volksentscheid Berlin klimaneutral 2030: alle Infos in der Übersicht
Name |
Volksentscheid über ein klimaneutrales Berlin ab 2030 |
Ort | Berlin |
Termin | 26. März 2023 |
Zeitraum | 8 bis 18 Uhr |
Wahlberechtigte | 2.431.772 Personen |
Wahlvoraussetzung | in Berlin gemeldet, über 18 Jahre, deutsch |
Erforderliche Ja-Stimmen | 608.000 Stimmen |
Senat: Kein Berliner Alleingang
Der nach der Wiederholungswahl noch amtierende rot-grün-rote Berliner Senat stufte das in einer Stellungnahme indes als unrealistisch ein. Berlin habe bereits eines der ehrgeizigsten Klimaschutzgesetze Deutschlands und gehöre etwa mit dem 2017 vollzogenen Ausstieg aus der Braunkohle zu den „klimapolitischen Vorreitern“. Von den Bundes- und EU-Zielen beim Klimaschutz könne sich Berlin aber nicht so weit entkoppeln, dass es im Alleingang 15 oder 20 Jahre früher klimaneutral werde.
Auch die Industrie- und Handelskammer erklärte, Klimaneutralität in Berlin sei angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen „nicht realistisch umsetzbar“. Ähnlich sehen das auch diverse Klima- und Umweltwissenschaftler.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht die Ziele der Initiatoren des Volksentscheids skeptisch. „Ich bin fest davon überzeugt, dass das, was die Bundesregierung sich vorgenommen hat, genau der richtige Weg ist, nämlich dafür zu sorgen, dass wir unser Land technologisch modernisieren“, sagte Scholz am Samstag. „Da helfen fiktive Daten, die man nicht einhalten kann, nichts. (...) Das geht nur, indem man tatsächlich dafür Sorge trägt, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden, so dass wir 2045 klimaneutral wirtschaften können und trotzdem ein wirtschaftlich starkes Land sind.“
Im Falle eines Erfolgs der Abstimmung stünde Berlin mit strengerem Klimaziel nicht allein da. Nach Angaben des Vereins German Zero visieren in Deutschland etwa 70 Städte das Ziel an, bis spätestens 2035 klimaneutral zu werden. Auf europäischer Ebene unterstützt die EU-Kommission 100 Kommunen, die bis 2030 an der „EU-Mission für klimaneutrale und intelligente Städte“ teilnehmen.
CDU und SPD wollen Milliarden für Klimaschutz ausgeben
Die Abstimmung findet gerade mal sechs Wochen nach der Wiederholung der Berliner Abgeordnetenhauswahl statt - und fällt mitten in die Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD. Beide Parteien wollen eine schwarz-rote Landesregierung bilden und kündigten bereits an, in den kommenden Jahren mindestens fünf Milliarden Euro für mehr Klimaschutz in der Stadt ausgeben zu wollen.
In Berlin gab es laut Wahlleitung bisher sieben Volksentscheide, denen nicht immer wie am Sonntag ein konkreter Gesetzentwurf zugrunde lag. Die letzten Abstimmungen 2021 über die Enteignung großer Wohnungskonzerne (ohne Gesetzentwurf), 2017 zum Weiterbetrieb des Flughafens Tegel (ohne Gesetzentwurf) und 2014 zum Erhalt des Tempelhofer Feldes (mit Gesetzentwurf) waren erfolgreich. Tegel wurde dennoch geschlossen.