Gesundheit

Krankentransporte: Streit um Patientenversorgung eskaliert

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Um einen Krankentransport müssen sich Patientinnen und Patienten in nicht lebensbedrohlichen Situationen nun selbst kümmern.

Um einen Krankentransport müssen sich Patientinnen und Patienten in nicht lebensbedrohlichen Situationen nun selbst kümmern.

Foto: Fabian Strauch / FUNKE Foto Services

Kassenärztliche Vereinigung und Fraktionen sehen integrierte Leitstelle als Lösung für Krankentransporte. Die ist aber nicht in Sicht.

Berlin.  Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in Berlin vermittelt seit Anfang dieser Woche keine Krankentransporte mehr. Grund ist nach Angaben der KV die Überlastung der Leitstelle des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Versicherte müssten sich demnach nun selbst einen Krankentransport organisieren. Diejenigen, die es nicht können, würden an die Berliner Feuerwehr abgegeben. Allerdings würde diese nach Informationen der Berliner Morgenpost nur Personen transportieren, wenn ein lebensbedrohlicher Zustand vorliege.

„Die Frage, was mit Patientinnen und Patienten passiert, die erkrankt, aber nicht in der Lage sind, einen Krankentransport für sich zu organisieren und entsprechende Unternehmen zu kontaktieren, bleibt damit weiterhin unbeantwortet. Das sind etwa 80 Prozent der 17.000 Patientinnen und Patienten, für die im Rahmen der Tätigkeit des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes jährlich Krankentransporte vermittelt wurden. Wir machen uns große Sorgen um die Patientensicherheit. Das Kompetenzgerangel hinter den Kulissen nimmt immer groteskere Züge an“, heißt es seitens des Vorstands der KV Berlin.

Zentrale Leitstelle als Lösung für Krankentransport-Problem

„Es reicht. Die Senatskanzlei hat sich unmissverständlich positioniert und klargestellt, dass die Gesundheitsverwaltung zuständig ist. Wenn man dort nicht gewillt ist, die Verantwortung wahrzunehmen, muss ich jetzt wohl die Reißleine ziehen. Ich lade jetzt Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigung, Gesundheitsverwaltung, Deutsches Rotes Kreuz, Krankentransportunternehmen und natürlich die Berliner Feuerwehr ein. Ein Treffen ist in der nächsten Woche geplant. Wir werden mit der Expertise der Feuerwehr und der Innenverwaltung gerne beraten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es eine Lösung geben wird. Es kann doch keiner ernsthaft ein Interesse daran haben, dass diese privatwirtschaftliche Auseinandersetzung zulasten der Berlinerinnen und Berliner geht", sagt Innensenatorin Iris Spranger (SPD).

Aus der Gesundheitsverwaltung heißt es, dass man bereit sei, die Verantwortung und Steuerung der Rettungsdienste und Krankentransporte mitsamt den bei der Feuerwehr und der Innenverwaltung bestehenden personellen und finanziellen Ressourcen vollständig in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen und auf dieser Grundlage eine integrierte Leitstelle aus einer Hand zu entwickeln.

Dieses Thema und besonders die Entscheidung der Senatskanzlei, die Zuständigkeit der Gesundheitsverwaltung zuzuschreiben, sorgt auch in den Fraktionen für Diskussionen. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Vasili Franco, ist fassungslos. „Ich bedauere, dass es der Innenverwaltung in den letzten Wochen nicht gelungen ist, die Vermittlung von Krankentransporten sicherzustellen. Dass keine Lösung gefunden wurde, geht zu Lasten der Patientinnen und Patienten. Es kann nicht sein, dass die Vermittlung von Krankentransporten eingestellt wird, während die Innenverwaltung ihren gesetzlichen Aufgaben nicht nachkommt. Dabei sieht das Rettungsdienstgesetz ganz klar einen Sicherstellungsauftrag der Innenverwaltung vor.“ Die Argumentation der Senatskanzlei ignoriere die aktuelle Rechtslage im Rettungsdienstgesetz.

FDP: Krankentransporte sind Aufgabe der Leitstelle der Feuerwehr

„Die Innensenatorin muss mit ihrem Unzuständigkeitstheater aufhören. Die jetzige Verweigerungshaltung wird dazu führen, dass der Rettungsdienst noch mehr Krankentransporte kompensieren muss“, ist sich Franco sicher. Eine Lösung wäre auch aus seiner Sicht ein Bekenntnis zur Weiterentwicklung zur Integrierten Leitstelle in Zusammenarbeit von Feuerwehr, Kassenärztlicher Vereinigung und Krankentransportunternehmen. „Das würde zukünftig eine bessere, flexible und koordinierte Steuerung der in Berlin vorhandenen Einsatzfahrzeuge im Sinne einer guten Patientenversorgung ermöglichen“, sagt Franco.

Diese Meinung teilt auch Björn Jotzo, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion: „Schon seit dem Sommer liefern sich bei Rettungsdienst und Notaufnahmen SPD und Grüne einen bizarren Streit um Zuständigkeiten. Dabei ist klar: Wenn die KV die Krankentransporte nicht mehr händisch steuern will und kann, gehört diese Aufgabe in die Leitstelle der Berliner Feuerwehr. Sie muss zu einer Integrierten Notfallleitstelle (INL) entwickelt werden. So kann eine digitale diskriminierungsfreie Vergabe der Krankentransportleistungen stattfinden, die sich – wie App-Taxis – dort einklinken können, mit einer offenen Schnittstelle für die Krankentransportunternehmen.“