Berlin. Silvesterkrach in Berlin, auweia! Und die ganze Republik hat’s mitbekommen. Was nun? Guter Rat ist bekanntlich teuer. Nur aus Bayern kam er mal wieder ganz umsonst (und ungefragt): Markus Söder, CSU-Ministerpräsident, tönte in Richtung Berlin, auf dass Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) darüber im Bilde sei: „Berlin entwickelt sich leider zu einer Chaos-Stadt – beginnend bei der Politik, die weder Wahlen organisieren noch die Sicherheit ihrer Bürger garantieren kann.“ Und legte noch drauf: „In Bayern gelingt die Integration viel besser.“
Herrschaftszeiten! Franziska Giffey hörte die Worte wohl, doch hielt dagegen: Chaos-Berlin, von wegen! Und bot dem Integrationskünstler Söder an, einmal vorbeizukommen („Er ist immer herzlich willkommen.“) Tja, und was läge da näher als ein Besuch direkt am Ort der (Alp-)Träume: Neukölln, Giffeys alter Liebe unter den Bezirken?
Hier einige Vorschläge, wo sich Berlins Überlegenheit in Neukölln besonders gut demonstrieren ließe. Aber Achtung: Satire!
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1. Umwelt und Natur
Die Kulisse, vor der sich der bayerische Ministerpräsident kürzlich ablichten ließ, als er im Silvester-Schelte-Interview mit dem „Münchner Merkur“ sein vernichtendes Berlin-Urteil fällte („Ich sehe das in erster Linie als Berlin-Problem“) – es war natürlich der Englische Garten. Bei Brotzeit und Brezn am Kleinhesseloher See sollte das Foto von Söder mit CDU-Chef Friedrich Merz wohl kulturelle Überlegenheit ausstrahlen.
Natürlich geht auch das in Neukölln viel besser. Denn auch wir haben einen Volkspark, unsere schöne Haserl-, pardon, Hasenheide. Und vielleicht sogar Brezeln am Späti. Damit auch alles schön aufgeräumt ist für den hohen Besuch, kam die Regierende Köni-, sorry, Bürgermeisterin kurz vorher sogar noch mal zum Müllsammeln vorbei – die Morgenpost war exklusiv mit dabei - siehe Beweisfoto.
2. Schnee bis zum Abwinken
Ein bisschen mitleiderregend war das Foto schon, das Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kurz vor Weihnachten twitterte: Eine tristgraue Landschaft mit ein paar weißen Flecken samt Skilift. Dazu schrieb der Minister: „Heimischer Wintersport heuer dank Beschneiung vielerorts immer noch möglich!“. Juhu! Auf Twitter wurde darüber ebenso laut gelacht wie in Neukölln. Zumal der Minister dazuschrieb: „Bitte bei den Fachleuten vor Ort informieren, statt vom grünen Großstadttisch aus polemisieren und alles verbieten wollen!“.
In Neukölln, das kann Markus Söder bei seinem Staatsbesuch lernen, ist selbstredend beides möglich. Zum einen ist Skifahren in Neukölln natürlich erlaubt, wie alles andere auch. Oder, na ja, es ist zumindest nicht verboten, das Ordnungsamt hat eh zu viel zu tun. Ja, mei! Und Schnee? Den gibts in Berlin bergeweise, fragen Sie mal die Polizei. Sogar auf Bestellung per Taxi.
3. Ordentliche Integration
Was Markus Söder, der Garant für Zucht und Ordnung im Freistaat, unbedingt von seinem Abstecher mitnehmen sollte: Neukölln punktet gerade mit einem ganz neuen, spezialpsychologischen Ansatz im Umgang mit potenziell Kriminellen. Wo nämlich Bayern seine protzigsten Steuerhinterzieher à la Wurstfabrikant Uli Hoeneß – der Clanchef von Bayern München – ins Zuchthaus steckt und damit dessen millionenschwere Fan-Gemeinde gegen sich aufwiegelt, geht der Bezirk Neukölln gewitztere Wege.
Hier setzt sich eine linke Ordnungsstadträtin namens Nagel hammerhart dagegen ein, dass ihr Ordnungsamt Polizeikontrollen bei clangeführten Shisha-Bars und Lokalen unterstützt. Um Stigmatisierung und struktureller Diskriminierung den Garaus zu machen! Der Erfolg gibt ihr Recht: @dienagel, so ihr Twitter-Name, wurde prompt von einer Berliner Clan-Größe zur „Ehrenfrau“ ernannt (#siesgutesmädchen). So geht ordentliche Integration in Neukölln!
4. Touristische Hotspots
Chinesen, Japaner und alle anderen Weltreisenden wissen: Bayern, das ist Schloss Neuschwanstein. Söders Besuch in Neukölln darf deswegen keinesfalls ohne ein Selfie vom Hermannplatz zu Ende gehen. Okay, die graue Trutzburg an Berlins hässlichstem Platz ist nicht ganz so alt wie das Märchenschloss im Allgäu. Aber die Idee, nach der das Schloss erbaut wurde, nämlich aus einer alten Ruine – die war doch direkt aus Berlin geklaut!
Sein Schloss solle „im echten Styl der alten deutschen Ritterburgen“ neu entstehen, schrieb Bayerns König Ludwigs II. im Jahr 1868. Franziska Giffey wird König Söder im Karstadt-Kundenrestaurant zu einer Currywurst einladen und erzählen, wie aus der Karstadt-Ruine nach dem Krieg dieser Betonklotz wurde, dessen Kundschaft heute keinen Deut weniger international ist als die von Neuschwanstein.
5. Jogginghose statt Krachlederne
Auch in Sachen Trachten steht Neukölln Bayern in nichts nach, besonders bei der Auswahl des Kleidungsmaterials: Leder. Auch im Hipster-Stadtteil Neukölln ziert man sich nicht mit der begehrten Tierhaut. Nur versteht man unter Lederhosen hier nicht „Krachlederne“, sondern Lack und Leder.
Statt Dreivierteltakt hüpfender Schuhplattler tanzt man in Neukölln zu Techno in Plateauschuhen. Neukölln ist aber mehr als das. Noch öfter anzutreffen ist die Jogginghose. Diese Tracht ist bequem, sieht sportlich aus und lässt sich fesch mit einem farblich identischen Oberteil kombinieren. Gern getragen in der Neuköllner Oberschicht werden Designerfummel wie etwa das Gucci-Modell „Clan“.
6. Unsere Traditionen
„Das ist ja alles ganz schön, aber was ist mit Brauchtum? Wo wird in Neukölln noch Tradition gelebt?“, will Söder beim fiktiven Neukölln-Rundgang von seiner Gastgeberin wissen. „Brauchtum?“, Giffeys Augen blitzen. „Ihr habt euer Oktoberfest, wir haben den 1. Mai!“.
Als ein Bundesland mit den wenigsten Feiertagen verwundert es nicht, dass in Berlin vor allem der „Tag der Arbeit“ zum Volksfest wird. Während sich in Bayern im Oktober Tausende über die Wiesn drängen, nutzen in Neukölln Massen an vermummten Revoluzzern den 1. Mai als Straßenparty. Der Einsatz von Pyrotechnik gilt dabei ebenso als (B)rauchtum wie brennende, qualmende Mülltonnen.
7. Karnevalismus
Ja, mei! Der bayerische Ministerpräsident wird beeindruckt sein! So viel Brauchtum hätte er von Neukölln nicht erwartet. Er, der sich den traditionellen Anstich beim Oktoberfest nie entgehen lassen würde, genauso wenig wie die Möglichkeit, sein Faible für besondere Karnevalskostüme zur Schau zu stellen. Söder hat viele Gesichter: Homer-Simpson-Söder, Gandhi-Söder – oder Shrek-Söder. Kein Grund für Franziska Giffey zu erschrecken!
Die Regierende zeigt sich zwar gerne im blauen, schwarzen oder roten Sakko, in ihrer Zeit als Familienministerin schlüpfte sie aber auch in andere Rollen: etwa als historische Berta aus Berlin, die als Fabrikarbeiterin 1919 erstmals ihr Wahlrecht wahrnehmen durfte. Ein vorbildliches Kostüm, in dem landesmütterliche Ernsthaftigkeit mitschwingt!
8. Heimatschutz
Wichtig im Vorfeld eines Staatsbesuchs ist ja die Recherche über den Gast. Was mag Markus Söder, also, außer sich selbst, worauf fährt er ab? Eindeutige Antwort: Waffen. Egal, ob Armbrust, Lanze oder Leuchtschwert – der Besuch aus Bayern ist Verteidigungsexperte, zumindest vor Kameras. Sogar ein Kreuz hält er dann und wann hoch.
Gastgeberin Giffey schwingt ja eher den Besen, allerdings machte neulich ein Pistolenbild von ihr die Runde um die Welt – das Startschuss-Foto vom letzten Berlin-Marathon wurde zum Meme in den sozialen Medien. Dort hatte sie es selbst gepostet. Bei einem Vieraugengespräch ist geplant, dass die beiden sich über ihre Lieblingsrollen in Ritter- und Cowboyfilmen austauschen.
9. Örtliche Kulinarik
Die Rundreise durch Neukölln macht hungrig. Jenseits des Weißwurstäquators sucht Söder jedoch vergeblich nach Brühwurst, findet zwischen Karl-Marx-Straße und Sonnenallee dafür aber: Döner-Kebab, Döner-Pommes, Döner mit scharf, Döner mit Koks… Mit einem Stück Krautsalat zwischen den Zähnen fragt der Bayer, von der Geschmacksexplosion überwältigt, nach: einem Weißbier!
Stattdessen reicht ihm angesäuert sein Vorkoster jenes Getränk, das die Berliner lieben: Berliner Weiße (fällt in Bayern unter das Verbotene-Biere-Gesetz). Söder verzieht das Gesicht. „Mit mehr Sirup drin ist es süßer“, flötet Giffey, lacht überlegen und fragt: „Willst du noch einen Schuss? Du kannst wählen zwischen Rot und Grün!“