Professor im Interview

Wie können die Silvester-Attacken verhindert werden?

| Lesedauer: 3 Minuten
Am Silvesterabend kam es zu vielen Attacken auf Polizei und Feuerwehr

Am Silvesterabend kam es zu vielen Attacken auf Polizei und Feuerwehr

Foto: Sergej Glanze / FUNKE Foto Services

Thomas Feltes, emeritierter Professor für Kriminologie, über die massiven Attacken auf Rettungskräfte in der Berliner Silvesternacht.

Berlin.  Raketen werden gezielt auf Rettungswagen der Feuerwehr abgeschossen, beim Löschen eines Brandes müssen die Kräfte immer wieder Kanonenschlägen ausweichen, die ihnen zwischen die Beine geworfen werden. Zu Silvester ist die Gewalt auf Berlins Straßen regelrecht eskaliert. Der Strafrechtler Thomas Feltes, bis zu seiner Emeritierung 2019 Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, erforscht dieses Phänomen bereits länger.

Berliner Morgenpost: Sind Übergriffe auf Rettungskräfte in dieser Intensität ein neues Phänomen?

Thomas Feltes: Diese Übergriffe werden erst seit vier Jahren systematisch erfasst. Die Intensität ist sicherlich in dieser Form, wie wir sie Silvester gesehen haben, neu. Ansonsten ist Gewalt gegen Feuerwehr in den vergangenen Jahren sogar rückläufig gewesen, die gegen Rettungskräfte steigt allerdings an.

Welche Motive haben Täter etwa dafür, Feuerwehrkräfte beim Löschen mit Pyrotechnik zu beschießen?

Hier muss man als erstes nachfragen, ob dies tatsächlich die Intention derjenigen war, die Pyrotechnik abgeschossen haben, oder ob es nicht eher generell das Ziel war, Personen oder Fahrzeuge zu treffen – was natürlich nicht weniger verwerflich wäre.

Wer sind diese Täter?

Das wissen wir noch nicht, und werden es wohl auch nie wirklich erfahren. Vieles spricht allerdings dafür, dass wir es hier mit jungen Menschen zu tun haben, die aktuell gleich doppelt unter Druck stehen: Einerseits haben die fast drei Jahre Corona-Maßnahmen besonders jungen Menschen zugesetzt, deren Freizeitmöglichkeiten ebenso wie schulische Angebote reduziert wurden und die nach einem Ventil suchten; andererseits kann es sich hier um junge Menschen handeln, die sich nicht mehr als wesentlichen Bestandteil dieser Gesellschaft fühlen, weil sie keine Chancen (subjektiv wie objektiv) haben, an dieser Gesellschaft angemessen teilzuhaben und daher glauben, sich auch nicht an deren Regeln halten zu müssen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht in unserer Gesellschaft immer weiter auseinander, und Opfer sind ganz besonders Jugendliche, die sozial benachteiligt sind oder am Rande der Gesellschaft stehen.

Was kann getan werden, um Eskalationen wie die jüngsten künftig zu vermeiden?

Ich plädiere für ein komplettes Verbot aller Feuerwerkskörper im Innenbereich von Großstädten, und zwar nicht nur aufgrund der Vorfälle an Silvester. Die finanziellen Folgen und die Auswirkungen auf unser Klima gebieten dies ebenso wie der Schutz unserer Gesundheitsinfrastruktur. Die Städte könnten stattdessen ein eigenes Feuerwerk anbieten, ähnlich wie dies immer wieder im Laufe des Jahres auch geschieht. Oder sie könnten bestimmte Gebiete einrichten, in denen dann kontrolliert ‘geböllert’ werden kann und wodurch Unbeteiligte geschützt werden.

Pyro-Angriffe auf die Berliner Feuerwehr