Deutsche Wohnen & Co enteignen

Expertenkommission hat noch offene Fragen

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Isabell Jürgens
Florian Röhl und Herta Däubler-Gmelin von der Expertenkommission zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen geben am 15. Dezember 2022 einen ersten Zwischenbericht über die Arbeit der Kommission.

Florian Röhl und Herta Däubler-Gmelin von der Expertenkommission zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen geben am 15. Dezember 2022 einen ersten Zwischenbericht über die Arbeit der Kommission.

Foto: Jörg Krauthöfer / FUNKE Foto Services

Noch immer ist offen, welche Immobilienunternehmen enteignet werden sollen. Was noch im Zwischenbericht der Expertenkommission steht.

Berlin.  In vielen Punkten ist sich die vom Berliner Senat eingesetzte Expertenkommission einig, dass die Forderungen des erfolgreichen Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ rechtssicher umgesetzt werden kann. Doch es gebe durchaus noch offene Fragen und auch noch unterschiedliche Meinungen in einigen wesentlichen Detailfragen, sagte der Berliner Rechtsprofessor Florian Rödl am Donnerstag bei der Vorstellung eines Zwischenberichts des Gremiums. Die Berliner Morgenpost hatte in der vergangenen Woche vorab exklusiv berichtet.

Zwar bestehe in der Kommission Konsens, dass das Land laut Grundgesetz die Vergesellschaftung von Grund und Boden in einem Gesetz regeln könne, führte Rödl, der an der freien Universität Berlin eine Professur für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht innehat, weiter aus. Allerdings werde in der Kommission noch kontrovers diskutiert, ob die Landesverfassung einem solchen Ansinnen womöglich entgegenstehe. Denn im Unterschied zum Grundgesetz gebe es in der Landesverfassung keinen Passus zur Vergesellschaftung.

Bei einem Volksentscheid am 26. September 2021 hatten gut 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Enteignung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin gestimmt. Seit April berät die Expertenkommission unter Leitung der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) darüber, ob und wie das Anliegen umgesetzt werden kann. Bis Ende April, spätestens Anfang Mai sollen die endgültigen Ergebnisse des Gremiums vorliegen, auf deren Basis der Senat dann über sein weiteres Vorgehen entscheiden will.

Däubler-Gmelin: „Die Kommission ist nicht politisch“

Dass das nicht einfach werden wird, ist bereits dem Zwischenbericht zu entnehmen. Die Kommission werde sich zwar auf einen Schlussbericht einigen, meinte die Kommissionsvorsitzende Däubler-Gmelin zuversichtlich. Allerdings sei durchaus möglich, dass dieser zu bestimmten Punkten Minderheitenvoten enthalte. „Die Kommission ist nicht politisch. In Berlin ist Wahlkampf, deshalb nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass wir uns nicht am Wahlkampf beteiligen“, sagte die Kommissionsvorsitzende.

Dem Bausenator Andreas Geisel (SPD) zufolge müsse man die Sinnhaftigkeit hinterfragen. Zudem bleibe auch offen, ob es für eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt sorge, sagte Geisel in der RBB-Abendschau. Auch die Frage, ob es einen rechtssicheren Weg gebe, sei nicht beantwortet. Er sagte zudem, dass eine Enteignung der Unternehmen mit mehr als 3000 Wohnung nicht verhältnismäßig sei.

Die frühere SPD-Bundesjustizministerin verwies ferner darauf, dass auch die Frage der Immobilienbewertung noch zu klären sei. Artikel 15 des Grundgesetzes sieht eine Entschädigung der von der Vergesellschaftung betroffenen Unternehmen vor. Einigkeit bestehe im Gremium darüber, dass diese nicht nach dem Verkehrswert erfolgen müsse, aber auch nicht für einen lediglich symbolischen Betrag zu haben sei.

Welche Unternehmen enteignet werden sollen, ist weiter offen

Damit, so Herta Däubler-Gmelin weiter, sei noch längst nicht klar, wie hoch die Entschädigung ausfallen müsse: „Unter anderem wird das Thema unserer nächsten Sitzung am 12./13. Januar sein“, sagte Däubler-Gmelin. Bei der geplanten Anhörung wolle man deshalb vor allem auch Experten der Immobilienbewertung einladen.

Ungeklärt und voraussichtlich nicht im Rahmen des Arbeitsauftrags und -zeitraums der Expertenkommission zu klären sei die Frage, welche Unternehmen für die Vergesellschaftung ihrer in Berlin befindlichen Wohnungsbestände überhaupt in Frage kommen, ergänzte Florian Röhl. Bereits im Juli hatte die Expertenkommission dazu Grundbuchdaten angefordert. Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) habe dies jedoch abgelehnt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung habe dagegen zugesagt, etwa mittels des Liegenschaftskatasters, diese Wissenslücke zu schließen: „Es ist erstaunlich, dass man diese Daten noch nicht hat“, konnte sich die frühere Bundesjustizministerin die Kritik an der Arbeitsweise der Berliner Senatsverwaltungen nicht verkneifen.

Kontroverse Reaktionen aus Politik und Wirtschaft

Erwartungsgemäß stieß der Zwischenbericht auf ein geteiltes Echo. „Der Zwischenbericht bestätigt: Berlin kann Artikel 15 des Grundgesetzes anwenden und Wohnraum zum Zwecke der Vergesellschaftung in Gemeineigentum überführen“, heißt es in einer Erklärung der Linksfraktion. „Es ist nun vor allem eine Frage des politischen Willens, ob der Auftrag des Volksentscheids umgesetzt wird“, steht es in der Erklärung geschrieben.

Björn Jotzo, Sprecher für Stadtentwicklung und Mieten der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, lehnt das Vorhaben grundlegend ab: „Es wird weder eine Senkung von Mieten geben, noch ist heute eine Finanzierung zu Nahe-Nullzinsen möglich“, erklärte Jotzo. Es sei desaströs für den Berliner Wohnungsmarkt, zweistellige Milliardenbeträge für den Rückkauf maroder Bestände zu verschwenden, deren Mieten ohnehin zu den niedrigsten in der Stadt gehörten.

Die Verbände der Wohnungswirtschaft argumentieren ähnlich: Es bleibe eine ganz zentrale Schwachstelle der Enteignungsüberlegungen, „dass durch sie nicht eine einzige zusätzliche Wohnung in Berlin entstünde“, sagte Maren Kern, Vorständin beim BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen.

Die Initiative erklärte, dass durch den „eindeutigen Zwischenbericht“ der Enteignungskommission, keine Partei im Wahlkampf am Volksentscheid vorbeikommen werde: „Wer jetzt nicht enteignet, kann Berlin nicht regieren. Wir erwarten, dass der Senat schnellstmöglich einen Plan zur Vergesellschaftung vorlegt und die Ergebnisse der Kommission in ein Gesetz gießt“, erklärte ein Sprecher der Initiative.