Berlin. Von der Zielsetzung des Volksbegehrens hält der Verband nichts. Es müsse nun alles dafür getan werden, die Wirtschaft zu stärken.
Viel Kritik am amtierenden Senat, lautstarke Forderungen und eine Warnung vor überambitionierten Klimazielen: Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) haben am Montag ihre Positionen für die Berliner Wirtschaftspolitik in den kommenden Jahren vorgelegt. Anlass ist die für den kommenden Februar aufgrund der vielen Wahlpannen angesetzte Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl.
Angesichts von Krieg, Energiekrise und Rezessionsgefahr hätten sich die Vorzeichen für viele Firmen in der deutschen Hauptstadt radikal verändert, hieß es in einer Mitteilung. „Der vor einem Jahr geschlossene Koalitionsvertrag ist Makulatur. In einem neuen Regierungsprogramm müssen die Themen im Vordergrund stehen, die die Wirtschaft stark machen“, ließ sich UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck zitieren. Nur dann bleibe auch die Stadt handlungsfähig. Es sei nun an der Politik, „alles“ zu tun, damit die Unternehmen gut durch diese Krise kommen, erklärte er weiter. „Eine starke Wirtschaft ist die Grundlage für eine starke Stadt. Darauf muss der nächste Senat den Fokusrichten.“
UVB will keine zusätzlichen Belastungen für die Unternehmen
Die Berliner sind aufgerufen, am 12. Februar nächsten Jahres ein neues Abgeordnetenhaus zu wählen. Viele Parteien hatten bereits in den vergangenen Tagen ihre Kampagnen und Schwerpunkte vorgestellt. Am Montag nun legte auch der UVB seine Positionen vor.
Ganz oben steht für für den Spitzenverband, dass die Politik den Betrieben keine weiteren Kostensteigerungen zumutet. „Der Bund hat längst ein Belastungsmoratorium zugesagt. Hier muss das Land jetzt nachziehen“, forderte Amsinck.
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In Berlin hingegen passiere dem UVB zufolge das Gegenteil. Amsinck verwies laut Präsentation auf zahlreiche Vorgaben, die von der Koalition besprochen oder zum Teil auch schon umgesetzt werden. Beispielhaft nannte der Hauptgeschäftsführer die Einführung einer Übernachtungssteuer für Geschäftsreisende, die Erhöhung des Vergabemindestlohns, die Tariftreue-Regelung bei öffentlichen Aufträgen oder die geplante Ausbildungsplatzumlage. Generell, so der UVB-Chef, brauche es weniger Bürokratie und weniger Gesetze zu Lasten der Unternehmen.
„Noch mehr Staat ist nicht gut für Berlin“
Ein Schlussmachen fordert der UVB auch mit Blick auf das Thema Rekommunalisierung. 2021 hatte der Senat die Stromnetzinfrastruktur wieder in seine Hand gebracht, ähnliches plant man auch mit Blick auf die Wärmeversorgung. Von den Unternehmensverbänden hieß es hingegen, eine weitere Rekommunalisierung von privaten Unternehmen oder von Aufgaben, die bislang Private erledigen, dürfe es nicht geben. „In den vergangenen Jahren ist die Staatsquote in der Hauptstadt zu stark gestiegen. Noch mehr Staat ist nicht gut für Berlin“, befand Christian Amsinck.
Schlecht weg kommen bei der Wirtschaft auch überambitionierte Klimaziele. Das Volksbegehren „Berlin 2030 klimaneutral“ hatte zuletzt die notwendige Zahl der Unterschriften für einen Volksentscheid erreicht. Eine Abstimmung parallel zur Abgeordnetenhauswahl wird es aus organisatorischen Gründen aber wohl nicht geben. Amsinck jedenfalls warnte vor den Zielen. „Es ist offensichtlich, dass das binnen sieben Jahren nicht machbar ist. Diese Haltung haben Senat und Abgeordnetenhaus übrigens im Mai genauso vertreten“, sagte er. Allein für die energetische Sanierung der Wohngebäude in Berlin sei ein dreistelliger Milliardenbetrag nötig. Zudem gebe es nicht genügend Fachleute für den Einbau klimaneutraler Technik.
Nach der Wahl fordert der UVB, einen Schwerpunkt auf Bildung zu legen
Dem UVB zufolge fehlen in der Hauptstadt mindestens 3000 Heizungsfachkräfte. Außerdem verwiesen die Wirtschaftslobbyisten darauf, dass derzeit lediglich sechs Prozent der Berliner Wohnungen klimaneutral beheizt würden. Auch im Verkehrssektor wäre der notwendige Umbau riesig. Nötig wäre laut UVB die Elektrifizierung von 1,2 Millionen Pkw – derzeit gibt es in Berlin 95.000 Fahrzeuge mit Elektroantrieb. Der Senat müsse sich nun ehrlich machen, hieß es. „Die Politik muss die Bürgerinnen und Bürger zunächst umfassend informieren, bevor sie eine so weitreichende Abstimmung durchführt“, forderte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände.
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Einen Aufbruch fordert die Wirtschaft nach den Wiederholungswahlen auch im Bereich Bildung. Bei diesem Standortfaktor müsse das Land endlich „den Problemen ins Auge sehen“, so Amsinck. „Unser Bildungssystem bekommt im Bundesvergleich fast immer die Rote Laterne. Wir brauchen einen Aufbruch, sonst fehlen uns bald noch mehr Fachkräfte“, warnte er. Es sei nicht hinnehmbar, dass in den vergangenen zehn Jahren 25.000 Mädchen und Jungen die Schule ohne Abschluss verlassen hätten. Das Bildungsressort brauche mehr politisches Gewicht. „Es kann nicht sein, dass dieser Senatsposten bei Koalitionsverhandlungen herumgereicht wird wie eine heiße Kartoffel“, sagte Amsinck. Nötig sei jemand, der den Laden auf Vordermann bringe.