Nahverkehr

Was das 29-Euro-Ticket für Berliner bringt und wo es hakt

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Die Auslastung in den Fahrzeugen der BVG ist mit der Einführung des 29-Euro-Tickets in Berlin deutlich gestiegen.

Die Auslastung in den Fahrzeugen der BVG ist mit der Einführung des 29-Euro-Tickets in Berlin deutlich gestiegen.

Foto: Christoph Soeder / dpa

Mit 49-Euro-Ticket und 29-Euro-Ticket gibt es günstige Angebote für den Nahverkehr. BVG und S-Bahn stehen aber auch vor Hindernissen.

Berlin.  In Berlin gibt es seit Oktober ein vergünstigtes Ticket-Angebot für die Hauptstadt, nun kommt mit dem 49-Euro-Ticket auch eine deutschlandweit gültige Alternative hinzu. Beide Monatskarten tragen mit ihrem Preis dazu bei, das Nutzen des öffentlichen Nahverkehrs attraktiver zu machen und den Umstieg vom eigenen Auto zu befördern – eine hohe Nachfrage nach dem bestehenden 29-Euro-Ticket, das nun noch bis März verlängert werden soll, bestätigt das. Das 49-Euro-Ticket wird insbesondere für Pendler Vorteile bringen, deren Monatskarten, selbst wenn sie im direkten Berliner Umland wohnen, bislang deutlich teurer sind.

Profitieren könnten auch die Berliner Außenbezirke, die vom Berufsverkehr entlastet werden. „Mit dem geplanten einheitlichen Tarif wird es weniger attraktiv sein, als Brandenburger mit dem Auto zunächst in einen Außenbezirk von Berlin zu fahren und dann den ÖPNV zu nutzen. Viel mehr lohnt es sich für Pendlerinnen und Pendler, den nächstgelegenen Brandenburger Bahnhof anzusteuern“, sagte Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU).

Berlin und Brandenburg wollen Angebot auf Grundlage des 49-Euro-Tickets schaffen

Der Berliner Alleingang beim 29-Euro-Ticket für den Tarifbereich AB dürfte zunächst die gegenteilige Wirkung gehabt haben. „Natürlich ist dieses Modell ein Anreiz mehr, sich ein AB-Ticket zu kaufen und mit dem Auto nach Berlin reinzufahren“, sagte auch Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch. „Das wird mit dem 49-Euro-Ticket anders werden.“ Zugleich kündigte die Grünen-Politikerin an: „Wir werden ein Paket schnüren, das auch im VBB ein attraktives Angebot auf der Grundlage eines 49-Euro-Tickets ermöglichen wird.“

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Auch wenn die günstigen Tickets eine finanzielle Entlastung und die bundesweite Variante auch eine erhebliche Vereinfachung des öffentlichen Nahverkehrs bringen, ist klar: Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), S-Bahn und Deutsche Bahn stehen weiter vor diversen Hürden. Ein Senken des Preises wird am Ende nicht genügen, um die Verkehrswende zu schaffen. Ein Überblick über aktuelle Herausforderungen.

Steigende Auslastung bei hohen Corona-Infektionszahlen: Mehr als 160.000 29-Euro-Tickets hatten BVG und S-Bahn mit Stand Ende Oktober bereits verkauft, über die Auslastung der Busse und Bahnen sagte ein BVG-Sprecher zuletzt, dass nahezu das Vor-Corona-Niveau erreicht sei. Was einerseits ein positives Zeichen dafür ist, dass es gelingt in der Pandemie verloren gegangene Fahrgäste zurückzugewinnen, ist andererseits auch ein zunehmendes Risiko für Infektionen. Zuletzt trugen im Schnitt noch 70 Prozent der Fahrgäste eine Maske. Zwar sind die Infektionszahlen und die Auslastung der Intensivstationen in Berlin zuletzt leicht rückläufig gewesen, die Belastung der Krankenhäuser ist aber weiter hoch.

Hohe Krankenquoten: Ungewöhnlich viele Krankheitsausfälle betreffen auch die Verkehrsunternehmen selbst. Bei der BVG gilt weiterhin ein um etwa drei Prozent gekürzter Busfahrplan, weil Fahrerinnen und Fahrer fehlen. Von ausgedünnten Takten sind schon seit Ende August gut 30 Linien betroffen, im Oktober kam auch noch eine Kürzung auf der Linie 100 hinzu, die zunächst als Option angekündigt war. Wann wieder der reguläre Fahrplan gilt, ist laut BVG weiterhin nicht absehbar. Auch die Deutsche Bahn vermeldet auf Regionalbahnlinien immer wieder Ausfälle durch „kurzfristige Krankmeldungen“.

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Energiekrise: Steigende Energiekosten betreffen auch die Verkehrsunternehmen, das hat bereits die Berliner S-Bahn deutlich gemacht. Zuletzt hatten sich die Stromkosten für das Unternehmen erheblich erhöht - von 50 Millionen in 2020 auf 100 Millionen im vergangenen Jahr und voraussichtlich 150 Millionen Euro in 2022. Mitte Oktober hatte das Unternehmen deshalb reagiert und entschieden, auf den Linien S1 und S2 in den späten Abend- und frühen Morgenstunden nur noch Kurzzüge einzusetzen.

Langwieriger Ausbau ins Umland: In Berlin und Brandenburg wird stets betont, dass die Entwicklung des Nahverkehrs hohe Priorität hat. Dennoch wird es noch dauern, bis bei dem gemeinsamen Riesenprojekt i2030 die Reaktivierung alter Bahnstrecken und der Ausbau des Netzes an Fahrt aufnimmt. Die Heidekrautbahn soll, wenn alles nach Plan läuft, im Dezember 2024 eröffnen, die Siemensbahn im Jahr 2029 in Betrieb gehen. Viele weitere Projekte zwischen Berlin und Brandenburg werden allerdings erst in den 2030er-Jahren folgen. Bei Pendlern ist hier weiter Geduld gefragt.

Fehlende Querverbindungen: Forschungsergebnisse besagen: Die Fahrtzeit mit dem öffentlichen Nahverkehr darf sich um maximal 30 Prozent verlängern, dann steigen Menschen vom Auto um. In Berlin gibt es oftmals konkurrenzfähige Bahnverbindungen, die von Außenbezirken in Richtung Stadtzentrum führen. Will man dagegen in benachbarte Stadtteile fahren, müssen oft große Umwege in Kauf genommen werden. Das macht den Nahverkehr deutlich weniger attraktiv. Teilweise sollen neue Straßenbahn-Verbindungen für Verbesserungen sorgen, auch bis zu deren Umsetzung werden jedoch noch Jahre vergehen.