Berlin. 13 Jahre ist es her, dass Stephan von Dassel (Grüne) Mitglied des Bezirksamts in Mitte wurde. Er war erst Sozialstadtrat, dann auch stellvertretender Bürgermeister und stand seit 2016 schließlich an der Spitze des Bezirksamts. Diese Laufbahn ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Auf einer nur wenige Minuten dauernden Sondersitzung wurde er von der Bezirksverordnetenversammlung am Abend abgewählt. Für einen entsprechenden Antrag von CDU und FDP stimmten 43 Bezirksverordnete, vier enthielten sich, niemand stimmte dagegen. Eine Debatte hatte es vor der Abstimmung nicht mehr gegeben.
Nach seiner Abwahl meldete sich von Dassel selbst kurz zu Wort, wünschte dem Kollegium im Bezirksamt (BA) „viel Fortune“ bei den nächsten, herausfordernden Aufgaben. An die Bezirksverordneten gerichtet sagte er: „Seien Sie gnädig mit den BA-Mitgliedern, die in einer wirklich schwierigen Zeit immer vor Entscheidungen stehen, wo es kein einfaches Ja oder Nein gibt.“ Die Bezirksverordneten sollten sich immer bewusst sein, unter welch großen Belastungen die Verwaltung momentan stehe, so von Dassel. Zu seiner Abwahl äußerte er sich nicht, für seine Worte erhielt er einen eher spärlichen Applaus.
Stephan von Dassel abgewählt: Vorübergehend übernimmt Ephraim Gothe
Von Dassels Aufgaben wird nun vorübergehend der stellvertretende Bezirksbürgermeister Ephraim Gothe (SPD) übernehmen, der sich ebenfalls kurz äußerte. Gothe dankte von Dassel im Namen des Bezirksamts für dessen langjährige Tätigkeit und den Einsatz für den Bezirk Mitte. „Sie überlassen ihre Ämter, ihre Bereiche und das Bezirksamt insgesamt in guter Verfassung“, so Gothe, der betonte, man sei weiterhin handlungsfähig. „Das Kollegium wird weiterhin mit Konzentration auf die Sache harmonisch zusammenarbeiten“, erklärte er.
Eine Überraschung war die Abwahl nicht: Schon im Vorfeld der Sitzung hatten mit Ausnahme der AfD alle Fraktionen – einschließlich der Grünen – erklärt, kein Vertrauen mehr in von Dassel zu haben. Hintergrund ist dessen Verhalten im Zusammenhang mit einem Stellenbesetzungsverfahren im Bezirk, bei dem es um die Leitung des Steuerungsdienstes, eine Schlüsselposition in der Verwaltung, ging. Der Bezirk hatte sich bei der Besetzung für ein Mitglied des Grünen-Kreisvorstands entschieden.
Von Dassel soll dann versucht haben, einen unterlegenen Bewerber mit Hilfe einer Geldzahlung davon abzubringen, gegen die Entscheidung zu klagen. Konkret hatte von Dassel in einer SMS eine „privatrechtliche Einigung“ angeboten. Eigenen Angaben zufolge hatte von Dassel aber kein konkretes Geldangebot gemacht.
Stephan von Dassel (Grüne) lehnte einen Rücktritt ab
Der Bezirksbürgermeister hat in den vergangenen Wochen selbst Fehler eingeräumt und sich für sein Handeln entschuldigt, einen Rücktritt jedoch stets abgelehnt. Sein Vorgehen begründete der 55-Jährige mit Erfahrungen bei früheren Stellenbesetzungen, die wegen Klagen zum Teil jahrelang blockiert gewesen seien – dies wollte er eigenen Aussagen zufolge bei der wichtigen Position im Steuerungsdienst verhindern. Im Nachhinein bezeichnete von Dassel die von ihm verschickte SMS als eine Dummheit und „im höchsten Maße missverständlich“.
Dass er dennoch nicht zurücktrat, erklärte er mit dem Disziplinarverfahren gegen ihn, das er selbst eingeleitet hatte. Ohne ein Ergebnis in dem Verfahren, so von Dassels Argumentation, könne er keine persönlichen Konsequenzen ziehen. Zudem wäre ein Rücktritt eine Bestätigung der Vorwürfe, die so nicht wahr seien. Und schließlich spielte auch die finanzielle Sicherheit eine Rolle: Bei einem Rücktritt verlöre er seine Versorgungsansprüche und hätte nur noch Anspruch auf Arbeitslosengeld I, erklärte der Grünen-Politiker.
Mit der nun erfolgten Abwahl sieht das anders aus: Bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2026 erhält von Dassel entsprechend dem Landesbeamtenversorgungsgesetz weiter 71,75 Prozent seines Gehalts. Danach stehen von Dassel, der als Bezirksbürgermeister knapp 10.000 Euro im Monat verdiente, knapp 4500 Euro monatlich zu.
Disziplinarverfahren gegen von Dassel läuft weiter
Das Disziplinarverfahren gegen von Dassel wird auch nach seiner Abwahl fortgesetzt, wie die Senatskanzlei der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mitteilte. Durch die Abwahl wird ein Bezirksbürgermeister nach Angaben der Senatskanzlei nicht aus dem Beamtenverhältnis entlassen, sondern laut Gesetz in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Die im Berliner Disziplinargesetz genannten Voraussetzungen für ein Disziplinarverfahren lägen bei von Dassel weiter vor.
Als Kandidatin für die Nachfolge von Dassels wird die Ex-Abgeordnete und derzeitige Bildungsstadträtin in Mitte, Stefanie Remlinger, gehandelt. Eine formale Frist, bis wann der Posten des Bezirksbürgermeisters oder der Bezirksbürgermeisterin wieder besetzt sein muss, gibt es nicht.