Berlin. Die unter Druck geratene RBB-Intendantin Patricia Schlesinger ist am Sonntagabend "mit sofortiger Wirkung" von ihrem Amt zurückgetreten. Das teilte der Sender in einer Erklärung mit. Schlesinger lege ihr Amt als Intendantin nieder und trete als Chefin des Senders zurück, hieß es darin.
Ihre Entscheidung habe Schlesinger dem Vorsitzenden des RBB-Rundfunkrates und des RBB-Verwaltungsrates, Friederike von Kirchbach und Dorette König, am Sonntag mitgeteilt. Diese hätten den Rücktritt akzeptiert. Die Leitung übernimmt ab sofort Hagen Brandstäter, der bisherige Stellvertreter Schlesingers.
Schlesinger war bereits am Donnerstag als ARD-Vorsitzende zurückgetreten. Aus der brandenburgischen Politik hatte es Rücktrittsforderungen gegen sie als RBB-Chefin gegeben. Der RBB-Personalrat hatte im Intranet seinen Unmut über den Verlauf der Aufklärung geäußert.
Patricia Schlesinger entschuldigt sich bei Mitarbeitern des RBB
Schlesinger teilte mit: "Meine Verantwortung gilt dem rbb und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Aktuell steht nicht mehr die journalistische und publizistische Leistung des Senders im Vordergrund, sondern es geht nur um mögliche und angebliche Verfehlungen der Intendantin. Das bedauere ich sehr und ich entschuldige mich bei den Beschäftigten des rbb für diese Entwicklung."
Weiter schreibt sie: "Der Rückzug ist für mich eine logische Konsequenz aus meinem Versprechen, immer und zuerst für die Belange des rbb einzutreten. Gleichzeitig haben persönliche Anwürfe und Diffamierungen ein Ausmaß angenommen, das es mir auch persönlich unmöglich macht, das Amt weiter auszuüben."
Schlesinger weiter: "Ich hoffe, dass ich mit diesem Schritt die anstehende Aufklärung der Vorwürfe erleichtere. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht unter hohem Rechtfertigungsdruck, der rbb beweist linear und non-linear jeden Tag, warum er für die Gesellschaft unverzichtbar ist. Dieser Aufgabe muss sich der rbb mit aller Kraft widmen können. Dem dürfen Vorwürfe gegen mich nicht im Wege stehen.“
In dem Schreiben an den Rundfunkrat, das der Berliner Morgenpost vorliegt, betont Schlesinger, ihr falle dieser "Schritt unendlich schwer". Sie bedanke sich von ganzem Herzen für die so gute Zusammenarbeit der vergangenen Jahre. Schlesinger war seit 2016 Intendantin des RBB.
Die Rundfunkratsvorsitzende von Kirchbach begrüßte die Entscheidung Schlesingers. Das sei "in der aktuellen Situation der richtige Schritt, weil die umfangreichen Vorwürfe nun unabhängig vom Alltagsgeschäft im RBB geklärt werden können". Von Kirchbach dankte Schlesinger für "diese weitreichende Entscheidung". Der Rundfunkrat werde sich am Montag in seiner Sondersitzung mit der neuen Situation auseinandersetzen und beraten können, wie nun die nächsten Schritte aussehen müssten.
Gehalt, Dienstwagen, Spesen: Neue Vorwürfe gegen Schlesinger
Kurz vor dieser bereits im Vorfeld anberaumten Sondersitzung hatte der Druck auf die RBB-Intendantin noch einmal zugenommen, weil neue Vorwürfe gegen Schlesinger laut geworden waren: Nach Recherchen des Online-Mediums „Business Insider“ soll Schlesinger zusätzlich zu ihrem erst kürzlich aufgestockten Gehalt von 303.000 Euro auch einen fünfstelligen Bonus erhalten haben. Das sei nach Recherchen des Mediums bei anderen ARD-Intendanten allerdings nicht üblich.
Daneben soll Schlesingers Ehemann den Dienstwagen seiner Frau plus Chauffeur für seine Geschäftstermine genutzt haben. Ebenfalls brisant: Es sei eine E-Mail im Zusammenhang mit den Abendessen, die Schlesinger auf RBB-Kosten in ihrer Privatwohnung veranstaltet hatte, aufgetaucht, aus der hervorgehe, dass die Spesenabrechnung vom RBB frisiert worden sein könnte.
Ende Juni hatte „Business Insider“ den Fall ins Rollen gebracht. Die bislang ungeklärten Vorwürfe reichen von fragwürdigen Beraterverträgen zu einem inzwischen auf Eis gelegten RBB-Bauprojekt, dem „Digitalen Medienhaus“, einer großen Gehaltserhöhung für Schlesinger auf gut 300.000 Euro bis hin zu einem zusätzlichen Boni-System. Außerdem geht es um angebliche Essen mit „Multiplikatoren“ auf RBB-Kosten in ihrer Privatwohnung und einen luxuriösen Dienstwagen, für den es einen sehr hohen Rabatt gegeben haben soll. Zudem soll der RBB-Verwaltungsratsvorsitzende Wolf-Dieter Wolf in seiner Rolle als Aufsichtsratschef der landeseigenen Messe Berlin den Ehemann von Schlesinger und ehemaligen „Spiegel“-Journalisten Gerhard Spörl mit lukrativen Berateraufträgen versorgt haben. Wolf lässt sein Amt derzeit ruhen.
Derzeit läuft die externe Untersuchung. Dafür wurde auch ein Whistleblower-System in dem Sender eingerichtet. Ergebnisse werden aber erst in einigen Wochen erwartet. Mit der Klärung der Vorwürfe wurde außerdem eine Hamburger Kanzlei beauftragt.