RBB-Intendantin Patricia Schlesinger ist nicht mehr ARD-Vorsitzende. Fragen und Antworten zu dem Vorgang.

Patricia Schlesinger, Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), gibt zwar den Vorsitz unter den ARD-Anstalten auf, an ihrem Posten beim RBB will sie aber festhalten. Für den Schritt erhält sie Unterstützung von der Regierenden Bürgermeisterin Berlins, Franziska Giffey (SPD). Einigen ist das aber nicht genug. Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Wird Patricia Schlesinger auch als RBB-Intendantin zurücktreten?

Es gibt Stimmen, die nun auch das fordern, da die Vorwürfe gegen sie ja vor allem ihre Tätigkeit als RBB-Intendantin betreffen. Ein RBB-Sprecher teilte dazu auf Morgenpost-Nachfrage mit: „Frau Schlesinger hat den ARD-Vorsitz abgegeben, weil ein mit ihrer Person und dem RBB verknüpftes Thema immer stärker auch Abläufe in der ARD berührte. Gleichzeitig hat sie bereits zum Ausdruck gebracht, dass sie es falsch fände, sich in der aktuellen Situation ihrer Verantwortung im RBB zu entziehen, deshalb konzentriert sie sich jetzt auf ihre Aufgaben hier.“

Unterstützung für diese Linie erhielt Schlesinger am Freitag auch von der Regierenden Bürgermeisterin: „Dass der RBB seinen Vorsitz innerhalb der ARD aufgegeben hat, sehe ich mit Bedauern. Es ist aber richtig, dass nun alle Kraft darauf gerichtet wird, zu einer Aufklärung der gegenüber Patricia Schlesinger erhobenen Vorwürfe beizutragen“, so Giffey gegenüber der Berliner Morgenpost. Dies sei nicht nur im Interesse des Senders und seiner Mitarbeitenden, sondern auch im Sinne all derer, die der RBB mit seinem täglichen Medienangebot erreicht.

Am Montag soll der RBB-Rundfunkrat voraussichtlich zu einer Sondersitzung zusammenkommen: Die Rundfunkratsvorsitzende Friederike von Kirchbach teilte am Freitag mit, das Gremium eingeladen zu haben. „Wegen des anhaltenden Drucks auf Intendantin Schlesinger an der RBB-Spitze auch nach dem Rückzug von der ARD-Spitze müssen wir uns darüber verständigen, ob das Vertrauen des Rats in Schlesinger als RBB-Chefin weiterhin gegeben ist“, so von Kirchbach.

Welche Folgen hat die Aufgabe des ARD-Vorsitzes für den RBB?

Der RBB verliert an Einfluss unter den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und an Gestaltungsspielraum. Schlesinger hatte zum Start im Januar dieses Jahres angekündigt, den zweijährigen ARD-Vorsitz für die Schwerpunkte Digitalisierung, Dialog und Diversität nutzen zu wollen. Innerhalb des RBB selbst waren für die Zeit des ARD-Vorsitzes auch neue Mitarbeiter zeitlich befristet angestellt worden. „Hier gilt uneingeschränkt ,Verträge sind zu erfüllen‘, wir beginnen jetzt mit allen Betroffenen Gespräche über die weitere Beschäftigung“, so der RBB-Sprecher.

Was wird Patricia Schlesinger vorgeworfen?

Es geht im Kern um die Frage, ob die Senderchefin und der Senderchefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf miteinander einen zu laxen Umgang bei der möglichen Kollision von Interessen gepflegt haben könnten. Beide wiesen Vorwürfe zurück. Derzeit läuft eine externe Untersuchung.

Das zum Konzern Axel Springer gehörende Online-Medium „Business Insider“ hatte den Fall Ende Juni ins Rollen gebracht und seither immer wieder über neue Details berichtet. Dabei spielen auch Beraterverträge für ein inzwischen erst einmal gestopptes RBB-Bauprojekt und Aufträge für Schlesingers Ehemann bei der landeseigenen Messe Berlin eine Rolle. Chefkontrolleur Wolf ist neben seiner RBB-Funktion auch Aufsichtsratschef der Messe. Diese Funktion will er im Herbst aber aufgeben.

Es gibt zudem Kritik an einer Erhöhung von Schlesingers Gehalt um 16 Prozent auf gut 300.000 Euro im Jahr sowie an der Beschaffung und Nutzung ihres Dienstwagens, für den vom Hersteller ein sehr hoher Rabatt gewährt worden sein soll. Für Unmut sorgt auch, dass Schlesinger mehrmals als RBB-Chefin Gäste in ihrer Privatwohnung empfing, die Kosten für Essen und Getränke über den beitragsfinanzierten ARD-Sender abrechnete.

Wie hat die RBB-Intendantin bislang auf die Vorwürfe reagiert?

Schlesinger versprach nach ihrem Rücktritt als ARD-Vorsitzende erneut, alle Vorwürfe aufklären zu wollen: „Die Geschäftsleitung des RBB und ich sehen unsere Hauptaufgabe jetzt darin, zur Aufklärung dieser Vorwürfe beizutragen und unser Hauptaugenmerk auf den RBB zu richten“, ließ sie mitteilen. Vor gut zwei Wochen kündigte sie zudem an, ein anonymes Whistleblower-System im RRB einzuführen. Sollte es weitere Vorwürfe geben, sollen auch die geprüft werden. Ausgerechnet Schlesinger selbst rügte gegenüber dem „Tagesspiegel“ allerdings die Weitergabe von Informationen an Journalisten: „Wir haben eine Compliance-Beauftragte, eine Revision und ein Justiziariat, wenn man etwas zum Wohle des RBB verändern will, dann kann man sich dahin wenden. Dass man rausgeht, und dann auch noch zur Springer-Presse, fand ich bemerkenswert“, sagte sie.

Welche Stimmen gibt es aus der Berliner und Brandenburger Politik?

Aus Berlin gibt es erste Rücktrittsforderungen: „Ich persönlich glaube nicht, dass sich Frau Schlesinger als Intendantin halten wird. Dazu ist der Schaden für den RBB zu groß. Das Mindeste wäre, dass sie jetzt ihr Amt ruhen lässt“, sagte der medienpolitische Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus, Alexander King. Nötig sei nun eine Aufarbeitung des Falls. Gleichzeitig müssten Schlussfolgerungen diskutiert werden, wie die Kontroll- und Aufsichtsfunktionen der Gremien so gestärkt werden können, dass sich so etwas nicht wiederhole. Er habe deshalb auch eine Befassung des Medienausschusses mit dem Thema nach der Sommerpause gefordert.

Die Sprecherin für Medienpolitik der Grünen, Gollaleh Ahmadi, sagte, es sei wichtig, dass es zu den Vorwürfen gegen Personen der RBB-Spitze eine transparente und lückenlose Aufklärung gebe. „Wir glauben an eine freie unabhängige Presse, die ihren Informationsauftrag lebt und die Menschen durch ihre Transparenz und Integrität überzeugt. Für undurchsichtige Praktiken und schädliches Verhalten haben wir weder Verständnis noch Toleranz“, so Ahmadi.

Von der SPD im Berliner Landesparlament hieß es hingegen, es sei nun wichtig, die Untersuchungen abzuwarten. Der Rücktritt vom ARD-Vorsitz sei richtig, so die Sprecherin für Medien, Melanie Kühnemann-Grunow: „Für mich gilt die Unschuldsvermutung.“ Sie halte Schlesinger für eine gute Intendantin.

Auch aus Brandenburg waren am Freitag Stimmen zu hören, die Schlesingers Rücktritt forderten: „Der RBB hat durch die öffentliche Diskussion bereits großen Schaden genommen. Wenn Patricia Schlesinger weiteren Schaden vom RBB abwenden will, dann muss nun der nächste Schritt folgen: der Rücktritt vom Amt der Intendantin“, teilte die Fraktionschefin der mitregierenden Grünen im Landtag, Petra Budke, mit. Der Fraktionschef der ebenfalls regierenden CDU, Jan Redmann, äußerte sich so: „Es steht die Frage im Raum, warum Frau Schlesinger für die ARD nicht mehr tragbar ist, für den RBB aber weiter tragbar sein soll.“

Der Brandenburger Landtag soll sich zudem erneut mit den Vorwürfen befassen. Ausschusschef Daniel Keller (SPD) sagte, dass er den Hauptausschussmitgliedern vorgeschlagen habe, am 16. August eine Sondersitzung einzuberufen.

Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) dringt auf Aufklärung. Bundesvorsitzender Frank Überall erklärte, es sei richtig, dass Schlesinger Schaden von der ARD abwende. „Ihr Rücktritt ändert nichts an der Notwendigkeit, die gegen sie erhobenen Vorwürfe lückenlos aufzuklären.“ Davon hänge auch ab, ob sie weiter an der RBB-Spitze stehen könne. „Journalistinnen und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks brauchen eine Führungsfigur an ihrer Spitze.“ Ob Schlesinger dieser Herausforderung gewachsen sei, sollte sie selbstkritisch prüfen.

Gibt es noch weitere Forderungen, um ähnliche Fälle zu vermeiden?

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi regte an, als Folge des Falls über Konsequenzen für Aufsichtsmandate nachzudenken. „Die Tatsache, dass Wolf-Dieter Wolf gleichzeitig Aufsichtsratschef der landeseigenen Messe ist und des Weiteren RBB-Verwaltungsratsvorsitzender ist, ist vollkommen inakzeptabel. Diese Konstellationen sind prädestiniert für Machtmissbrauch“, so der Landesleiter Frank Wolf. Ihm zufolge sollten RBB-Verwaltungsratschefs deshalb künftig keine weiteren Aufsichtsfunktionen und auch keine Geschäftsführungstätigkeiten wahrnehmen dürfen.