Nachtleben

KitKatClub: „Was hier passiert, ist großes Kino“

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Peter Zander
Das Häusereck des KitKat Clubs in Berlin

Das Häusereck des KitKat Clubs in Berlin

Foto: Fabian Sommer/dpa / dpa-Bildfunk

Techno, Party, Sex: Erstmals gibt ein Film Einblicke hinter die verschlossenen Türen des legendären KitKatClubs.

Berlin. Er ist ein Hotspot des Berliner Nachtlebens, der junge Stadt-Touristen aus aller Welt anlockt. Er steht für Techno. Aber vor allem für ausschweifende Partys. Und für Sex. Berühmt, verrucht, berüchtigt. Jetzt wird der KitKatClub in der Köpenicker Straße auch Stoff fürs Kino. Der österreichische Regisseur Philipp Fussenegger, selbst ein Paradiesvogel des hiesigen Nachtlebens, wird seine Geschichte erzählen.

Aber dass das keine spröde Reportage wird, dafür bürgt schon das Langfilmdebüt des 32-Jährigen, das in zwei Wochen, am 14. April, ins Kino kommt: die sehr ungewöhnliche, sehr physische Doku „I am The Tigress“. Mit Koregisseur Dino Osmanoviç hat Fussenegger die Bodybuilderin Tischa Thomas nicht nur bei ihrem harten Training begleitet, um zu den Besten ihres Fachs zu gehören. Im Film geht es auch um Identität. Und darum, wie man gesehen wird und gesehen werden will. Das passt thematisch. Denn darum wird es natürlich erst recht in „KitKatClub“ - Das ist ein Zirkus“ gehen, der im kommenden Jahr fertig werden soll.

Sein erster Besuch wurde für den Regisseur zur Erweckung

Die Idee kam fast zufällig zustande. Und ist letztlich Corona zu verdanken. Ausgerechnet. Denn wegen der Pandemie musste nicht nur das KitKat lange schließen, die gesamte Clubszene lag brach und musste unter den Corona-Beschränkungen am meisten und längsten leiden. Im Februar 2021, nach gut einem Jahr Stillstand, in dem das KitKat seine Räumlichkeiten als Corona-Testzentrum zur Verfügung stellte, hat Kirsten Krüger, die mit Simon Thaur das KitKat gegründet hat, Fussenegger ganz unvermittelt angemailt: „Hast du nicht Lust, einen Film über uns in Zeiten von Corona zu machen? War ein Gedanke...“ Man kennt einander: Er ist Stammgast in ihrem Club, sie kennt seine Filme.

Fussenegger war sofort angefixt. Aber zunächst skeptisch. Denn im Kitkat gilt eine strenge Door Policy, Kameras jeglicher Art sind strikt verboten. Das ist die Goldene Regel in dem legendären Club: Was im Kitty passiert, bleibt im Kitty. Wie soll man da einen Film drehen? Und Kirsten Krüger, die seit 27 Jahren das KitKat leitet, wollte eigentlich auch gar nicht selbst vor die Kamera treten.

Aber Fussenegger hat sie überzeugt, dass es um sie gehen muss: „Du bist das Kitty. Du musst mir vertrauen.“ Und es wird, auch das sei gleich gesagt, durchaus etwas zu sehen geben. „Es wird nicht voyeuristisch“, das ist Fussenegger ganz wichtig. „Aber natürlich wird man was sehen.“ Man solle bei den Sexpartys dabei sein und auch Einblick nehmen, wie das funktioniert. „Aber das Meiste wird im Kopf stattfinden.“ Eine hohe Kunst, die er da versuchen will.

Für Fussenegger ist das KitKat sowas wie sein zweites Wohnzimmer. Als er vor sieben Jahren das erste Mal den Club betreten hat, war das wie eine Erweckung. Damals studierte er noch an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Er war damals noch „ein gschamiger junger Mann“, wie er in seinem markigen Österreichisch sagt, einer, der sich nicht so wohl gefühlt hat in seiner Haut und für den es unvorstellbar war, sich jemals nackt in der Öffentlichkeit zu zeigen. Das hat sich durch das KitKat radikal verändert. Heute zeigt er sich auch in der Öffentlichkeit, bei Premieren oder Preisverleihungen, gern schrill geschminkt und verkleidet.

Im KitKat hat er einen Ort für sich gefunden, „wo Individualisten, zu denen ich mich auch zähle, akzeptiert werden. Und das gab’s in der Form für mich sonst nirgendwo anders.“ Immer wieder ist er dafür nach Berlin gekommen. Denn wenn man einmal im Kitty war, meint er, seien andere Partys nicht mehr so interessant.

Das KitKat hat seine persönliche Entwicklung geprägt. Vor fünf Jahren ist er dann ganz nach Berlin gezogen. Wegen des Wohnzimmers. Aber nicht nur. Sondern auch, weil die Filmakademie ihn hier 2016 mit einem First Steps Award für seinen einstündigen Diplomfilm ausgezeichnet hat, „Henry“ über einen introvertierten Schüler auf einem Musikinternat. Nach dem Studium hat er sowieso überlegt, wo er hinziehen solle. Also zog er nach Berlin. Und gründete hier seine Produktionsfirma Funfairfilms.

Sein erster Kurzfilm 2010 hieß „Zu schön um wahr zu sein“. 2016 hat Fussenegger für die geplante Comedy-Serie „Die Schilehrer“ den Pilotfilm „Geld spielt keine Rolex“ gedreht. Zwei Jahre später folgte „Bester Mann“ um einen jungen Außenseiter, der an der Schule gemobbt wird und auf der Suche nach Zugehörigkeit ist. Dann folgte „I am The Tigress“, mit dem Fussenegger sein Langfilmdebüt gibt. Außerdem hat er 2020 in Berlin das Cybrothel gegründet, das weltweit erste „Immersive Experience“ im Stil eines futuristischen Puppenbordells, bei dem der Zuschauer in einen schamfreien erotischen Erlebnisraum eintritt und mit einer Stimmschauspielerin in Live-Interaktion kommt.

Dass das KitKat, das erst seit wenigen Wochen wieder geöffnet hat, so lange geschlossen war, war schrecklich für den Wahlberliner. Wie anders, wenn man nicht mehr in sein Wohnzimmer darf? Seit der Wiedereröffnung war er schon zwei Mal wieder da und wird auch an diesem Wochenende wieder hingehen. Aber diesmal auch aus anderen Gründen. Weil er noch nach Protagonisten für seinen Film sucht.

Filmförderanstalt unterstützt das Projekt mit 100.000 Euro

Bislang hat er nur Recherche betrieben und Material gesammelt. Sein Konzept war zunächst eine Hommage an den legendären Club, wandelte sich aber zunehmend zu einem Film über „die einzigartigen Menschen, die dahinterstehen“, allen voran Kristen Krüger, „die Frau, die alles zusammenhält“. Mit ihnen hat Fussenegger bereits ausgiebig gesprochen. Produzentin ist Cordula Kablitz-Post, die einst Christoph Schlingensief bei seinen filmischen Arbeiten begleitet hat und für die Arte-Reihe „Durch die Nacht mit...“ bekannt ist. Der Film wird von der Filmförderungsanstalt mit 100.000 Euro unterstützt. Aber erst als auch das ZDF mit seiner Nachwuchssparte „Das kleine Fernsehspiel“ in das Projekt einstieg, stand die Finanzierung.

Nun sollen im Juli die Dreharbeiten beginnen. Und der Film ist für die große Leinwand gedacht. Denn: „Als Filmemacher war für mich klar: Was hier passiert, ist großes Kino“, schwärmt Fussenegger. Und er will dabei Generationen verbinden. Da sind Krüger und Thaur, die den Club 1994 gegründet haben und mit ihm im Laufe der Zeit an verschiedene Locations zogen. Da ist er selbst, der sich mit 32 Jahren schon als Mittler ansieht.

Vor allem will der Regisseur auch die jungen Menschen porträtieren, die heute hierherkommen. Und er will von freier Liebe, offener Sexualität und dem Finden ihrer Identität erzählen. Ein Thema, das Fussenegger immer umtreibt.

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