Krieg in der Ukraine

Berliner machen Zimmer frei für Flüchtlinge

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Sibylle Haberstumpf
Stefan Koch (mit Hund Snoop) aus Neukölln hat ein Zimmer in seiner Zweizimmerwohnung für Flüchtlinge eingerichtet.

Stefan Koch (mit Hund Snoop) aus Neukölln hat ein Zimmer in seiner Zweizimmerwohnung für Flüchtlinge eingerichtet.

Foto: Maurizio Gambarini / FUNKE Foto Services

Bettenbörse: Immer mehr Berliner bieten im Internet Übernachtungsmöglichkeiten für geflüchtete Ukrainer an.

Berlin. Immer mehr Flüchtlinge aus der Ukraine kommen in Berlin an, und immer größer wird auch die Hilfsbereitschaft der Berliner. Viele Menschen aus allen Teilen der Stadt bieten jetzt das an, woran es am meisten mangelt: Schlafplätze und Übernachtungsmöglichkeiten. Innerhalb weniger Tage sind im Internet und in den sozialen Medien Tausende Angebote eingestellt worden. Es sind Betten, Zimmer, ganze Wohnungen oder Ferienhäuser, die Privatleute für Geflüchtete frei machen.

Und auch über das Berliner Nachbarschaftsportal nebenan.de vernetzen sich Menschen, um Ukrainern solidarisch zur Seite zu stehen. Geschäftsführerin Ina Remmers spricht von einer „wahnsinnigen Hilfsbereitschaft“. Etliche Nutzer des Portals seien „fest entschlossen zu helfen“, würden Spenden sammeln und Unterkünfte anbieten.

Einer davon ist Stefan Koch (45) aus dem Neuköllner Schillerkiez. Er stellt ein Zimmer seiner Zweizimmerwohnung zur Verfügung. Der gelernte Sozialpädagoge hat gerade zwei Betten, Matratzen, Bettwäsche, Reisebetten und Bettkästen zu sich in den vierten Stock gewuchtet. Die Möbel wurden ihm von Nachbarn aus seinem Kiez zur Verfügung gestellt – denn das Zimmer in seiner Wohnung war vorher nur spärlich mit einem Kleiderschrank möbliert.

Ukraine-Flüchtlinge in Berlin: Betten und Matratzen in den vierten Stock geschleppt

Mit dem Auto holte Stefan Koch die geliehenen Möbel ab. Mit vereinten Kräften von Hausnachbarn und einer Freundin bugsierten sie alles durch das Altbau-Treppenhaus ohne Fahrstuhl. Drei Personen kann er nun in seinem Zimmer aufnehmen. Mit mehreren ukrainischen Familien war er in den vergangenen Tagen schon im Austausch, über Telefon oder Whatsapp. Zu einer Aufnahme sei es bisher aus ganz unterschiedlichen Gründen noch nicht gekommen, berichtet Koch. Einmal war die Familie zu groß und wollte sich nicht trennen, einmal war eine Katze dabei, was zu Problemen mit seinem Hund hätte führen können. Weitere Male brach der Kontakt ab, weil sich die Geflüchteten nicht mehr meldeten. „Ich vermute, dass sie eine andere Unterkunft gefunden haben. Und das ist ja dann auch gut so“, sagt Koch.

Er weiß, dass die Lage dynamisch und wenig überschaubar ist. Die Hauptsache sei, die Menschen kämen unter. Es sei großartig, findet Koch, dass so viele Berliner Flüchtlinge aufnehmen wollten. Der Neuköllner, der freischaffend im Catering und anderen Bereichen arbeitet, ist „sehr flexibel“, wie er selber sagt. „Vor unklaren Situationen habe ich keine Angst. Ich habe Platz und stelle ihn zur Verfügung, wenn er benötigt wird.“

Die große Zahl an erschütternden Nachrichten gingen ihm nahe, gibt Koch zu. Deshalb engagiere er sich jetzt auch. Er meint: „Bevor man tatenlos herumsitzt und nur fassungslos ist, ist es einfacher, sich mit etwas zu beschäftigen und etwas Konkretes zu tun und zu helfen.“ Andere Nachbarn, die selber keine Unterkunft anbieten könnten, hätten sich bei ihm gemeldet und ihm Hilfe angeboten: „Sie haben mir zum Beispiel ein Kinderbett angeboten. Eine weitere Nachbarin würde sich als Übersetzerin einbringen. Und noch eine andere würde kochen“, berichtet der 45-Jährige, der sich über den gemeinschaftlichen Zusammenhalt freut.

Vor möglichen Verständigungsproblemen mit ukrainischen Flüchtlingen hat Koch keine Scheu. „Man versucht es erstmal mit Englisch oder einem Übersetzungsprogramm im Internet – und ansonsten mit Händen und Füßen“, ist sein Credo. „Ich bin schon einmal mit dem Fahrrad von Köln nach Nepal gefahren, da habe ich Konversationen mit Menschen geführt, deren Sprache ich nicht mal im Ansatz verstanden habe“, erzählt er lachend. „Ich lasse die Dinge auf mich zukommen. Wenn man sich verstehen will, kann man sich auch verstehen.“ Kosten für Essen und Versorgung der Flüchtlinge würde er aus eigener Tasche zahlen, aber auch das will er auf sich zukommen lassen.



Unterkunft für Ukraine-Flüchtlinge: Für den Neuköllner ist das Thema Kosten nebensächlich

Welchen finanziellen Hintergrund die Flüchtlinge hätten, sei sehr verschieden. Es seien Menschen aus sämtlichen Bevölkerungsschichten der Ukraine auf der Flucht. Für den Neuköllner ist das Thema Kosten aber nebensächlich. „Das ist eine Lage, in der es nicht ums Geld geht.“

Inzwischen gibt es die bundesweite Bettenbörse „Unterkunft Ukraine“, bei der ein sozialer Träger mitarbeitet und in der allein für Berlin 10.000 Plätze angeboten werden. Jeder kann dort Betten anbieten und den möglichen Zeitraum – zwei Wochen sollten es mindestens sein. Ob dies auch finanziell unterstützt werden könnte, sei derzeit noch unklar. Die Bundesregierung arbeite an einer Regelung, so das Portal.