Umfrage

Berlin Trend: Grüne verlieren auch in Berlin, CDU holt auf

| Lesedauer: 10 Minuten
Joachim Fahrun

Im Berlin Trend spiegelt sich die Stimmungslage im Bund wider. Grüne nur noch knapp vor der Union, SPD kommt nicht voran.

Berlin. Der Höhenflug der Grünen in den Meinungsumfragen ist auch in Berlin gestoppt. Zwar bleibt die Öko-Partei auch im Juni in der Hauptstadt mit 22 Prozent stärkste landespolitische Kraft, muss aber im Vergleich zu Ende April Einbußen von fünf Prozentpunkte hinnehmen. Zulegen konnte wie zuletzt auch auf Bundesebene die CDU, die sich im Berlin Trend der Berliner Morgenpost und der RBB-Abendschau um drei Punkte auf 21 Prozent verbessern konnte. Für die SPD geht es dagegen nicht voran. Mit 17 Prozent bleiben die Sozialdemokraten trotz ihrer sehr bekannten Spitzenkandidatin Franziska Giffey weit hinter den eigenen Ansprüchen zurück.

FDP nähert sich auch in Berlin der Zehn-Prozent-Marke

Die Linke, neben SPD und Grünen dritter Koalitionspartner im noch regierenden rot-rot-grünen Bündnis, rutscht ab und kommt nach dem Verlust von zwei Punkten nur noch auf zwölf Prozent. Damit liegen die Linken gut drei Monate vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 26. September deutlich unter ihrem Wahlergebnis von 2016, als sie mit 15,6 Prozent knapp vor den Grünen Dritte hinter SPD und CDU wurden. Die AfD bewegt sich im Rahmen ihrer vorangegangenen Berliner Umfragewerte und legte um einen Punkt auf zehn Prozent zu. Die FDP reitet wie auch im Bund auf einer Erfolgswelle. Die Liberalen, die lange nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde rangierten, kommen nach einem weiteren Plus von zwei Punkten nun auf neun Prozent.

Die anderen Parteien sammeln zusammen mit neun Prozent einen erheblichen Teil der Wählerschaft ein. Keine davon ist aber derzeit so stark, dass sie über drei Prozent kommen und von Infratest dimap eigens ausgewiesen würde. Das Meinungsforschungsinstitut befragte für den repräsentativen Berlin Trend vom 9. bis 14. Juni 1198 wahlberechtigte Berliner per Telefon und online.

Grüne verlieren massiv bei Wählern mit niedrigerem Bildungsabschluss

Der Blick in die Feindaten offenbart eine wesentliche Ursache für die deutlichen Verluste der Grünen im Vergleich zu ihrem Höhenflug im Berlin Trend vor gut sieben Wochen. Bei den Wählerinnen und Wählern mit einem formal niedrigen Bildungsabschluss haben die Grünen massiv an Sympathien eingebüßt. Hatten seinerzeit noch 23 Prozent derjenigen mit einem Hauptschulabschluss angegeben, ihre Stimme den Grünen geben zu wollen, waren das im Juni nur noch fünf Prozent. Offenbar haben die Debatten um höhere Benzin- und Energiepreise beziehungsweise auch die Berliner Diskussion um weitere Beschränkungen für den Autoverkehr und die Forderung nach einem Rückbau der noch unvollendeten Autobahn A 100 viele Menschen in dieser Gruppe dann doch von der Öko-Partei und ihren Zielen abrücken lassen.

CDU kann bei Älteren zulegen, Grüne weit vorne bei den Jüngeren

Auch bei den Älteren über 65 Jahren verloren die Grünen mit zehn Prozentpunkten überproportional stark. Mit nur noch neun Prozent der Wählerinnen und Wähler im Rentenalter liegen sie in dieser Gruppe weit hinter der Konkurrenz von CDU und SPD. Gleichwohl bleiben sie bei den Jüngeren zwischen 18 und 39 (30 Prozent) und in der mittleren Altersgruppe zwischen 40 und 64 (24 Prozent) mit weitem Abstand stärkste Partei, ebenso bei den Menschen mit Abitur oder Studium (29 Prozent).

Die CDU legt hingegen bei Alten und Jungen überproportional zu und punktet auch bei den Berlinerinnen und Berlinern mit mittlerem Bildungsniveau. Die SPD verliert bei den Alten, gleicht dieses Minus aber mit einem Plus bei den Jungen wieder aus. Die AfD legt bei den Menschen mit niedrigem Bildungsniveau erheblich zu und erreicht in dieser Gruppe nun mit 20 Prozent den zweithöchsten Wert nach der SPD (27 Prozent).

Die R2G-Parteien sind zusammen so schlecht wie lange nicht

Das Umfrageergebnis eröffnet mehrere Regierungskonstellationen. Eine grün-rot-rote Koalition hätte mit 49 Prozent eine Mehrheit im Parlament. Gleichwohl schneiden SPD, Grüne und Linke zusammen derzeit schlechter ab als in den vergangenen Monaten, wo sie stets stabil bei 55 Prozent und mehr lagen. Aber auch eine Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP wäre mit zusammen 47 Prozent möglich, ebenso ein Bündnis aus Grünen, CDU und FDP (52 Prozent).

Drei Politiker hätten realistische Chancen, Müller zu beerben

Nach den Umfrageergebnissen des Berlin Trend vom Juni haben gut drei Monate vor der Abgeordnetenhaus-Wahl am 26. September zwei Politikerinnen und ein Politiker realistische Chancen, den Sozialdemokraten Michael Müller als Regierenden Bürgermeister zu beerben: Franziska Giffey (SPD), Bettina Jarasch (Grüne) und Kai Wegner (CDU). Ginge es allein um die Personen, dann könnte Müllers Parteifreundin Franziska Giffey damit rechnen, dessen Büro mit Blick auf den Neptunbrunnen zu übernehmen.

Mit ihrem Rücktritt als Bundesfamilienministerin hatte Giffey schon vor dem vergangene Woche verkündeten Entzug ihres Doktortitels durch die Freie Universität die politischen Konsequenzen aus ihrer nicht sauber gearbeiteten Dissertation von 2010 gezogen.

Giffey und der Doktortitel: Einige finden sie besser als vorher

Viele Wählerinnen und Wähler bewerten den Umgang Giffeys mit der Doktortitel-Geschichte aber offenbar positiv, gleichwohl ist in der von der Morgenpost und der RBB-Abendschau beauftragten Umfrage von Infratest dimap auch ein negativer Ausschlag im Ansehen der SPD-Spitzenkandidatin ablesbar. 45 Prozent äußerten sich zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit Giffeys politischer Arbeit. Damit lag die Zustimmung für sie im Umfragezeitraum 9. bis 14. Juni unter den 1178 Befragten vier Punkte höher als zuletzt Ende April.

Der Anteil derjenigen, die Giffey negativ einschätzten, stieg aber ebenfalls an, von 36 auf 40 Prozent. Offenbar scheiden sich in der Wählerschaft an der Person Giffey und ihrem Umgang mit der Doktorarbeit die Geister. Die einen rechnen ihr positiv an, wie das persönlich sehr schwierige Thema angegangen ist. Andere sehen in ihr die überführte Schummlerin und wenden sich ab.

Giffey als einzige Spitzenkandidatin fast allen Wählern bekannt

Insgesamt steht die frühere Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln vor allem wegen ihrer Bekanntheit weit vor allen anderen Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten. 85 Prozent der Befragten ist ihr Name soweit ein Begriff, dass sie sich ein Urteil über ihre Arbeit erlauben können. Dennoch schlägt Giffey bei aller Gegenliebe, die sie bei Veranstaltungen oder auf der Straße erfährt, doch auch Ablehnung entgegen.

Für eine mögliche künftige Landesmutter sieht sie sich mit einer im Vergleich zu anderen Politikerinnen und Politikern stark verbreitete negativen Einschätzung einer sehr starken Minderheit der Wähler konfrontiert. Es wird interessant sein, ob die von der SPD angestrebte Personalisierung des Wahlkampfes gegen die Grünen-Frau Jarasch und den CDU-Politiker Wegner am Ende aufgeht.

Klaus Lederer hält sich besser als als seine Partei die Linke

Vor allem in konservativen Kreisen hat der Doktortitel-Entzug sie Sympathien gekostet. Unter CDU-Anhängern büßte sie in der Zufriedenheit mit minus neun Prozentpunkten überproportional stark ein. Dafür kann sie sich aber auf die Zuneigung der SPD-Wählerschaft verlassen. Zwei Drittel (67 Prozent) sind mit Franziska Giffey zufrieden, das sind fünf Punkte mehr als noch im April. Auch im Lager der Grünen konnte sie zulegen.

Der Linken-Kultursenator Klaus Lederer ist mit seinen persönlichen Werten nicht verantwortlich zu machen für den Sinkflug seiner Partei, die sich auch in Berlin mit nur noch 12 Prozent immer mehr den „kleinen Parteien“ annähert. 30 Prozent sind mit Lederer zufrieden, immerhin 59 Prozent kennen den Linken-Spitzenmann.

Die Grüne Jarasch ist auch im eigenen Lager weitgehend unbekannt

Die Grünen hingegen, die trotz Verlusten von fünf Prozentpunkten in der Sonntagsfrage immer noch stärkste Kraft sind, holen ihre Zustimmung bisher weitgehend ohne Spitzenkandidatin. Bettina Jarasch konnte ihre Bekanntheit im Vergleich zum April zwar leicht um sechs Punkte steigern. Dennoch kennt drei Monate vor der Wahl nicht einmal jeder Dritte (29 Prozent) aller Wählerinnen und Wähler diejenige, die nach der Sonntagsfrage immer noch die besten Chancen hat, das Rote Rathaus zu erobern.

Noch nicht einmal im Lager der Grünen-Anhänger ist die engagierte Katholikin ein Pfund, mit dem die Partei wuchern könnte. Fast zwei Drittel, die ihr Kreuz bei den Grünen machen wollen, kennen die Spitzenkandidatin nicht. 19 Prozent bewerten sie positiv. Insgesamt zeigten sich nur zehn Prozent aller Befragten zufrieden oder sehr zufrieden mit der 52-Jährigen, die einst Landesvorsitzende der Grünen war und die laufende Legislaturperiode als Sprecherin für Integration und Religionspolitik der Abgeordnetenhaus-Fraktion eher eine Nebenrolle spielte.

CDU-Mann Wegner schlechter bewertet als Freidemokrat Czaja

Vor ähnlichen Problemen steht der Christdemokrat Kai Wegner. Der sitzt zwar schon seit 2005 im Bundestag und führt Berlins CDU seit mehr als zwei Jahren. Dennoch kennen nur 40 Prozent den 48 Jahre alten Spandauer, der am Wochenende beim CDU-Landesparteitag offiziell zum Spitzenkandidaten gekürt wird. Zufrieden mit Wegner sind 17 Prozent der Befragten (plus drei Punkte), aber 23 Prozent sehen den Herausforderer auch negativ.

Ganz anders steht hingegen der FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja da. Als Chef der kleinsten Oppositionsfraktion im Abgeordnetenhaus hat er es mit pointierten Aktionen und vor allem mit der Rolle des „Tegel-Retters“ in der Flughafendiskussion zu einigem Ansehen und Bekanntheit gebracht. Die Hälfe der Befragten kennt Czaja, der in Berlin die Rolle des Christian Lindner auf Bundesebene spielt und die Partei quasi im Alleingang verkörpert. 22 Prozent sind auch zufrieden mit ihm. Dass der Liberale auch polarisiert, zeigen die 28 Prozent, die wenig oder gar nichts von seiner Arbeit halten.

Die AfD-Spitzenfrau Kristin Brinker kennen mit 17 Prozent auch nur sehr wenige Wählerinnen und Wähler. Bemerkenswert: Im eigenen Lager wird sie mehrheitlich negativ eingeschätzt.