Craig van der Laan will Michael Müller mit Zahlen beeindrucken. Berlins Regierender Bürgermeister, der zur Zeit als Bundesratspräsident in Australien weilt, sitzt im 27. Stock eines Hochhauses in Sydney und hört dem Vorstandsvorsitzenden (CEO) des Großprojekts Barangaroo zu. Zehn Milliarden australische Dollar, umgerechnet etwa sieben Milliarden Euro, werden bis 2024 für das neue Stadtviertel Barangaroo ausgegeben. 3500 Apartments entstehen auf dem ehemaligen Hafengelände. Drei große Hochhäuser sind schon fertig oder fast fertig. 33.000 Menschen werden jeden Tag in das Viertel nur unweit des Opernhauses kommen, um dort zu arbeiten. Mit einer neuen U-Bahnstation. Mit einem neuen Park. Mit Wasserblick. Barangaroo - das ist das Vorzeigeprojekt, mit dem Sydney wirbt. Van der Laan hebt die "Partnerschaft" zwischen Stadt, die die Vorgaben gemacht hat, und den Investoren hervor, die den Umbau zu einem modernen Stadtviertel mit besonderes ökologischen Energie- und Wasserkonzept umsetzten. Doch Müller wird später sagen: "Das ist kein Modell für Berlin."
Denn als Jörg Franzen, Vorstandsvorsitzender der Berliner Wohnungsbaugesellschaft Gesobau, der zur Müller-Delegation gehört, nachfragt, wird der Nachteil des Großprojekts deutlich. Die Wohnungen können sich nur sehr vermögende Menschen leisten. Ein Ein-Zimmer-Apartment kostet eine Million australische Dollar. Größere Wohnungen mehr, Penthousewohnungen noch viel mehr. Und Mietwohnungen? Die gibt es gar nicht. "Das wird doch ein Ghetto für Reiche", rutscht es Franzen heraus.
In der Tat ist Sydneys neues Stadtviertel etwas für diejenigen, die Millionen Dollar bewegen und entsprechende Einkommen haben. Die Wohnungsangebote richten sich an Banker, Juristen und Unternehmensberater, deren große Firmensitze häufig gleich mit in das Viertel ziehen.
Das Barangaroo-Projekt beeindruckt Müller nicht
Die Berliner Mischung, die Idee beim Neubau 30 Prozent der Mietwohnungen für Menschen mit geringerem Einkommen zu planen, kennt man in Sydney und vor allem im Barangaroo-Projekt nicht. Immer wieder hat Müller das in Australien erlebt. Es geht häufig ums Geld. Um eine gute Verkaufe. In vielen Dingen gleicht Australien Amerika. Jeder kann und soll auch sein Glück machen - und sein Geld. Die Einkommen sind in vielen Bereichen in Australien auch um ein Drittel höher als in Deutschland. In öffentlichen Jobs nicht unbedingt. Ein Lehrer verdient im ersten Jahr 48.000 australische Dollar, etwa 32.000 Euro. Deutschlands Botschafterin in Australien, Anna Prinz, erklärt dann auch, dass das Barangaroo-Projekt nie zum Ziel hatte, als soziales Wohnbauprojekt aufgefasst zu werden. Die Macher des neuen Stadtviertels sind dagegen stolz darauf, dass sie ihre Flächen nur auf 100 Jahre an die Investoren vergeben haben und dass diese auch die Parks und die Infrastruktur mit errichten.
Michel Müller erkennt daran nichts Besonderes: "Das kann ich in Deutschland auch mit jedem Entwickler vereinbaren." Am Abend bei einer Feier im Goethe-Institut in Sydney sagt Müller dann: "Auch wenn man unterschiedliche Meinungen hat - manchmal macht es einen auf seinem Weg sicherer." Wohnungsbau à la Barangaroo kommt für Müller nicht in Frage.
Im Goethe-Institut trifft Müller übrigens noch auf einen in der Berliner Szene bekannten Mann: Sven Marquardt, Türsteher im Berghain und Künstler, hat ein Stipendium vom Goethe-Institut und fotografiert vier Wochen lang Surfer, wie sie aus den Wellen kommen. Müller ist sichtlich überrascht.
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