Rund um die Flughafenbaustelle mehren sich die Sorgen, dass der BER erst 2019 eröffnen könnte. Ein noch vom abgelösten BER-Chef Karsten Mühlenfeld in Auftrag gegebenes Gutachten der Unternehmensberatung Roland Berger kommt zu dem Schluss, dass eine Eröffnung 2018 sehr unwahrscheinlich sei, sollten nicht „weitere Maßnahmen“ auf der Baustelle ergriffen werden. Die Wahrscheinlichkeit für eine Inbetriebnahme im Sommer 2018 liege bei drei Prozent, so die Analysten. Man müsse die Organisation verbessern sowie Prozesse reorganisieren und anpassen, so die Roland-Berger-Mitarbeiter, die den Bau schon seit einiger Zeit begleiten.
Die Aussagen sind dazu angetan, die Kompetenz des von Mühlenfeld geschassten und vom Aufsichtsrat zurückbeorderten Bauleiter Jörg Marks infrage zu stellen. Denn sie listet Vorwürfe auf, die auch schon vor der Abberufung Mühlenfelds in einem anonymen Papier verbreitet wurden. Im Aufsichtsrat wurden die Einschätzungen der Berater nach Angaben von Teilnehmern bei den beiden Sondersitzungen zur Nachfolgeregelung nicht besprochen.
Kommentar: Nicht läuft rund am BER
Die Studie wird jetzt von Experten ausgewertet
Dem neuen Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup, seit Dienstag im Amt, wurde das Gutachten am Mittwochmorgen übergeben. Es sei von Mühlenfeld beauftragt und diesem am 3. März übergeben worden. Zum Inhalt wollte die neue BER-Spitze keine Stellung nehmen. „Das Gutachten wird seit heute Vormittag von den Fachleuten der FBB ausgewertet und im Anschluss daran in den Gremien diskutiert“, so Lütke Daldrup am Mittwoch. Der neue Geschäftsführer will bis zum Sommer einen Zeitplan für die bauliche Fertigstellung vorlegen. Auf dessen Grundlage soll dann ein Plan für die Inbetriebnahme erarbeitet werden. Vor allem die Abnahmen durch die Baubehörden könnten Probleme bereiten, die zu weiteren Verzögerung führen könnten, warnen Insider.
Sollte es dem neuen Flughafenchef nicht gelingen, eine Verschiebung auf 2019 zu vermeiden, drohen in der Folge weitere massive Probleme. Die Deutsche Flugsicherung versicherte zwar, an ihr werde eine BER-Eröffnung nicht scheitern. Es werde aber womöglich schwierig, ausgebildete Fluglotsen in ausreichender Zahl für den Tower des Airports bereitzustellen. Denn Fluglotsen müssen nach einer Grundausbildung von anderthalb Jahren noch einmal ebenso lange speziell für den jeweiligen Flughafen und den Luftraum geschult werden. Der Kontrollturm des BER benötigt etwa 50 Fachleute, die im Mehrschichtsystem den Flugverkehr überwachen. Zwar gibt es so viele Lotsen in den Towers von Schönefeld und Tegel, allein am TXL sind es 46. Aber von diesen gehen einige in den Ruhestand. Vor diesem Hintergrund warnte die Flugsicherung, der Vorlauf, um die Lotsen auszubilden, könnte nicht wie bisher geplant 13, sondern sogar 20 Monate betragen.
2019 haben Tegel-Anwohner Anspruch auf Schallschutz
Und auch rund um den Flughafen Tegel müsste massiv investiert werden, wenn der BER erst 2019 oder später startet oder wenn das laufende Volksbegehren die Offenhaltung von TXL erzwingt. Die Ausnahmeregelung, die den Betrieb des innerstädtischen Airports ohne den heute üblichen Schallschutz für Anwohner erlaubt, endet am 1. Januar 2019. Der Reinickendorfer SPD-Abgeordnete Jörg Stroedter rechnet mit zahlreichen Klagen von Anwohnern, die Dreifachfenster und anderen Schutz verlangen werden.

Bis zu 300.000 Menschen könnten Ansprüche anmelden. Das sind fast zehn Mal so viele wie rund um den BER. „Das kostet Milliarden“, so Stroedter. „Ich habe große Befürchtungen, dass wir das am BER nicht schaffen“, sagte der stellvertretende Fraktionschef der SPD. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner, dessen Partei nach dem Ausscheiden aus dem Senat unter die Tegel-Befürworter gegangen ist, forderte: „Sollte der BER tatsächlich erst frühestens 2020 eröffnen können, muss der Senat schnellstens die Notbremse ziehen und verstärkte Schallschutzmaßnahmen für die leidgeplagten Anwohner des Flughafens Tegel auf den Weg bringen“, so Wegner.
Lütke Daldrup selbst hat sich in der Senatskanzlei von seinem bisherigen Staatssekretärs-Job beurlauben lassen, um sofort am BER anfangen zu können, ehe sein neuer Vertrag ausgehandelt wird. Danach verzichte er auf alle Rechte als Staatssekretär, sagte Senatssprecherin Claudia Sünder. Wen der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) auf den Posten des Flughafenkoordinators beruft und wer in den Aufsichtsrat nachrückt, sei noch offen. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sagte, es sei jetzt an der Zeit, den Fach- und Sachverstand im BER-Kontrollgremium zu verstärken. „Politik kann auch Verantwortung übernehmen, wenn sie nicht glaubt, alles regeln zu können.“
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