Bürgerbegehren

Tempelhof-Aktivisten wollen den "Volksentscheid retten"

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Thomas Fülling
Kerstin Meyer und Oliver Klar (r.) werben  in Neukölln für das neue Volksbegehren

Kerstin Meyer und Oliver Klar (r.) werben in Neukölln für das neue Volksbegehren

Foto: Thomas Fülling

In Berlin hat die Unterschriftensammlung für ein neues Volksbegehren begonnen. Die Initiatoren fordern mehr direkte Demokratie.

Ob für bezahlbare Mieten, geringere Wasserpreise oder auch den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel. Volksbegehren haben in Berlin Hochkonjunktur. Am Donnerstag wurde in Neukölln unter dem markigen Slogan „Volksentscheid retten!“ eine weitere Unterschriftensammlung in der Stadt gestartet.

Änderung des Tempelhof-Gesetzes ist der Anlass

Anlass für das zunächst sehr abstrakt klingende Begehren, das maßgeblich von der Initiative „100% Tempelhofer Feld“ getragen wird, ist der Umgang der Politik mit dem erfolgreichen Volksentscheid zum einstigen Flughafengelände. Erst im Januar hatte die rot-schwarze Regierungskoalition das daraus resultierende Tempelhof-Gesetz, das jegliche Bebauung des Areals verbietet, geändert, um in Hangars Tausende Flüchtlinge unterbringen zu können. Erlaubt ist nun auch eine Bebauung von Teilbereichen, wenn auch nur mit temporären Einrichtungen wie etwa den Pavillons, , die jetzt vor den Hangars stehen.

Initiative will direkte Demokratie stärken

Die Aktivisten von „100%Tempelhofer Feld“ aber auch von anderen Initiativen wie etwa dem „Berliner Wassertisch“ sehen in dem Vorgehen der Regierungskoalition einen Angriff auf die direkte Demokratie. „Ich bin noch immer entsetzt darüber, wie sich 85 Abgeordnete einfach über den Willen von 740.000 Berliner hinweg setzen können“, sagte etwa Esther Witt während der Auftaktveranstaltung zum Volksbegehren am Donnerstagabend im Neuköllner „Heimathafen“.

Erklärtes Ziel des Volksbegehrens „Volksentscheid retten“ ist es, mit Hilfe einer Änderung der Berliner Verfassung solch ein Vorgehen zumindest zu erschweren. Vorbild dafür ist Hamburg, wo nach der Änderung von Gesetzen, die im Ergebnis eines Volksentscheids entstanden sind, ein sogenanntes „fakultatives Referendum“ vorgesehen.

„Wir wollen, dass es in Berlin nach einer Gesetzesänderung durch das Abgeordnetenhaus eine viermonatige Karenzzeit gibt“, sagte Margarete Heitmüller. Innerhalb dieser Zeit sollen Bürgerinitiativen Unterschriften dagegen sammeln und somit einen erneuten Volksentscheid erzwingen können. Das „Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie“, für das jetzt von den Tempeholf-Aktivisten Unterschriften gesammelt werden, sieht dafür eine Vorgabe von 50.000 Unterschriften vor.

Hürden für Volksbegehren sollen niedriger werden

Angestrebt wird zudem eine Senkung der Hürden. So soll ein Volksbegehren schon dann Erfolg haben, wenn es von 125.000 wahlberechtigten Berlinern unterstützt wird. Derzeit sind noch rund 170.000 Unterschriften dafür erforderlich. Das Quorum für den Volksentscheid soll gleichfalls reduziert werden. Wird ein normales Gesetz angestrebt, soll die Unterstützung durch ein Fünftel der wahlberechtigten Berliner für einen Erfolg reichen. Derzeit ist noch die Zustimmung von mindestens 25 Prozent der Abstimmungsberechtigten gefordert. Bei Volksentscheiden, die eine Änderung der Verfassung zum Ziel haben, soll das Quorum von 50 auf 35 Prozent sinken.

50.000 Unterschriften bis Ende Mai

Die Initiatoren des Volksbegehrens wollen bis Ende Mai 50.000 Unterschriften sammeln. Nur so könne der Zeitplan eingehalten, den erhofften Volskentscheid auf den Tag der nächsten Wahlen zum Bundestag im Herbst 2017 zu legen. Denn weil dieser eine Verfassungsänderung beinhaltet, werden dafür 1,25 Millionen Unterstützer benötigt. „Die Chancen dafür steigen, wenn die Abstimmung mit einer Bundestagswahl verbunden wird“, so Heitmüller.

Klaus Lederer, Landeschef der Berliner Linke, und die Grünen-Abgeordnete Susanne Kahlefeld haben in Neukölln bereits ihre politische Unterstützung zugesagt.“Das liegt ganz auf unserer Linie. Wir werden die Initiative unterstützen, wo wir können“, sagte Linke-Chef Lederer. In der Diskussion gab es aber auch andere Stimmen. Sie warnten vor allzu niedrigen Abstimmungshürden. „Bei einem Quorum von 20 Prozent würden heute in Tempelhof noch Flugzeuge fliegen“, erinnerte einer der Teilnehmer an den Volksentscheid für den Weiterbetrieb des Flughafens Tempelhof, der mit knapp 22 Prozent Zustimmung das Quorum verfehlte.