Während Wirtschaftsprüfer, Rechnungshof und Staatsanwaltschaft die Vergabepraxis des Landes Berlin für den Betrieb von Flüchtlingsheimen untersuchen, fordert das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) einen siebenstelligen Betrag von zwei privaten Heimbetreibern. Die Firmen Gierso und Pewobe sollen zahlen, weil sie nach Einschätzung des Lageso nicht das vereinbarte und bezahlte Personal in ihren Berliner Unterkünften eingesetzt haben.
Die Rückforderungen für diese nicht erbrachten Leistungen belaufen sich auf mehr als 200.000 Euro. Hinzu kommt eine Strafzahlung, die sich auf das Fünffache des Schadens beläuft. Es ist diese Pönale, die die Unternehmen nicht anerkennen. „Eine Vertragsstrafe von 500 Prozent, wie sie hier zu beanspruchen scheinen, dürfte keinerlei Bestand haben“, heißt es in einem Schreiben der Gierso-Anwälte an das Lageso, das der Berliner Morgenpost vorliegt.
Kommentar: Im Umgang mit Flüchtlingen muss sich in Berlin Vieles ändern
Firmen wehren sich gegen Strafzahlung
Allein von der Gierso, die vom Patensohn des Lageso-Präsidenten Franz Allert geleitet wird, will das Amt knapp 900.000 Euro haben – als Ausgleich für Versäumnisse in vier ihrer sechs Berliner Heime im Laufe der vergangenen 15 Monate. Im Heim an der Levetzowstraße fehlte demnach Personal im Gegenwert von 71.000 Euro, in der Klingsorstraße von 37.000 Euro, an der Staakener Straße 18.000 Euro und an der Soorstraße knapp 49.000 Euro. Plus Strafzahlung möchte das Lageso nun 874.000 Euro mit künftigen Zahlungen an die Firma verrechnen. Dagegen wehrt sich das Unternehmen. Laut einer Lageso-Sprecherin hat das Amt aber damit begonnen, die nicht umstrittenen Summen wegen nicht erbrachter Leistungen zu verrechnen.
Der Unternehmer Helmuth Penz, der Eigentümer der Pewobe, muss sich vom Lageso vorhalten lassen, Personal im Gegenwert zwischen 50.000 und 100.000 Euro nicht eingesetzt zu haben. Die genaue Zahl konnte die Pewobe am Donnerstag nicht nennen. Mit der Pönale kommen aber Forderungen von bis zu einer halben Million Euro zusammen. Penz ist überzeugt, um diese Strafe herumzukommen. „Das gibt der Vertrag nicht her“, sagte der Pewobe-Chef der Morgenpost.
Mängel bei Kontrollen aufgefallen
Noch hat die Auseinandersetzung zwischen dem Lageso und den beiden größten privaten Heimbetreibern nicht die Gerichte erreicht. Er hoffe auf eine Einigung, sagte Penz, ließ aber keinen Zweifel, dass er gegebenenfalls vor Gericht ziehen werde. Die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram ist überzeugt, dass die Vertragsstrafe berechtigt ist. Angesichts der „Unzuverlässigkeit“ mancher Betreiber müsse es einen „Anreiz geben, sich vertragskonform zu verhalten“, so die Juristin. Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle (CDU) sagte, der entsprechende Passus betreffe auch andere Betreiber und sei 2014 in neue Verträge aufgenommen worden. Bei Kontrollen seien die Mängel aufgefallen.
Das notwendige Personal für den Betrieb eines Flüchtlingsheimes wird bei der Berechnung des Tagessatzes vorgeschrieben. Dazu gehören Leiter, Sozialarbeiter, Kinderbetreuer, Hauswarte und Sicherheitspersonal. Flüchtlings-Unterstützer hatten mehrfach beklagt, dass gerade bei der Gierso und der Pewobe oft nicht ausreichend Mitarbeiter in den Heimen waren. Penz erklärte Engpässe mit den Versäumnissen einer Personal-Dienstleistungsfirma, von der man sich inzwischen aber getrennt habe. Es könne aber auch vorkommen, dass Mitarbeiter vorübergehend von einem Heim abgezogen worden seien, weil kurzfristig eine neue Notunterkunft eröffnet worden sei.