Asylpolitik

Czajas Beirat fordert kleinere Flüchtlingsheime in Berlin

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Andreas Abel

Foto: Tim Brakemeier / dpa

Sozialsenator Czaja hat ein Beratergremium ins Leben gerufen, das helfen soll, Konflikte um Flüchtlingsheime zu vermeiden. Nun gibt es ein erstes Positionspapier, welches der Morgenpost vorliegt.

Der Beirat für Zusammenhalt legt ein bemerkenswertes Tempo vor. Nicht einmal vier Wochen ist es her, dass Sozialsenator Mario Czaja (CDU) das Beratergremium vorgestellt hat. Es soll helfen, Konflikte um Flüchtlingsheime zu vermeiden und die Unterbringung von Asylbewerbern zu verbessern. Seitdem sahen sich die Beiräte – der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), die Ex-Sozialsenatorinnen Ingrid Stahmer (SPD) und Heidi Knake-Werner (Linke) sowie der frühere Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne) – in Flüchtlingsheimen um und sprachen mit Anwohnern von geplanten Containerdörfern für Asylbewerber, Vertretern von Stadtteilzentren sowie mit der Task-Force der Senatssozialverwaltung, die ständig auf der Suche nach dringend benötigten neuen Unterkünften ist. Nun legte der Beirat sein erstes Positionspapier vor, in dem er Empfehlungen für die weitere Unterbringung und Eingliederung von Flüchtlingen gab. Das Papier liegt der Berliner Morgenpost vor.

Berlin müsse sich auf einen anhaltenden Zustrom von Flüchtlingen vorbereiten und Unterbringungsmöglichkeiten in einer Größenordnung vorhalten, die dem realistisch zu erwartenden Bedarf entspricht, sagt der Beirat. Der Senat dürfe „nicht wieder in eine Situation geraten, in der unter Zeitdruck und damit notwendig auch ohne die im Normalfall wünschenswerte sorgfältige Information und Abstimmung mit den Menschen in der Nachbarschaft Wohnheime geschaffen werden müssen“, heißt es in dem Papier.

Dieses lässt sich durchaus als Kritik an die von Mario Czaja geführte Sozialverwaltung verstehen, sie habe zu spät auf die stark ansteigenden Flüchtlingszahlen reagiert. Um Asylbewerber schnell unterbringen zu können, werden nun in verschiedenen Bezirken sechs Containerdörfer mit insgesamt 2400 Plätzen errichtet. Diese Dörfer sind sehr umstritten – zum einen, weil sie bis zu 480 Plätze bieten, zum anderen, weil sich Anwohner vor vollendete Tatsachen gestellt sahen.

Seit dem Sommer kommen weit mehr als 1000 Flüchtlinge pro Monat neu nach Berlin, im Oktober und November waren es sogar mehr als 1500. Derzeit leben knapp 13.000 Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso), weitere 8000 in Wohnungen. Nach Prognosen des Landesamtes werden im Oktober kommenden Jahres mindestens 20.000 Flüchtlinge in Heimen untergebracht werden müssen, es könnten aber auch 40.000 Menschen werden. Berlin muss nach einer Vereinbarung von Bund und Ländern fünf Prozent aller Flüchtlinge aufnehmen, die nach Deutschland kommen.

Höhere Kosten in Kauf nehmen

Angesichts dieser Entwicklung, die sich mindestens seit Beginn des Jahres aufbaute, hätten die Verantwortlichen merken können, dass die bislang gefundenen Unterbringungsmöglichkeiten nicht ausreichten, heißt es unter Beiratsmitgliedern. Das Gremium plädiert zudem dafür, bei Heimen „kleinere Einheiten“ zu schaffen. Das diene sowohl dem Zusammenleben der Flüchtlinge in den Unterkünften als auch dem Zusammenleben in der Nachbarschaft und der Eingliederung in das soziale Umfeld.

„Höhere Kosten, die mit kleineren Einrichtungen zunächst verbunden sein können, sollten daher in Kauf genommen werden“, schreiben die Berater. Vor allem aber mahnt der Beirat Grundsatzentscheidungen und Beschlüsse des gesamten Senats an. Die Unterbringung von Flüchtlingen sei Aufgabe der gesamten Landesregierung. Daher sollten zunächst Grundsatzentscheidungen zur Zahl der Unterkünfte getroffen werden, die in Berlin über den aktuellen Bedarf hinaus vorsorglich bereitgehalten werden müssen. Zudem solle es ein Senatsvotum geben, Unterkünfte selbst zu bauen oder in landeseigenen Gebäuden einzurichten.

Polizei soll feste Ansprechpartner nennen

Diese Linie präferiert Senator Czaja seit Sommer dieses Jahres und hat dafür auch die Unterstützung des Senats gefunden. Zuvor wurden Flüchtlinge vorrangig in Heimen untergebracht, die privaten oder gemeinnützigen Anbietern gehören und von diesen auch betrieben werden. Grundsatzentscheidungen des Senats erwartet der Beirat auch zum Vorrang von kleineren Heimen und deren Finanzierung sowie zur Verpflichtung von städtischen Wohnungsgesellschaften, Wohnungen für Flüchtlinge bereitzustellen sowie Unterkünfte zu bauen.

Alle Teile der Verwaltung müssten die Aufgabe, Flüchtlinge angemessen unterzubringen, „engagiert unterstützen“, schreiben die Berater. Das gelte insbesondere bei der Bereitstellung von Gebäuden und Grundstücken. Es sei zwar richtig, dass leerstehende Verwaltungsgebäude oder Schulen meist nur mit großem finanziellen und zeitlichen Aufwand zu Heimen umgestaltet werden können. Containerdörfer seien der Öffentlichkeit und den Nachbarn aber weitaus schwerer zu vermitteln. Daher sollten Fachverwaltungen langfristige Planungen für begrenzte Zeiträume zugunsten der Flüchtlinge zurückstellen. Der Beirat listet zudem Empfehlungen an die Polizei auf. Angesichts der Sicherheitsbedenken von Anwohnern der Containerdörfer sollte sie feste Ansprechpartner nennen. Und im Pankower Ortsteil Buch sollte sie eine örtliche Polizeiwache einrichten. Die nächste Polizeidienststelle ist dort zwölf Kilometer entfernt.