Am Montag um 9 Uhr ist Michael Müller endgültig in seinem neuen Amt angekommen. Der am vergangenen Donnerstag zum Regierenden Bürgermeister gewählte SPD-Politiker übernahm die Geschäfte und das Dienstzimmer im Roten Rathaus von seinem Vorgänger Klaus Wowereit (SPD). Locker und charmant, wie man es aus seinen guten Tagen kennt, moderierte Wowereit den nur fünf Minuten währenden Protokolltermin. Dazu passend sein Outfit: dunkelblaues Sakko, hellblaues Hemd, oberster Knopf offen, keine Krawatte. Mit sichtlichem Vergnügen überreichte er Müller ein ganz besonderes Geschenk: ein edles marmoriertes Kästchen voller Büroklammern. „Die habe ich selbst gesammelt, weil ich ja immer so ordentlich bin“, kommentierte er.
Das hat natürlich eine Vorgeschichte. Wowereit erzählt gern, dass sein Amtsvorgänger Eberhard Diepgen ihm quasi einen besenrein geräumten Schreibtisch übergeben habe, nicht einmal eine Büroklammer habe sich dort noch befunden. Müller lachte herzlich über das Präsent und Wowereits launige Worte: „Wenn es in diesem Haus an nichts mangelt, dann an Büroklammern. Es wird alles geklammert hier.“ Einige Stifte und Kugelschreiber überließ er seinem Nachfolger ebenfalls. Und die ersten Aktenstapel und Umlaufmappen lagen natürlich auch schon auf dem dunklen Schreibtisch.
Müller berichtete, dass er sich am vergangenen Sonnabend schon ein wenig in seinem neuen Dienstzimmer umschauen konnte. Aber nur „zwei, drei Stunden“, sagte er. „Ich habe noch gar nicht alles aufgemacht und überall reingeguckt. Mal sehen, welche Geheimnisse ich noch entdecke.“ Das war das Stichwort für Wowereits nächsten kleinen Coup. Mit spitzbübischen Lächeln zog er eine Geheimschublade seines Schreibtischs auf. Was war drin? Noch mehr Büroklammern.
Die Kunst soll bleiben
Die „Deko“ des Dienstzimmers trägt auch noch die Handschrift des langjährigen Regierungschefs. Eine Reihe von Buddy-Bären steht auf einem Sideboard, ein Karussellpferd in einer Ecke. Letzteres ist ein Präsent des Schaustellerverbandes. Zwei Gemälde, Leihgaben der Berlinischen Galerie, prägen den Raum. „Drummer und Gitarrist“ von Rainer Fetting aus dem Jahr 1979, gegenüber „A“ von Martin Matschinsky (1981). Sollen die hängen bleiben? „Mal sehen“, sagte Müller bedächtig, „weiß ich noch nicht.“ Zunächst werde es aber so bleiben, schiebt er hinterher, „eigentlich gefällt es mir ganz gut“. Und schließlich, so lautet die versteckte Botschaft, gibt es Wichtigeres für den neuen Regierenden Bürgermeister als der Look seines Amtssitzes.
Müller hatte noch etliche Termine an diesem Montag, seinem ersten Arbeitstag im Roten Rathaus. Bürorunden mit Referenten und Sekretärinnen, eine Personalversammlung, schließlich eine kurze Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung an der Württembergischen Straße in Wilmersdorf. Dort übergab Müller Amtsgeschäfte und Büro an seinen Nachfolger Andreas Geisel (SPD). Anschließend mussten zwei wichtige Termine in dieser Woche vorbereitet werden: die Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses für den Hauptstadtkulturfonds am Mittwoch im Bundeskanzleramt und die Bundesratssitzung am Freitag.
Am heutigen Dienstag wird Michael Müller zum ersten Mal als Regierender Bürgermeister die Senatssitzung leiten. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem eine Änderung des Baugesetzbuches, die Verzinsung des Kapitals der Stadtreinigung und der Wasserbetriebe sowie das Gesetz zum Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG). Das Gesetz für diese bislang einmalige Institution, in der Charité und Max-Delbrück-Centrum ihre Forschungsaktivitäten bündeln, ist überfällig. Immerhin hat das BIG bis 2018 einen Etat von insgesamt mehr als 300 Millionen Euro, 90 Prozent trägt der Bund. Der Gesetzentwurf aus dem Haus der Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) führte zu einem massiven Streit mit dem ehemaligen Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD). Der wollte den Entwurf nicht mitzeichnen. Nun muss sich zeigen, ob sein Nachfolger Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) eine andere Position vertritt.
Glück und Gelassenheit
Ob er seinem Nachfolger etwas mit auf den Weg geben wolle, wurde Klaus Wowereit bei der Büroübergabe von Journalisten gefragt. Nein, sagte der bescheiden, aber er wünsche ihm viel Glück und heitere Gelassenheit. Was er selbst an diesem Tag noch vorhabe, wollte Wowereit nicht verraten. Immerhin habe er schon um 9 Uhr einen Termin gehabt, flachste er. Und dann: „Hätte ich heute auch ein bisschen später haben können.“ Eine gute halbe Stunde später verließ er das Rote Rathaus, am Steuer seines Privatwagens – untere Mittelklasse, nichts Auffälliges, nichts Luxuriöses. Auf dem Rücksitz ein kleiner Umzugskarton und ein paar Bilder. Ein Bürger Berlins, ganz privat.