Kurz vor dem Ausbildungsstart im September sind in Berlin nach Angaben der Arbeitsagenturen noch immer fast 5500 Lehrstellen unbesetzt. „Es war schon immer nicht leicht, die passenden Auszubildenden zu finden. Aber es sind jedes Jahr weniger junge Menschen auf dem Markt, die diesen Beruf erlernen möchten, weil er ein körperlich anstrengender ist“, sagt Ronald Zobel, Ausbildungsleiter beim Kreuzberger Umzugs- und Logistikunternehmen Zapf, das seit 1975 besteht. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr hat Zobel dieses Mal erst die Hälfte der zehn Ausbildungsplätze besetzen können. Ausgebildet werden bei Zapf Berufskraftfahrer, Fachkräfte fürs Lager sowie für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice. Ein hohes Maß an Lernbereitschaft, handwerkliches Geschick und gute körperliche Fitness sind zwingend nötig. 70 der 300 Zapf-Beschäftigten in Berlin sind Auszubildende. Die Mühe lohnt. Die meisten werden nach der abgeschlossenen Ausbildung auch übernommen.
Bereits im vergangenen Jahr konnten 34 Prozent der Ausbildungsbetriebe nach Angaben der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) nicht alle Lehrstellen besetzen. Dieses Jahr deuten sich ähnliche Probleme an. „Die Chancen auf einen Last-Minute-Ausbildungsplatz waren selten so gut wie in diesem Jahr“, sagt deshalb Thilo Pahl, Bildungsgeschäftsführer der IHK. Jugendliche, die noch unentschlossen sind, sollten die Last-Minute-Börse besuchen. Am 3. und 4. September (Mittwoch 11–18 Uhr, Donnerstag 10–17 Uhr) stellen sich je 42 Unternehmen in den Station-Hallen an der Luckenwalder Straße 4–6 in Kreuzberg vor und bieten offene Stellen an. Veranstaltet wird das Treffen von der IHK, der Bundesagentur für Arbeit und der Handwerkskammer. Darüber hinaus bieten die Jobcenter Arbeitgebern Hilfe bei der Suche an. Jugendlichen hilft die Berufsberatung der Arbeitsagenturen (0800-4555520) .
Tolle Chancen, die man aber nutzen muss
„Der Ausbildungsmarkt bietet tolle Chancen, man muss sie aber nutzen. Die Möglichkeiten, mit der Lehre in die Karriere zu starten, sind sehr gut“, sagt Uwe Mählmann, Sprecher der Berliner Agenturen für Arbeit. Gesucht würde noch für alle Berufe. Waren den Arbeitsagenturen bis Mitte Juli im Ausbildungsjahr 13.600 Ausbildungsstellen gemeldet worden, sind davon noch 5451 unbesetzt. Rund 7700 Bewerber hat die Arbeitsagentur registriert. Dass so viele Ausbildungsstellen noch nicht besetzt sind, liegt nach Einschätzung der IHK auch daran, dass sich mehr Schulabgänger für ein Studium entscheiden. „Haben früher zwei Drittel eine duale Ausbildung begonnen und ein Drittel studiert, haben wir jetzt das Verhältnis halb-halb“, sagt IHK-Sprecher Christian Breitkreutz.
Diese Beobachtung hat auch die Personalleiterin des Hotels „The Regent“, Ursula Gaiko, gemacht: „In den Schulen wird allen empfohlen zu studieren, sodass die Anzahl der Bewerbungen bei uns dadurch zurückgeht. Wir beobachten das seit ungefähr drei Jahren.“ Noch habe das Hotel, das seinen Sitz am Gendarmenmarkt hat, alle Ausbildungsplätze besetzen können. Allerdings mit qualitativen Abstrichen. „Wir haben den Luxus, dass wir ein Fünfsternehotel sind, aber das Problem zieht sich durch die ganze Hotellerie. Alle fischen in einem Teich“, sagt sie.
Handwerkskammer bietet große Auswahl
Auch die Handwerkskammer bietet in ihrer Lehrstellenbörse im Internet noch jede Menge freier Ausbildungsplätze an. Besonders gesucht sind Friseure, Gebäudereiniger, Anlagenmechaniker, Elektroniker, Maler und Lackierer und auch Kaufmänner und -frauen. Mehr als 500 Plätze können noch vergeben werden. „Das sind mehr als in den vergangenen Jahren. Die Betriebe melden uns, dass sie insgesamt von Jahr zu Jahr weniger Bewerbungen erhalten. Sie teilen uns auch mit, dass die Kandidaten manches Mal nicht die notwendigen Voraussetzungen mitbringen, wobei das Handwerk nicht so sehr auf Schulnoten, sondern auf Motivation und Sozialkompetenzen achtet“, sagt Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin. Da aktuell noch Ausbildungsverträge abgeschlossen und auch noch Azubis gesucht würden, könne erst zum Ende des Jahres eine Bilanz erstellt werden.Freie Plätze gebe es noch in zahlreichen attraktiven und zukunftsträchtigen Handwerksberufen: ganz gleich, ob der Bewerber gern mit Menschen zu tun habe – für den eigneten sich beispielsweise die Lebensmittelhandwerke (Fleischer, Bäcker, Konditor) oder der Friseurberuf. Andere möchten vielleicht lieber mit modernster Technik arbeiten – diesen Interessenten könne man beispielsweise den Beruf des Anlagemechanikers für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, des Gebäudereinigers oder des Elektronikers empfehlen.
Viele Betriebe monieren laut IHK, dass Bewerber weder ausbildungswillig noch -fähig seien. Schlechte Zeugnisse oder gar keinen Schulabschluss sowie lückenhafte Lebensläufe erlebte auch Ulla Engler, die als Personalleiterin der Firma Das Radhaus Zweiradmechaniker suchte. Das Potsdamer Familienunternehmen hat sieben Geschäfte. „Wir sind nicht pingelig, haben aber fünf Monate gesucht, um die drei Ausbildungsplätze zu besetzen“, sagt Engler. Und dabei habe sie noch nicht einmal wie so mancher Kollege Diktate schreiben lassen oder Rechenaufgaben gestellt. Viele Bewerber seien noch nicht einmal zum vereinbarten Termin gekommen. „Arbeitgeber suchen natürlich immer den Besten“, sagt Uwe Mählmann von der Arbeitsagentur. Sollten Unternehmen Probleme mit Jugendlichen haben, könnten sie sich jederzeit an die Arbeitsagentur wenden: „Wir bieten Stützunterricht und andere ausbildungsbegleitende Hilfen.“