Historische Dokumente

Senat will für das Archiv der DDR-Opposition nicht zahlen

| Lesedauer: 5 Minuten
Andreas Abel

Foto: Stephanie Pilick / pa/dpa

Die Dokumente des Widerstands gegen die SED sollen gesichert werden. Das kostet Geld. Berlins Senat lehnt eine Beteiligung ab. Und Roland Jahn fordert einen Standort an der einstigen Stasi-Zentrale.

Das Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft ist das größte Archiv der DDR-Opposition. Seine Bedeutung ist unumstritten, über Parteigrenzen hinweg wird betont, wie wichtig die Arbeit der Mitarbeiter für die Aufarbeitung der deutschen Geschichte ist. Bundesregierung und Senat sind sich auch einig, dass die Arbeit des Archivs dauerhaft finanziell gesichert werden soll. Nur welche Form dafür geeignet ist und vor allem, wer es bezahlt, darüber sind Bund und Land tief zerstritten.

Für eine dauerhafte Sicherung werden vor allem zwei Punkte diskutiert: eine institutionelle Förderung des Archivs statt eine Jahr für Jahr neu zu beantragende Finanzierung über Projektmittel und ein Umzug in geeignetere Räume. Seit mehr als 20 Jahren sind die Bestände an der Schliemannstraße 23 in Prenzlauer Berg untergebracht, über drei Etagen verteilt in einem Hinterhaus. Das Archiv umfasst 500 laufende Meter Akten und Dokumente, außerdem 80.000 Fotos, 5000 Videos, 400 Audiokassetten, etwa 850 Plakate und Transparente sowie 200 Originalobjekte aus der Zeit von 1945 bis 1992. Es ist die umfangreichste und bedeutendste Sammlung von Zeugnissen des Protests und des Widerstands gegen die SED-Diktatur. Der Bedeutung des Archivs entsprechen die sehr beengten Räume in keiner Weise. Dort etwa eine Ausstellung zu zeigen, ist nicht möglich. Nun wird vorgeschlagen, das Archiv auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale an der Normannenstraße in Lichtenberg anzusiedeln. Dort wird ein „Campus der Demokratie“ entwickelt.

„Nationale Bedeutung“

Der Senat hat sich nun klar positioniert, er will sich nicht an einer dauerhaften finanziellen Sicherung der Arbeit der Havemann-Gesellschaft beteiligen. In einer Mitteilung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) an das Abgeordnetenhaus heißt es: „Entsprechend der nationalen Bedeutung des Archivs wie des geplanten ,Campus der Demokratie‘ sieht das Land Berlin die Zuständigkeit beim Bund.“ Das gelte sowohl für die Errichtung des Campus als auch für die Integration des Archivs an diesem Ort. „Daher stehen für eine institutionelle Förderung der Robert-Havemann-Gesellschaft auf der Seite des Landes Berlin keine Haushaltsmittel zur Verfügung“, erklärte Wowereit.

Er informierte die Abgeordneten auch über den Stand der Verhandlungen mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Diese habe im März in einem Schreiben eine Beteiligung Berlins gefordert, was der Senat im April zurückgewiesen habe. Ende Mai schließlich habe Grütters der Einschätzung des Landes Berlin widersprochen. Sie habe darauf verwiesen, „dass es bewährte Förderpraxis in der Erinnerungspolitik sei“, die Kosten zwischen dem Bund und dem jeweiligen Bundesland aufzuteilen. Dabei zahle der Bund maximal 50 Prozent. Die Gespräche würden fortgesetzt, so Wowereit.

Grütters’ Sprecher, Hagen Philipp Wolf, stellte allerdings gegenüber der Berliner Morgenpost klar, dass die Kulturstaatsministerin keine institutionelle Förderung der Havemann-Gesellschaft und des Archivs anstrebe. Die Projektförderung über die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sei dauerhaft, auch wenn sie jedes Jahr neu beantragt werden müsse. Die Finanzierung des Archivs sei ausreichend. Für die auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD im Bund vereinbarte dauerhafte Sicherung stehe nun ein Umzug in neue Räume zur Debatte. Der „Campus der Demokratie“ sei dabei nur ein möglicher Standort. In jedem Fall erwarte der Bund, dass sich Berlin finanziell beteilige, sagte Wolf.

Jahn fordert eine langfristige Perspektive für das Archiv

Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, würde es begrüßen, das Archiv der Havemann-Gesellschaft auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale anzusiedeln. „Es stünde Berlin gut an, dem Archiv der DDR-Opposition endlich eine langfristige Perspektive zu geben und es an einem Ort dauerhaft unterzubringen, von dem aus seine wichtige Arbeit auch für die nächsten Generationen geleistet werden kann. Vielleicht gelingt es der Politik ja, im 25. Jahr nach der Friedlichen Revolution ein Zeichen für die Zukunft der Aufarbeitung zu setzen“, so Jahn.

Das bedeutende Archiv müsse in eine vernünftige Struktur überführt werden, um seiner Funktion für das Bewahren der Erinnerung und zur politischen Bildung gerecht werden zu können, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Ramona Pop. Das ehemalige Stasi-Gelände in Lichtenberg sei der geeignete Ort, das Land Berlin sollte sich an den Kosten beteiligen, so Pop. Das gelte auch für den „Campus der Demokratie“ insgesamt. Grüne und CDU haben dazu bereits Anträge ins Abgeordnetenhaus eingebracht. Die CDU fordert den Senat auf, eine landeseigene Projektgesellschaft zu gründen, um die ehemalige Stasi-Zentrale zu einem solchen Campus zu entwickeln.