Die wichtigste Info liefert die Chefin am Ende ihrer Ansprache. „Wir haben richtig gemessen“, beteuert Sigrid Nikutta, „die neuen Züge passen durch die Tunnel.“ Ein Desaster wie in Frankreich wird es für die Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) also nicht geben. Dort müssen die verantwortlichen Unternehmen an 1300 Bahnhöfen die Bahnsteige verkleinern lassen; die bestellten Züge sind 20 Zentimeter zu breit geraten.
Die neuen U-Bahnzüge der BVG sind immerhin zehn Zentimeter breiter. „Bombierung“ heißt die technische Finesse, die das möglich macht. Dabei wölben sich die Wagen in der Mitte leicht nach außen, das sieht aus wie ein leichter Bauchansatz. Der dadurch entstehende Platz soll für größere Mehrzweckbereiche genutzt werden, von dem Rollstuhlfahrer oder Passagiere mit sperrigem Gepäck profitieren. Die „Bombierung“ ist ein aufwändiges Verfahren, aber „es lohnt sich“, sagt Nikutta und hat gleich die nächste gute Nachricht parat: „Die Produktion verläuft planmäßig.“
BVG vertraut Leichtbauweise
Anfang 2015 sollen zunächst zwei Züge testweise in Betrieb genommen werden. Sie stammen aus den Werken der Stadler Pankow GmbH, die sich in einem europaweiten Vergabeverfahren durchsetzen konnte. Das Tochterunternehmen der Schweizer Stadler Rail AG baut in Berlin und Brandenburg an vier Standorten, am Dienstag wurden in Reinickendorf die Rohbauten vorgestellt. „Die U-Bahn wird in ihrer Heimatstadt gebaut und dort auch fahren – eine echte Berlinerin“, sagt Nikutta. Im nächsten Schritt werde die Zugbestandteile zur Endmontage nach Hohenschönhausen gebracht.
Wie bei den neuen Bussen des niederländischen Herstellers VDL vertraut die BVG auch bei ihren U-Bahnen auf eine energiesparende Leichtbauweise. Seit 2011 sind die Stromkosten für das landeseigene Unternehmen um knapp sechs Prozent auf 49,2 Millionen Euro gestiegen. Die neuen Züge vom Typ IK sind aus Aluminium gefertigt, ein Wagen wiegt rund drei Tonnen. Das ist zwar etwas schwerer als die Vorgängerserie HK des kanadischen Unternehmens Bombardier, Grund dafür ist aber die seit 2012 geltende verschärfte Crash-Norm EN 15227, die das Verstärken der Wagenkästen vorgibt. Zusätzlich sollen die Züge mit energiesparender Beleuchtungs- und Signaltechnik ausgestattet sein.
Mit einer Breite von 2,40 Metern gehört die Baureihe IK zum sogenannten Kleinprofil, das in Berlin auf den Linien U1 bis U4 gefahren wird. Das sind die ältesten, teilweise über 100 Jahre alten Linien, deren Tunnel damals wegen des hohen technologischen Bauaufwands sehr schmal gebaut wurden. Ein Jahr werden die ersten beiden Züge überwiegend auf der U2 eingesetzt, insgesamt sollen sie 120.000 Testkilometer herunterspulen. Ist die BVG zufrieden, kann Stadler 24 weitere Züge liefern. Gesamtvolumen: 158 Millionen Euro, finanziert vom Land Berlin. Zudem besteht eine Option auf zehn weitere Züge. Stadler beschäftigt in Berlin rund 1.000 Mitarbeiter, es ist das erste Mal, dass die BVG Kunde ist. Laut Geschäftsführer Michael Daum sichert der Auftrag rund 100 Arbeitsplätze.
Wichtiger Auftrag für Stadler
Für die BVG hat der Deal den Vorteil, dass Mängel im Testbetrieb erkannt und für die folgenden Modelle behoben werden können. Man sei sehr optimistisch, dass die Züge ein Erfolg würden, sagt eine Stadler-Sprecherin. Für Stadler ist der Auftrag auch eine Kampfansage an den in Hennigsdorf ansässigen Konkurrenten Bombardier, der in Berlin bereits zahlreiche Schienenfahrzeuge für BVG und S-Bahn produziert hat. Die BVG plant bereits die Bestellung von neuen Großprofil-Zügen, die auf den Linien U5 bis U9 fahren. Ein erfolgreiche Produktion der Kleinprofil-Wagen käme Stadler da gelegen.
Sollten die Prototypen im Alltag nicht komplett versagen, wird die BVG von der Option weiterer Fahrzeuge wohl Gebrauch machen. „Die neuen Züge werden dringen benötigt“, sagt Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb, der die Zahl der Sitzplätze aber als zu gering ansieht. 330 Fahrgäste passen in die durchgehend begehbaren U-Bahnen, 80 davon können sich hinsetzen. Macht 44 Plätze weniger gegenüber den auszumusternden Zügen der Baureihe A3L71, allerdings haben die jüngeren BVG-Fahrzeuge in etwa die gleiche Anzahl Plätze.
Probesitzen am Bahnhof Alexanderplatz
Die Sitze selbst fallen laut Igeb etwas zu hart aus, allerdings dürften diesbezüglich keine Beschwerden kommen. Am Bahnhof Alexanderplatz konnten die Berliner auf verschiedenen Varianten probesitzen und abstimmen – immerhin 15.000 machten mit. „Wir haben sehr auf Komfort geachtet“, versichert Nikutta. Ein helles, freundliches Design im Inneren werde dafür sorgen, dass der „Wohlfühlfaktor“ stimme.
Auch die Fahrer sollen es bequemer haben, sie bekommen moderne Sitze, mit denen es sich sowohl im Sitzen als auch im Stehen arbeiten lässt. Eine dunkel gestaltete Fahrerkabine soll mögliches Blenden verhindern. Bei der Lackierung setzt die BVG voll auf Gelb. Das bisherige Weiß auf dem Dach fällt weg.