Das Internationale Congress Centrum Berlin (ICC) ist seit April geschlossen, die Zukunft nach wie vor unklar. Berlin sucht einen Investor, der das Gebäude betreibt, eine Machbarkeitsstudie mit Nutzungsmodellen wurde noch nicht veröffentlicht. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) sorgte mit ihrem Vorstoß für eine Shoppingmall im ICC für Diskussionsstoff. Die Berliner Morgenpost hat drei renommierte Architekturbüros nach ihren Ideen gefragt und zum Auftakt mit der Planerin des Gebäudes, Ursulina Schüler-Witte, gesprochen. In einem sind sich alle einig: Shopping ist keine Lösung.
Berliner Morgenpost: Frau Schüler-Witte, was halten Sie von einer Shoppingmall im ICC?
Ursulina Schüler-Witte: Diese Idee ist ebenso abwegig wie die Nutzung als Landesbibliothek. Beides würde eine totale Entkernung des als Kongresszentrum konzipierten Gebäudes bedeuten und unsinnig hohe Kosten verursachen. Das ICC ist Eigentum des Landes Berlin, und das muss es auch bleiben. Zumal das Haus durchaus für die 200 Millionen Euro, die das Land einem Investor für die Sanierung zuschießen will, zu sanieren ist. Das Haus wurde äußerlich jahrelang vernachlässigt, und es werden seit Jahren überhöhte Ausgaben für die Sanierung genannt, weil die Messe das Haus abstoßen will. Dabei war das ICC immer ausgelastet und hat gut funktioniert. Es liegt in der öffentlichen Verantwortung, das ICC als Kongresscenter zu erhalten. Dazu habe ich drei Änderungsvorschläge.
Wie sehen die konkret aus?
Als Erstes würde ich das hintere Parkhaus abreißen und in den äußeren Abmessungen ein Hotel bauen. Das wäre kein Eingriff ins ICC, und das Parkhaus ist sowieso nicht ausgelastet. Wir hatten zudem ursprünglich auch ein Hotel geplant, allerdings auf der gegenüberliegenden Seite. Ein Kongresszentrum braucht ein Hotel. Damals wollte Berlin das Hotel privatwirtschaftlich finanzieren lassen, aber zu dieser Zeit fand sich kein Investor für diesen Standort, so dass die Idee dann fallen gelassen wurde. Doch eigentlich gehört ein Hotel dazu. Es hätte den Vorteil, direkt an das ICC angeschlossen zu sein, was die Kongressveranstalter immer wollten. Vom Frühstücksei in den Kongresssessel zu fallen, wurde immer als Wunsch genannt. Und das ist ein Punkt, der die Wirtschaftlichkeit des ICC enorm erhöhen würde, wie man ja auch beim Estrel deutlich sehen kann, wo sich Hotel und Kongressbetrieb ergänzen.
Und was wäre der zweite Vorschlag?
Wir haben der Messe schon vor mehreren Jahren vorgeschlagen, die völlig unnütze und seit Jahren gesperrte Vorfahrt unter der Eingangshalle sinnvoll zu nutzen. Man könnte hier mit entsprechenden Umbauten zusätzliche Ausstellungsflächen, Säle oder Räume schaffen.
Sie haben damals Unnützes geplant?
Nun, es gab seitens des Landes Berlin genaue Vorgaben. Manche waren standortbedingt, wie zum Beispiel unsere Haus-in-Haus-Konstruktion mit einer geschlossenen Hülle, die der lärmintensiven Lage nahe der Autobahn geschuldet war, oder die Form, die sich aus dem vorhandenen Grundstück ergab. Die Vorfahrt war Teil des detaillierten Raumprogrammes. Sie ist für 8000 Fahrzeuge in der halben Stunde ausgelegt und sollte bei starkem Verkehrsaufkommen durch Großveranstaltungen im Olympiastadion möglichen Rückstau auf die Autobahn verhindern. Doch die unterirdische Vorfahrt ist seit Jahren gesperrt.
Und die dritte Änderung?
Im Eingangsbereich mussten wir damals einen Riesencounter planen. Dort sollten bis zu 5000 Kongressteilnehmer ihre Unterlagen erhalten können. Das ist im digitalen Zeitalter nicht mehr erforderlich. Auch dieser große Counterbereich könnte einer anderen Nutzung zugeführt werden. Das müsste natürlich sensibel gemacht werden, wäre aber machbar. Das sind jetzt erst einmal nur drei Vorschläge, die einer erweiterten Nutzung als Kongresszentrum dienen und auch wirtschaftlich sinnvoll wären – insbesondere das Hotel. Das ICC wird seit Jahren schlechtgeredet, dabei ist und bleibt es ein wertvolles Kongressgebäude.
Was meinen Sie mit schlechtreden?
Nehmen Sie nur die angeblich dramatische Asbestverseuchung. Das ist nachweislich unwahr. Anders als beim Palast der Republik wurde beim Bau des ICC als Brandschutzummantelungsmittel erstmals kein Spritzasbest verwendet, es ist also falsch zu behaupten, dass ICC sei komplett mit Asbest verseucht. Wir haben vielmehr ein damals ganz neues Material genutzt, das Kafgo heißt.
Sie wollen doch jetzt nicht bestreiten, dass im ICC Asbest verbaut wurde?
Nein, aber eben nicht der gefährliche Spritzasbest und vor allem nicht in den Ausmaßen, wie es immer wieder falsch behauptet wird. Lediglich im Technikbereich wurde für die Platten der Ummantelung von Leitungen und Kanälen fest gebundener Asbest verwendet. Der ist aber ungefährlich, wenn man die Platten sorgsam abmontiert. Sie lassen sich völlig unproblematisch austauschen, wie man das im Übrigen ja auch bei ganz vielen anderen öffentlichen Bauten bereits gemacht hat. Solange die Platten nicht zerstört werden, besteht keine Gefahr. Es wird immer wieder gesagt, die Ummantelung der Stahlkonstruktion sei asbestverseucht. Das ist falsch. Nur will das niemand zur Kenntnis nehmen, und es wird immer wieder behauptet.
Das heißt, die Sanierungskosten sind zu hoch berechnet?
Ja, selbst, wenn man alle Platten austauschen würde, käme man nie auf die für die Asbestsanierung veranschlagten 50 Millionen Euro. Ich kann das nicht genau beziffern, aber es ist ein wesentlich geringerer Betrag dessen, was offiziell genannt wird.
Was muss denn saniert werden?
Natürlich muss die Technik fast vollständig erneuert werden. Es wird immer gesagt, das Haus sei energietechnisch sehr aufwendig, man könnte es noch etwas dämmen, aber das ist nun mal so bei einem großen Haus, das auch hohe Betriebskosten hat. Doch Sie dürfen nicht vergessen, dass diese Betriebskosten eine Geschichte haben. Als 1975 der endgültige Beschluss vorlag, das Haus zu bauen, stand fest, dass ein Kongresszentrum von den Einnahmen des Hauses die Betriebskosten nicht decken könne. Aber es wurde auch gesagt, das werde man sich leisten. Man rechnete damals mit 26 Millionen DM pro Jahr als Zuschuss neben dem, was erwirtschaftet wurde. Es wurde gesagt, das muss jeweils in die Haushalte eingestellt werden. Damals hieß es immer, dass dies kein Problem sei, weil es abgedeckt würde durch den Kaufkraftzufluss, der sich durch das ICC ergäbe. Das hat sich auch so bewahrheitet. Und es wird ja auch von der Messe gesagt, dass jährlich mehr als 100 Millionen Euro Kaufkraftzufluss dank des ICC in die Stadt fließen. Somit kann man auch nicht sagen, das Haus sei unwirtschaftlich.

Foto: Reto Klar