Mietwohnungen

Wer Räume an Touristen vermietet, riskiert hohe Strafen

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Susanne Ziegert

Foto: getty images / Getty Images/Vetta

Um die Wohnungssituation in Berlin zu verbessern, wird die Vermietung privater Ferienwohnungen stark eingeschränkt. Einige Eigentümer geraten jedoch zu Unrecht ins Visier der Behörden.

Als der Physiker Stephan la Barré in den 90er-Jahren eine alte Filzfabrik im Berliner Stadtteil Moabit bezog, war diese alles andere als ein edles Loftgebäude. Damals lief Wasser durchs Dach, es gab keine Heizung, Stahlträger lagen frei, und die einzige Toilette befand sich im Treppenhaus.

1997 kaufte er die marode Immobilie, die auch als letzter Wohnsitz der legendären Kommune 1 in die Geschichte einging. 2004 begann er mit der Vermietung eines Apartments an Touristen. „Dadurch konnten wir das Gebäude behutsam Schritt für Schritt sanieren – ohne jegliche Förderung“, sagt er.

Im Laufe der Jahre baute er die Etagen aus, renovierte auch eine alte Schmiede und vermietet heute 14 Ferienwohnungen an Gäste aus aller Welt. Stephan la Barré hat Wohnraum geschaffen. Doch wie lange er noch Touristen unterbringen darf, weiß er nicht, denn der Berliner Senat will – so wie andere Bundesländer – die Vermietung privater Ferienwohnungen stark einschränken.

Wichtiges Thema Umnutzung

Das sieht ein Gesetzentwurf zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vor, der im Herbst im Berliner Abgeordnetenhaus zur Abstimmung stehen soll. Danach ist in den Stadtteilen, wo „die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist“, eine Vermietung von Ferienwohnungen, die Nutzung für Gewerbe oder Leerstand nur mit einer Genehmigung möglich. Andernfalls drohen Geldbußen bis zu 50.000 Euro.

Damit reagiert der Senat auf die stark angestiegenen Mieten und den Zuzug in die Stadt, wo die Leerstandsquote inzwischen auf unter 2,3 Prozent gesunken ist. In München und Hamburg ist die Lage mit Quoten von 0,6 und 0,7 Prozent sogar noch viel angespannter. Als kritisch gelten laut Deutschem Mieterbund drei Prozent Reserve.

Tatsächlich tauchen immer wieder Berichte über Vermieter auf, die ihre Wohnungen ganz gezielt zu Ferienapartments umgestalten, da ihnen dies lukrativer erscheint als eine herkömmliche Vermietung. Um eine amtliche Genehmigung zu erhalten, setzen sie zunächst den Mietpreis so hoch an, dass sich gar kein Mieter erst für die Wohnung interessiert. „Unvermietbare“ Wohnungen dürfen dann umgenutzt werden.

Stress durch Lärm und Dauerpartys

Nicht nur Wohnungssuchende, auch Anwohner, Miteigentümer und Wohnungsnachbarn sind häufig gestresst – allerdings weniger wegen der hohen Preise, die man für eine Ferienwohnung verlangen kann, sondern durch nächtlichen Lärm, Dauerpartys und pöbelnde Kurzzeitmieter im Hausflur. Auch hier gelten zwar die bekannten Vorschriften für Nachtruhe und Lärmemissionen und natürlich die Hausordnung. Doch wie soll man jemandem beikommen, der übermorgen schon wieder weg ist?

Wohnungsnot und Umnutzung von Wohnraum sind im Wahlkampf zu wichtigen Themen avanciert. Die Schuld für steigende Preise wird dabei gern bei Vermietern gesucht. Fehler in der Raumplanung oder der Stadtentwicklung werden weniger gern zugegeben. Mehrere Bundesländer haben deshalb den Rechtsrahmen für die Nutzung von Wohnraum verschärft oder planen dies.

Vorreiter ist die Stadt Hamburg mit dem 1982 erlassenen Wohnraumschutzgesetz, das andere Nutzungen als dauerhaftes Wohnen ausschließt. Im Mai wurde die Regelung durch eine Novellierung noch ausgeweitet. Bereits in den vergangenen zwei Jahren haben die Bezirksämter die Auslegung verschärft. „Die Behörde schreibt Ferienwohnungsvermieter an und droht mit Zwangsgeldern, die bis zu 50.000 Euro betragen können“, berichtet der Hamburger Rechtsanwalt Bodo H. Meier von der Anwaltskanzlei Becker & Partner, der etwa zwei Dutzend Betroffene vertritt.

Anonyme Anzeigen bei Ämtern

Selbst Hamburger, die nur gelegentlich ihre Wohnung anbieten, sind ins Visier der Behörden geraten. Auf Portalen wie Airbnb, 9flats oder Wimdu stellen Privatleute Räumlichkeiten gegen Geld zur Verfügung. Die Angebote liegen im Trend der neuen Philosophie des Teilens von Besitztümern gegen Geld. Doch die rechtlichen Folgen für die „Teiler“ sind noch nicht abschätzbar: „Gastgeber, die ihren privaten Erstwohnsitz gelegentlich vermieten, fallen nicht unter das Zweckentfremdungsverbot“, sagt AirBnB-Sprecherin Lena Sönnichsen.

Doch gerade in Hamburg werden auch gelegentliche Vermieter streng von den Behörden beäugt. Meist finden Ämter die privaten oder professionellen Vermieter durch anonyme Anzeigen, die Nachbarn oder politische Aktivisten erstatten. Diese durchblättern Internetportale und melden Angebote den Behörden. So erhielt die Hamburgerin Anna A., die ihre Eigentumswohnung gelegentlich auf Internetportalen anbietet, ein Schreiben vom Amt. Vor einigen Jahren hatte sie gemeinsam mit ihrem Mann zwei Zimmer direkt gegenüber der gemieteten ebenfalls kleinen Hauptwohnung erworben, die sich über einer Musikschule befindet. Die Zweitwohnung nutzt sie selbst und bietet gelegentlich ein Zimmer im Internet an. „Ich wohne in beiden Wohnungen, die zusammen 90 Quadratmeter groß sind, doch das erkennen die Behörden nicht an“, sagt sie. Ein Beamter kam zur Ortsbesichtigung, hatte aber wenig Verständnis für die ungewöhnliche Wohnlösung. Obwohl das Hamburger Gesetz die Vermietung von Teilflächen zulässt, soll sie 3000 Euro Ordnungsgeld bezahlen und hofft, das mit einer Klage abwenden zu können.

Wohnungsproblem nicht gelöst

„Ein massiver Eingriff in die Grundrechte, das Recht auf Eigentum wird angegriffen“, kritisiert Anwalt Meier. Schließlich sei Wohnungsnot kaum durch die Bekämpfung von Ferienapartments zu lösen. Dennoch hat auch München die Vermieter von Ferienwohnungen im Visier. Im März ergänzte das Innenministerium dort das Zweckentfremdungsgesetz um die „nicht nur vorübergehende hotelähnliche Nutzung“, auch in Nordrhein-Westfalen gibt es in mehreren Städten Diskussionen um Verbote.

In Berlin sollen Ferienwohnungsvermieter nach der geplanten Verabschiedung des Gesetzes im Herbst zwei Jahre Übergangsfrist eingeräumt bekommen. „Das zieht uns wirtschaftlich den Boden unter den Füßen weg. Wir haben unter anderen Voraussetzungen in die Einrichtung und Ausstattung der Wohnungen investiert“, sagt Stephan la Barré. „Wir werden zum Sündenbock gemacht, doch damit lässt sich das Wohnungsproblem nicht lösen.“

Eine Studie der Humboldt-Universität rechnet die Zahl der Touristen-Apartments auf 7000 hoch, das sind gerade 0,4 Prozent aller Wohnungen. Gemeinsam mit anderen Anbietern hat sich Stephan la Barré in einer „Apartment Allianz“ zusammengeschlossen, um gegen das Gesetz mobilzumachen. Denn Ferienwohnungen, so seine These, seien eine Bereicherung für die Stadt.