Das Berliner Abgeordnetenhaus will ein neues Zweckentfremdungsverbot beschließen. Damit soll die Nutzung von Mietwohnungen als Touristenunterkünfte verhindert werden.
Stephan LaBarré ist einer von denen, die schuld sein sollen an der Wohnungsnot in Berlin. Doch als geldgierige Heuschrecke, die aus Profitgier Wohnraum vernichtet, sieht er sich nicht. Im Gegenteil: „Ich vermiete 14 Ferienapartments in Moabit. Bis auf zwei davon habe ich diese in maroden Gewerberäumen überhaupt erst neu geschaffen“, sagt der 51-Jährige. Das Zweckentfremdungsverbot, mit dem der Berliner Senat die ausufernde Nutzung von Mietwohnungen als Ferienapartments unterbinden will, „vernichtet die Existenzgrundlage von mir und meiner Freundin und zudem sechs Arbeitsplätze“, sagt er.
Das Zweckentfremdungsverbot, das Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) ausgearbeitet hat, soll noch vor der Sommerpause am kommenden Donnerstag vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Wer eine Wohnung an Touristen vermietet, ist demnach verpflichtet, diese innerhalb von drei Monaten dem jeweiligen Bezirksamt zu melden. Den Betreibern der Touristenunterkünfte wird dann eine Übergangsfrist von zwei Jahren eingeräumt, in denen sie die Nutzung beenden können. Das Zweckentfremdungsverbot soll eine von mehreren Maßnahmen sein, mit denen der Senat die zunehmende Wohnraumverknappung und die daraus resultierenden Mietsteigerungen eindämmen will.
Alte Filzfabrik und Schmiede ausgebaut
Stephan LaBarré vermietet seine Wohnungen seit zehn Jahren an Berlin Besucher. „Ganz legal“, wie er betont. Dafür hat er eine alte Filzfabrik in einem Hinterhof an der Stephanstraße renoviert und ausgebaut, weitere Apartments sind in einer alten Schmiede entstanden. „Und jetzt werden wir von den Politikern als Verursacher der Wohnungsmisere kriminalisiert und unserer Existenzgrundlage beraubt“, sagt er.
Ähnlich wie LaBarré sieht das auch Arnaud Bertrand. Der Franzose betreibt seit 2009 die Internetplattform „HouseTrip.com“, auf der auch LaBarré seine Wohnungen anbietet. In der Eigenwerbung des Unternehmens bezeichnet sich Bertrand als „Spezialist für kurzzeitige Vermietungen“.
Weltweit biete seine Plattform 210.000 Wohnungen an, davon rund 1200 in Berlin, sagt er. „Zum Großteil handelt es sich bei unseren Anbietern um Personen, die in Berlin ihren ersten oder zweiten Wohnsitz haben und diesen für die Zeit vermieten, in denen sie nicht in der Stadt sind“, sagt er. „Diese Wohnungen werden auch mit dem Zweckentfremdungsgesetz nicht auf den Mietenmarkt kommen, sondern in der einfach länger leer stehen und dafür vielen Menschen erhebliche finanzielle Einbußen bescheren“, so der 28-jährige. Überhaupt sei ihm unklar, warum der Senat zu diesem Mittel greife. Das ändere nichts daran, dass jährlich 40.000 Menschen neu nach Berlin ziehen und Wohnungen fehlen.“
12.000 bis 18.000 Ferienappartements in Berlin
Nach Schätzungen des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga werden in Berlin bis zu 18.000 Wohnungen als Ferienapartments vermarktet. Senator Müller beziffert ihre Zahl mit „9000 bis 12.000“. Einig sind sich Dehoga und Senator, dass die Zahlen steigen. Denn die gewerbliche Nutzung der Mietwohnungen als Ferienunterkunft ist lukrativ: Touristen zahlen etwa für eine gut eingerichtete 50-Quadratmeter-Wohnung bei rund 130 Euro pro Nacht.
Die Zahl der Ferienwohnungen in Berlin sei viel zu hoch angesetzt, setzt Bertrand dagegen. Nach Angaben der IVBP (Interessenverband Berliner Privatvermieter) liege die Anzahl bei 2500 bis 3500 Wohnungen. Bei einer Zahl von rund zwei Millionen Haushalten in Berlin entspreche das einem Anteil von 0,2 Prozent. „Dieser geringe Anteil kann keinen Einfluss auf die steigenden Mietpreise haben“, so der Portal-Betreiber.
Während Bertrand und LaBarré davon überzeugt sind, dass die meisten der bei ihnen angebotenen Wohnungen von privaten (Kleinst-)Anbietern stammen, hat die Bürgerinitiative Wilhelmstraße ganz andere Erfahrungen gemacht. Vor zwei Wochen hatten sie zur Bürgerversammlung eingeladen, um über die aktuellen Probleme in ihrer Wohnanlage zu berichten.
In einem offenen Brief an den Eigentümer der DDR-Plattenbauten, der auch auf der Internetseite des Vereins veröffentlicht ist, beklagen sie, dass die Gebäude „mit knapp 950 Wohnungen, wovon 257 Wohnungen zweckentfremdet wurden, als illegales Hotel dienen“. Ständige Partys, Lärm und Müll von Touristen seien die Folge. Die Anwohner sehen darin „Methoden zur Vertreibung der Anwohner, um die Abrisspläne“ durchzusetzen.
Solche Probleme sind LaBarré und Bertrand bekannt. „Doch dafür alle zu bestrafen, ist einfach unfair“, finden sie. Die Rücksichtnahme auf die Dauermieter des Hauses seien doch selbstverständlich. Die alte Schmiede, die LaBarré zur Vermietung anbietet, erhält schon auf der Internetseite den Hinweis: „ Diese Wohnung erlaubt keine lauten Mieter – Gebühren werden erhoben, wenn Gäste dies nicht respektieren.“
Viele Metropolen betroffen
Nicht nur in Berlin, auch in New York, Barcelona, Paris, oder Hamburg wächst der Widerstand gegen die private Vermietung von Wohnungen an Touristen, viele Städte haben rechtliche Schritte dagegen unternommen, in New York wurde ein Vermieter zu einer Geldstrafe von 2400 Dollar verurteilt.
Juliane Loehr, Sprecherin des Berliner Vermittlungsportals 9flats, sagt dass die Agentur schneller wachsen würde, wenn es solche Einschränkungen, wie sie jetzt in Berlin durchgesetzt werden, nicht geben würde. Die Existenz als Online-Marktplatz sieht sie aber nicht bedroht. 40 Mitarbeiter hat das Unternehmen mit Sitz in Berlin und Hamburg, weltweit vermietet es 94.000 Privatunterkünfte an Touristen. Wie viele davon in Berlin sind, sagt Loehr nicht. "Anders als Hotels haben wir keine Lobby."
Loehr hofft, dass die Bezirke, die das Gesetz in Verordnungen umsetzen, dies mit Augenmaß tun. "Denn Ferienwohnungen sind nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt, sondern tragen auch viel zum internationalen Flair bei", sagt sie. Bertrand und la Barré hoffen unterdessen, dass das Parlament noch Verbesserungen an dem Gesetzentwurf verlangt.
Etwa eine Bestandsgarantie, die der Senat bei anderen Zweckentfremdungen einräumt. So dürfen etwa Wohnungen weiter als Praxis oder Kanzlei genutzt werden, solange der Zweck sich nicht ändert – also auch, wenn etwa ein Anwalt die Kanzlei eines Kollegen übernimmt.