„Wir müssen bauen, dass es kracht.“ Mit dieser griffigen Losung hat Berlins Bausenator Michael Müller (SPD) die Ziele seiner künftigen Wohnungspolitik beschrieben. Im Stadtentwicklungsplan Wohnen (Step Wohnen), der noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, hat Müller 25 Neubaubereiche festgelegt, in denen großflächiger Wohnungsneubau künftig auch in der Innenstadt möglich sein soll.
Laut Müllers Berechnung könnten allein in diesen Bereichen 220.000 neue Wohnungen für die stark wachsende Berliner Bevölkerung entstehen. Während Bauverbände und Wohnungsunternehmen den im März dieses Jahres im Vorentwurf bekannt gewordenen Plan begrüßten, formiert sich nun der Widerstand gegen die „einseitige Förderung des Neubaus“, so Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV).
Gemeinsam mit dem Naturschutzbund BUND und dem Verband der Gartenfreunde Berlin fordert Wild, die „soziale und ökologische Stadtentwicklung“ nicht aus dem Blick zu verlieren. Lebensqualität und die Sicherung von Grünflächen würden auf Kosten des Neubaus nach dem derzeitigen Planungsstand missachtet, so das gemeinsame Statement.
Wohin mit den Neuberlinern?
Hintergrund der Kritik der drei Verbände ist die Überarbeitung des derzeit noch gültigen Step Wohnen, der 1999 beschlossen wurde. Dass der alte Stadtentwicklungsplan angesichts der bis 2025 prognostizierten Zunahme von rund 250.000 Einwohnern und der bereits jetzt schon angespannten Lage auf dem Mietwohnungsmarkt überfällig ist, bestreiten auch BUND, BMV und Gartenfreude nicht.
Jedoch: „Wohnungsneubau ist kein Allheilmittel, um Wohnungsprobleme zu lösen“, sagt BMV-Chef Wild. Erforderlich sei vielmehr ein wohnungspolitisches Gesamtkonzept, das der Sicherung und Schaffung bezahlbaren Wohnraumes eine zentrale Bedeutung einräumt, so der Mietervertreter.
Der Mangel an preiswerten Wohnungen werde sich schon angesichts der hohen Baukosten und des langen zeitlichen Vorlaufs, der für die Errichtung großer Wohnanlagen erforderlich ist, kurzfristig nicht beheben lassen. „Das bisherige Konzept setzt zu sehr auf Neubau für hohe Einkommen“, so seine Kritik. Fast die Hälfte der Berliner Haushalte (46,7 Prozent) verfüge jedoch lediglich über ein Haushaltsnettoeinkommen von unter 1500 Euro pro Monat.
Für den Großteil der Bevölkerung spielt Neubau keine Rolle
Die meisten Neubauwohnungen würden jedoch ohnehin als Eigentumswohnungen errichtet oder zu Mietpreisen zwischen zehn und 13 Euro angeboten. „Für einen Großteil der Bevölkerung spielt der Neubau daher gar keine Rolle“, so Wild.
Der BMV fordere daher, im Step Wohnen ebenfalls festzuschreiben, wo genau die preiswerten Wohnungen durch die kommunalen Wohnungsbauunternehmen entstehen sollen. Zudem müssten in zahlreichen Innenstadtbezirken Gebiete mit sozialer Erhaltungsverordnung ausgewiesen werden, damit die dort ansässige Bevölkerung nicht weiter durch steigende Mieten verdrängt werde.
Eine solche Verordnung bräuchten insbesondere die Bezirke Mitte (Ortsteil Moabit sowie Wedding zwischen Müller-, Lynarstraße und Nordufer), Charlottenburg-Wilmersdorf (rund um Klausenerplatz und Mierendorffplatz) sowie Tempelhof-Schöneberg (rund um den Bayerischen Platz und die Gebiete an der Grenze zu Tiergarten). „Dort werden im großen Umfang Mieter durch steigende Mieten verdrängt.“
Der BUND dagegen mahnt vor allem den Schutz von Freiflächen an. „Verantwortungsvolle Stadtentwicklungspolitik muss mehr sein, als große und wertvolle Flächen zuzubauen“, so BUND-Vorstand Andreas Faensen-Thiebes. Wer die Stadt nachhaltig verdichten wolle, müsse insbesondere über effizientere Gebäudenutzung und behutsame Nachverdichtung nachdenken.
Tempelhofer Feld frei halten
Der BUND lehne darüber hinaus die Bebauung des Tempelhofer Feldes ab. „Statt gegen einen breiten Widerstand das grüne Juwel der Freiflächen des Tempelhofer Flugfeldes zu bebauen, müssen Senat und Bezirke ihre knappen Personalressourcen auf die Entwicklung weniger sensibler Gebiete konzentrieren“, forderte Faensen-Thiebes.
Insbesondere entlang der Schienenwege gebe es noch gut erschlossene und geeignete Bauareale. Auch die Bebauung am Kurt-Schumacher-Platz nach der Schließung des Flughafen Tegels sei eine bessere Alternative.
Mehr Schutz von Kleingartenanlagen forderte Günter Landgraf, Vorstand der Berliner Gartenfreunde. „Es kann kein zukunftweisender Weg sein, Kleingärten zu vernichten oder Grünflächen für andere Zwecke in Anspruch zu nehmen“, sagte Landgraf. Wenn Berlin seinen Versorgungsgrad mit Kleingärten auf heutigem Niveau halten wolle, wäre es erforderlich, zwischen 3000 und 5000 neue Parzellen in der Stadt zu schaffen. „Bei uns stehen aktuell knapp 11.000 Bewerber um einen Kleingarten auf der Warteliste“, sagte Landgraf. Demgegenüber stünden jährlich jedoch nur 3000 bis 3400 Pächterwechsel.
In Innenstadtbezirken wie Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf gebe es Wartezeiten zwischen drei und sechs Jahren. „Der Stadtentwicklungsplan Wohnen steht zudem in eklatantem Widerspruch zu den Erklärungen der Regierungsparteien zur sozialen und städtebaulichen Bedeutung von Berliner Kleingärten vor der Abgeordnetenhauswahl 2011“, so der Verbandschef weiter.