Oldtimer

VW-Käfer feiert bei Berliner Touristen ein Comeback

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Brigitte Schmiemann

Foto: Steffen Trumpf / dpa

Stadtrundfahrten im DDR-Kultauto Trabi sind in Berlin nach wie vor sehr gefragt. Die Firma „Echte Berliner Jungs“ bietet nun auch Fahrten im VW-Käfer an. Besonders Touristen sind begeistert.

Boxer-Motoren mit dem typischen blubbernden Sound und die knalligen Farben der Käfer-Flotte sorgen seit Kurzem in der Innenstadt für Aufsehen: Nachdem Touristen Berlin bereits seit Jahren knatternd mit dem DDR-Kultauto Trabant erkunden können, ist das ab sofort auch im Käfer möglich. Es gibt eine neue Stadtrundfahrt: die Oldie-Käfer-Tour. Und damit auch eine neue Touristenattraktion, die womöglich zu Verkehrsbehinderungen in der Innenstadt führen kann.

Doch die Touristen sind begeistert: Ein Mann, der von der griechischen Insel Kreta stammt, bleibt am Dienstag beim Start des bunten Konvois an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche prompt am Straßenrand stehen. Er erinnert sich gern an die 60er-Jahre.

Damals fuhr sein Vater als einer der ersten Gastarbeiter in Deutschland auch einen Käfer: „Wir sind von Garmisch-Partenkirchen, wo mein Vater arbeitete, oft über den italienischen Fährhafen in Brindisi nach Griechenland gefahren. Ein Käfer ist alles“, sagt er in perfektem Deutsch. So wie er erinnern sich viele Menschen gern zurück an die Zeit des Wirtschaftswunders, als sie in ihrem ersten Käfer unterwegs waren.

Zu den Kindern dieser Generation gehören auch Sven (42) und Olaf Brandenburg (48) von der gleichnamigen Werbeagentur, Robert Vieweg sowie Sandra Binar (37) und ihr Partner Oliver Jesgarek (46). Sie haben die Firma „Echte Berliner Jungs GmbH“ gegründet und die „Oldie Käfer Tour“ aus der Taufe gehoben. Sie fahren mit der Lizenz von Volkswagen, denn die gewerbliche Benutzung des Wortes Käfer ist zustimmungspflichtig.

Die Idee zur Stadtrundfahrt im Oldtimer-Konvoi stammt von Oliver Jesgarek: „Meine schwangere Freundin und ich fuhren in meinem VW-Kübel-Cabrio im April vergangenen Jahres zum Badeschiff, als uns eine Kolonne mit Trabis entgegenkam. Da hab’ ich mich gefragt, warum es so etwas eigentlich nicht auch mit Käfern gibt“, erinnert sich der Zehlendorfer. Auch er fuhr schon als Kind im Käfer mit, die Mutter hatte einen. Und mit dem Führerschein am 18. Geburtstag stand zur Freude des Abiturienten der eigene Käfer 1303 in beige vor der Tür. Die Gesellschafter der Firma „Echte Berliner Jungs“ kennen sich alle noch aus ihrer Westberliner Diskozeit in den 80er-Jahren, als sie am Kudamm ins Candy gingen. Jetzt wollen sie ihr unterschiedliches Know-How für die neue Geschäftsidee einsetzen.

Idee auf dem Weg zum Badeschiff

Anderthalb Jahre dauerte es, bis Jesgarek die Flotto aus neun Käfern und einem VW-Bus in ganz Deutschland zusammengekauft hatte. Der rote Käfer Baujahr 1984 stammt aus Gatow, wo ein Paar den Wagen gekauft hatte, um sich an seine Hochzeit zu erinnern. Investiert haben die „Berliner Jungs“ rund 100.000 Euro für die Anschaffung der Wagen, Reparatur und Restaurierung. Immerhin stammen sie aus den Jahren 1969 bis 1997. Selbst die Polster wurden fachmännisch aufgearbeitet. Eine grüne Plakette für die Umweltzone haben die Firmengründer erhalten, weil die Autos geregelte Katalysatoren haben. Die Autos, die älter als 30 Jahre sind, brauchen als Oldtimer keine Plakette.

Aus ökologischer Sicht würde der Bund für Umwelt und Naturschutz zwar Stadtführungen zu Fuß oder im Bus empfehlen, das sei effizienter. „Wenn man sich jedoch die Gesamtbilanz aller Autos unter Feinstaubaspekten anschaut, fallen diese Stadtrundfahrten mit Trabis oder Käfern kaum ins Gewicht“, sagt BUND-Verkehrsreferent Martin Schlegel. Wichtiger wäre es seiner Meinung nach, mittelfristig die Umweltzone zu verschärfen, indem der Senat Elektroautos und Euro-6-Fahrzeuge fördere. Auch aus ADAC-Sicht sind die Stadtführungen in Trabis oder Käfern problemlos.

„Käfer und Trabi gehören zu unserer Geschichte“

„Bei den mehr als eine Million Autos in der Stadt können die Emissionen von neun Käfern und einem Bulli mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vernachlässigt werden“, sagte Jörg Kirst, Fachbereichsleiter für Technik und Umwelt beim ADAC. Der Club befürworte, dass einer breiten Öffentlichkeit die Nutzung kulturhistorisch bedeutsamer Fahrzeuge ermöglicht wird, weil Käfer und Trabi auf der mobilen Zeitachse für Ost und West eine wichtige Rolle gespielt haben „Sie gehören zu unserer Geschichte in beiden Teilen der Stadt“, so Kirst.

Die AG City und das Europa Center unterstützen die neue Stadtrundfahrt. So stellt das Europa Center der Flotte kostenfrei Parkplätze im Parkhaus an der Nürnberger Straße zur Verfügung. „Der Käfer als rollendes Symbol des Wirtschaftswunders passt schließlich wunderbar zum Europa Center“, sagt Center-Manager Uwe Timm. Der Check-In zur Tour befindet sich am Info-Schalter des Einkaufscenters. Schon die Ausfahrt der Kolonne aus dem Parkhaus ist ein kleines Abenteuer. Angesprungen sind die Oldies sofort. Aber bis alle Wagen auf der Nürnberger Straße stehen, dauert es. Servolenkung und Bremskraftverstärker sind Fremdworte.

Schlichte Ausstattung

Der Schaltknüppel ist viel kleiner als bei modernen Autos. Es gibt auch nur vier Gänge. Trotzdem: Das Auto fährt sich einfach, auch wenn es rustikal und schlicht ist. So befinden sich die Heizungshebel oberhalb der Handbremse, das Licht wird angeschaltet, indem der Knopf herausgezogen oder ein Kippschalter betätigt wird. Die „Oldie Käfer Tour“, bei der es per Walkie-Talkie auch eine Live-Moderation gibt, wird im Internet gebucht (www.oldie-kaefer-tour-berlin.de). 19,90 Euro kostet die Kudamm-Tour pro Person, die große West-Ost-Runde 39,90 Euro. Vorerst sollen die Fahrten freitags bis sonntags stattfinden. Es wird im Konvoi gefahren. Alle Autos sind nach Auskunft der Anbieter vollkaskoversichert mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 300 Euro.