Sie werden mit Schusswaffen, Messern oder Totschlägern bedroht, geschlagen, gewürgt und beraubt. Berlins Taxifahrer leben, nicht anders als ihre Kollegen in anderen Metropolen, mitunter gefährlich. Regelmäßige Forderungen nach geeigneten Schutzmaßnahmen gibt es seitens der Berufsvertreter schon lange.
Am Dienstag legte der Deutsche Taxiverband nochmals nach und forderte bei einer Veranstaltung in Berlin die Einführung von Überfallschutzkameras, um die Sicherheit der Fahrer zu erhöhen. Doch was in Bussen und Bahnen längst üblich ist, bleibt den Droschkenkutschern vorerst versagt. Datenschützer bezeichnen die Pläne als „weder erforderlich noch verhältnismäßig“.
Besondere Gefahr für Taxifahrer in der Nachtschicht
Durchschnittlich drei bis viermal pro Woche sind Taxifahrer in Berlin nach Schätzungen der Berufsverbände Überfällen oder versuchten Überfällen ausgesetzt. Hinzu kommen regelmäßige aber zahlenmäßig nicht zu erfassende Diebstähle oder Attacken aggressiver Fahrgäste.
Die Polizei erfasst Delikte gegen die Fahrer nicht gesondert, und auch der Berliner Taxiverband wird längst nicht über alle Vorfälle dieser Art informiert, wie der Verbandvorsitzende Detlef Freutel am Dienstag sagte. Gefährdet sind nach Angaben Freutels vor allem Frauen und generell Fahrer, die nachts unterwegs sind.
Hermanplatz für Berlins Taxen besonders gefährlich
Wie schnell ein Taxifahrer zum Opfer einer Raubtat werden kann, mussten allein in den vergangenen sechs Tagen drei Fahrer erleben. Erst am Montag schlug in Pankow ein 21-Jähriger zu. Kurz nachdem er gegen 1.30 Uhr am S-Bahnhof Buch in das Taxi eingestiegen war, würgte er den 50-jährigen Fahrer plötzlich mit einem Teleskopschlagstock und forderte die Herausgabe von Bargeld. Der Fahrer wurde leicht verletzt, der Räuber konnte kurz nach der Tat von der Polizei festgenommen werden.
Unerkannt entkommen konnte dagegen ein Fahrgast, der am Donnerstag vergangener Woche in Neukölln einen Fahrer mit einem Messer bedroht und ebenfalls Bargeld erbeutet hatte. Auch zwei Tage vorher konnte ein Räuber unerkannt entkommen, nachdem er mit einem Messer bewaffnet die Börse des Taxifahrers erbeutet hatte. In beiden Fällen waren die Täter am Hermannplatz eingestiegen, einer Ort, der unter Berliner Taxifahrern als besonders gefährlich gilt.
Deutscher Taxiverband fordert Kameras
Zum Schutz vor solchen Delikten forderte der Deutsche Taxiverband am Dienstag noch einmal vehement die Zulassung von Kameras, die im Inneren des Wagens alle 15 Sekunden ein Bild aufnehmen. Wie Verbandchef Michael Müller in Berlin mitteilte, sei man selbstverständlich bereit, alle Maßnahmen zu ergreifen, um einen Missbrauch der Bilder oder einen unangemessenen Eingriff in die Rechte der Fahrgäste zu verhindern. Taxis mit einer im Inneren installierten Kamera würden selbstverständlich gekennzeichnet, man habe nicht vor, den Fahrgast darüber im Unklaren zu lassen, sagte Müller. Zudem sollten die Bilder maximal 48 Stunden lang gespeichert und nur durch „Befugte“ nach einer Anzeige bei der Polizei ausgewertet werden.
Datenschützer sind jedoch strikt gegen die Einführung solcher Kameras. Der sogenannte Düsseldorfer Kreis, ein Zusammenschluss der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, hat bei einem Treffen im Februar dieses Jahre festgelegt, dass lediglich Aufnahmen in einer Notsituation des Fahrers erlaubt sein dürfen.
Für zulässig halten sie ein Kamerasystem, das ein einzelnes Foto eines Fahrgastes beim Einsteigen macht und ansonsten nur in einer konkreten Bedrohungssituation vom Fahrer manuell aktiviert wird. Ganze Bilderserien lehnen die Datenschutzbeauftragten als überzogen ab.
Erfolgreicher Kamera-Versuch in Bremer Taxen
Diese Auffassung kritisieren wiederum die Taxi-Verbände und Fahrer gleichermaßen. „In 75 Prozent aller Fälle erfolgt eine Attacke so überraschend, dass eine Reaktion des Fahrers gar nicht mehr möglich ist“, monierte Verbandschef Müller. Um seiner Forderung nach Zulassung der Unfallschutzkameras für Serienbilder zu untermauern, verwies er auf einen Feldversuch, der 2010 in Bremen mit 470 Fahrzeugen durchgeführt wurde. Dabei sei die Zahl der bekannt gewordenen Überfälle drastisch gesunken, von vorher 50 pro Jahr auf nahezu Null, sagte Müller. zudem habe eine gleichzeitig laufende Befragung von Fahrgästen ergeben, dass 96 Prozent von ihnen die Maßnahme begrüßten.
Kritiker von Überwachungsmaßnahmen aller Art argumentieren gern, dass Überwachungsbilder zwar bei der Aufklärung einer Straftat helfen können, sie allerdings in der Regel nicht verhindern. Detlef Freutel ist da anderer Meinung. „Das Wissen um das größere Risiko, erkannt und überführt zu werden, dürfte auf viele Täter durchaus eine abschreckende Wirkung haben“, ist der Chef des Berliner Taxiverbandes überzeugt. Er würde die Einführung der Kameras in den Fahrzeugen daher sehr begrüßen, wie er am Dienstag weiter sagte.
„Viele Kollegen meiden nachts bestimmte Gegenden“
Freutel kennt die Situation der Berliner Fahrer aus eigener, 20 Jahre langer Erfahrung. „Die Kollegen leben täglich mit dem Risiko. „Viele Fahrer meiden vor allem nachts bestimmte Gegenden ganz oder nehmen bestimmte Personen gar nicht erst mit“, berichtete Freutel.
Auch andere Sicherheitsvorkehrungen sind dem Verbandschef bekannt. So verzichten viele Fahrer, insbesondere Frauen, darauf, sich anzuschnallen, nachdem ein Fahrgast eingestiegen ist. So besteht für sie eher die Möglichkeit, bei einem Überfall oder einer Bedrohung flüchten zu können. Solche in Eigeninitiative ergriffenen Maßnahmen bergen für die Droschkenkutscher aber zugleich ein anderes Problem. Fahren ohne Gurt wird mit Geldbußen und Punkten geahndet. Und zu viele Punkte können einem Berufskraftfahrer die Existenz kosten.
Detlef Freutel sieht beim Thema Kameras durchaus noch Steigerungspotenzial über das Überfallrisiko hinaus. Auch Kameras für Außenaufnahmen wären für ihn eine Möglichkeit. Die könnten den Fahrern auch bei der Vielzahl von Unfällen, in denen Taxis alljährlich verwickelt sind, weiterhelfen. Gerade Taxifahrer sind aufgrund ihrer Beweispflicht oft im Nachteil, wenn es um die Klärung der Schuldfrage geht. Das sieht offenbar auch der Versicherungskonzern Signal Iduna so, bei dem 50 Prozent aller in Deutschland zugelassenen Taxis versichert sind. Das Unternehmen stellte bereits eine Reduzierung der Prämie in Aussicht – aber nur für Fahrzeuge, die mit solchen Kameras ausgestattet sind.