Obwohl in Berlin 110 Stellen unbesetzt sind, findet Martin Meinhold keinen Job als Sportlehrer. Als Quereinsteiger hat er keine Chance.
Martin Meinhold hat ein Ziel – er möchte an einer Berliner Grundschule als Sportlehrer arbeiten. Doch das scheint aussichtslos. Dabei fehlen an vielen Schulen Lehrer. Neben Fachkräften für Mathematik und Physik werden auch Sportlehrer händeringend gesucht. Doch Meinhold ist kein ausgebildeter Pädagoge. Er hat Sportwissenschaft studiert, kein zweites Fach. Ein Quereinstieg mit berufsbegleitendem Referendariat kommt für ihn deshalb nicht infrage. So steht es im Lehrerbildungsgesetz, auf das sich die Verwaltung in seinem Fall beruft.
Dabei ist fraglich, ob diese Verfahrensweise angesichts des zunehmenden Lehrermangels beibehalten werden kann. In den kommenden Jahren gehen republikweit Tausende Pädagogen in den wohlverdienten Ruhestand, so auch in Berlin. Wie eng es auf dem Lehrermarkt der Hauptstadt jetzt schon ist, haben die gerade zu Ende gegangenen zentralen Einstellungsverfahren gezeigt. Paul Schuknecht von der Vereinigung der Berliner Schulleiter warnt bereits davor, dass nicht genügend Lehrer da sind. Von 290 Stellen, die die Schulen als Bedarf angemeldet hatten, seien 110 Stellen unbesetzt geblieben. Die Hälfte der Bewerber sei gar nicht erst zum Einstellungsgespräch erschienen.
CDU will Lehrer wieder verbeamten
Der Landesvorstand der CDU will Abhilfe schaffen. Mitte Januar wurde beschlossen, die Lehrerverbeamtung in Berlin wieder einzuführen. Auf diese Weise würde ein dringend benötigter Lehrerfrieden erreicht, heißt es. Außerdem würde der Wettbewerbsnachteil der Hauptstadt gegenüber anderen Bundesländern, die Lehrer verbeamten, dadurch ausgeglichen werden.
Beim Koalitionspartner SPD beißt die Berliner CDU mit ihrer Forderung allerdings auf Granit. „Dazu brauchen wir nichts zu sagen, das haben wir im Koalitionsvertrag ausgeschlossen“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. Auch Bildungssenatorin Sandra Scheeres, SPD-Fraktionschef Raed Saleh und SPD-Parteichef Jan Stöß verwiesen auf den Koalitionsvertrag. „Ich erwarte Koalitionstreue“, sagte Saleh knapp.
Als Vertretungslehrer sehr beliebt
Martin Meinhold will indes nicht aufgeben. „Während meiner Arbeit als Vertretungslehrer habe ich gemerkt, dass ich zum Pädagogen berufen bin. Ich kann mir keine andere Tätigkeit mehr vorstellen“, sagt der 36-Jährige. Auch sämtliche Schulleiter und Eltern, mit denen er während seiner Zeit als Vertretungslehrer zusammengearbeitet hat, waren zufrieden. „An allen Schulen, in denen ich ausgeholfen habe, hätte man mich am liebsten sofort fest eingestellt“, sagt Meinhold.
Sigrid Schubart-Mirrafati, Elternvertreterin einer sechsten Klasse, in der Meinhold für einige Wochen die Klassenleitung übernommen hatte, äußert sich begeistert: „Ich konnte mich als Elternvertreterin davon überzeugen, welche Wandlung bei den Kindern im Laufe der wenigen Monate durch das Auftreten von Herrn Meinhold vor sich ging. Die häufig als schwierig beurteilten Schüler gingen mit neuer Freude in den Sportunterricht und freuten sich auf die Teilungsstunden.“
Für Meinhold sind solche Einschätzungen wichtig. Helfen konnten sie ihm bisher aber nicht. Wegen seines Alters, aber auch weil er Familie habe, könne er nicht noch ein zweites Mal studieren, sagt er. Und hofft stattdessen, dass es doch noch einen anderen Weg gibt, als Lehrer angestellt zu werden. Deshalb bleibt er dran. Seine Hartnäckigkeit begründet er so: „Als Vertretungslehrer war ich gut genug, durfte nicht nur Sport, sondern auch viele andere Fächer unterrichten und sogar als stellvertretender Klassenlehrer arbeiten.“ In den vergangenen drei Jahren habe er mit 28 Unterrichtswochenstunden die pädagogischen, didaktischen und diagnostischen Kompetenzen für den Umgang mit Schülern erworben und sich bewährt. Das müsse einfach berücksichtigt werden.
Sport zu beliebtes Fach?
Beate Stoffers, Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), betont indes, dass ein Quereinstieg für Meinhold auch deshalb nicht infrage kommt, weil es genug Laufbahnbewerber im Fach Sport gebe. Für 22 freie Stellen stünden 169 ausgebildete Sportlehrer zur Verfügung, sagt sie.
Viele Elternvertreter verblüfft diese Rechnung. Frauke de Vries zum Beispiel. Sie ist Gesamtelternsprecherin der Grundschule am Windmühlenberg in Spandau. „An unserer Schule fehlt seit Ende des vergangenen Schuljahres ein zweiter Sportlehrer“, sagt sie. Fünf weitere Grundschulen im Bezirk würden ebenfalls einen Sportlehrer suchen.
Was Martin Meinhold bei der ganzen Sache am meisten ärgert, ist die Tatsache, dass der Senat Vertretungskräfte wie ihn für eine bestimmte Zeit als kompetent betrachtet. „Wenn nichts mehr geht und Not am Mann ist, greift man gern auf uns zurück“, sagt er. Würden sie dann aber darauf drängen, langfristig in den Schuldienst übernommen zu werden, „erkennt uns der Senat trotz oft jahrelanger praktischer Erfahrung und Bewährung im Schuldienst plötzlich die pädagogische Kompetenz ab“. Meinhold fordert, die Hürden für Quereinsteiger zu senken. „Gute Lehrer werden gebraucht“, sagt er.
Junge Lehrer verlassen Berlin
Dass Berlin für junge Lehrer längst nicht mehr so attraktiv ist wie noch vor einigen Jahren, hat auch damit zu tun, dass in der Hauptstadt seit 2003 Lehrer nicht mehr verbeamtet werden. Viele Pädagogen wandern deshalb in andere Bundesländer wie Hamburg oder Bayern ab. Als Beamte verdienen sie dort mehr Geld und sind auch sozial deutlich besser abgesichert. Die angestellten Lehrer wollen die Ungleichbehandlung nicht länger hinnehmen. Rund 2000 haben sich deshalb in der Initiative Bildet Berlin organisiert, die mit Aktionen auf die Missstände aufmerksam macht und bessere Arbeitsbedingungen für angestellte Lehrer fordert.