In Berlin und anderen stark wachsenden Metropolen haben Mieter mit kleinem Einkommen nur eine geringe Chance, eine preisgünstige Wohnung innerhalb des S-Bahn-Ringes zu finden. Die SPD hat deshalb angekündigt, im Falle eines Sieges bei der Bundestagswahl den Anstieg der Mietpreise zu deckeln.
Neumieten sollen demnach nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, bei Bestandsmieten sollen Mieterhöhungen auf 15 Prozent in vier Jahren begrenzt werden. Außerdem sollen Vermieter pro Jahr nur noch neun Prozent der Sanierungskosten umlegen dürfen.
Dirk Wohltorf, Vorsitzender des Immobilienverbandes Deutschland (IVD) für Berlin und Brandenburg, ist skeptisch.
Berliner Morgenpost:
Herr Wohltorf, Ihr Verband hat jüngst ermittelt, dass die Neumieten im Jahr 2012 in Berlin durchschnittlich um acht Prozent zugelegt haben. In Innenstadtlagen waren es sogar bis zu 14 Prozent. Besteht da nicht Handlungsbedarf?
Dirk Wohltorf:
Es ist richtig, dass die starke Nachfrage nach Wohnungen in bestimmten Lagen dazu führt, dass die Mieten dort steigen. Je stärker die Nachfrage nach Wohnungen und je geringer das Angebot, desto höher die Preissteigerung. Der IVD hat in seinem Preisservice von Oktober 2012 aber auch ermittelt, dass die Mieten bei weitem nicht in allen Lagen der Hauptstadt stark steigen. Es ist auch nicht so, dass es in den Metropolregionen und Städten gar keine verfügbaren Wohnungen mehr gibt, wie häufig dargestellt wird.
Wohnungssuchende erleben das anders…
Es ist zwar zutreffend, dass der Leerstand bei Wohnungen in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist. Es sind nicht an jedem Standort Wohnungen verfügbar. In Prenzlauer Berg, im Bergmannkiez, in der Luisenstadt, im Scheunenviertel, am Savignyplatz, in den Kudamm-Seitenstraßen gibt es quasi keinen Leerstand. Hier liegt der Leerstand unterhalb der eigentlich erforderlichen Umzugsreserve von 1,5 Prozent der Wohnungen. Im Märkischen Viertel, in der Gropiusstadt, im südlichen Neukölln, in Spandau, im nördlichen Hellersdorf, in Teilen von Lichtenberg, in Marzahn, in Teilen von Reinickendorf und in den äußeren Bereichen von Weißensee sind dagegen ausreichend Wohnungen vorhanden. Und das durchaus zu Mieten unter fünf Euro netto kalt.
Also müssen Geringverdiener bereit sein, umzuziehen?
Das ist ja genau die Frage, auf die das SPD-Positionspapier keine Antwort gibt. Hat ein Mieter das Anrecht, in einem bestimmten Kiez wohnen zu können und wenn ja, zu welchem Preis? In der Realität sieht es so aus, dass es keine Frage der Miethöhe ist, ob eine Wohnung verfügbar ist oder nicht. Stattdessen sind an den besonders stark nachgefragten Standorten weder günstige noch teure Wohnungen verfügbar.
Das ist aber keine Antwort auf die Frage.
Natürlich ist die soziale Mischung in den Kiezen ein wichtiges Thema in Berlin. Und ich bin auch der Meinung, dass der Staat gefordert ist, diese zu erhalten. Dies gelingt aber am besten durch die gezielte Unterstützung der Menschen, die sich am Markt nicht ohne Hilfe mit Wohnraum versorgen können, etwa durch Wohngeld und Heizkostenzuschuss.
Was ist denn so verkehrt an der Forderung, die Mieten zu deckeln?
Weil gesetzliche Eingriffe bei der Miethöhe ja nicht dafür sorgen, dass das knappe Angebot an Wohnraum vergrößert wird. Da führen marktverzerrende Eingriffe zu Zuständen die die West-Berliner noch aus den 70er und 80er Jahren kennen, die damals zu einem regelrechten Wohnungsschwarzmarkt geführt haben. Wir warnen vor hohen Abstandszahlungen für angebliche Einbauten und Verbesserungen der Mietsache; wir warnen vor Zahlungen für die Nennung als Nachmieter und vor „Prämien“ die für die Benennung an Vermieter bezahlt worden sind. Der Markt lässt sich nicht verbieten. Aber das ist fast noch das geringere Problem…
Welches wäre denn das Größere?
Die Deckelung der Mieten würde dazu führen, dass erforderliche Investitionen in Bestandssanierungen und Neubau nicht mehr vorgenommen werden, weil sie sich nicht mehr rechnen. Der Mietenanstieg ist ja nicht nur durch die vorhandene Nachfrage, sondern vor allem durch die Verbesserung der Wohnung geleitet. Würde der Neuvermietungsmarkt einmal genauer untersucht werden, dann würde herauskommen, dass in mehr als 50 Prozent der Fälle einer Neuvermietung durch den Vermieter teilweise erheblich in die Wohnung investiert wurde. Natürlich fällt die Mietpreissteigerung in den einzelnen Wohnungen umso höher aus, je mehr der Vermieter in diese Wohnung investiert hat. Damit stellt sich die Frage, ob die SPD diese Investitionen in die Wohnungen verhindern will.
Häufig handelt es sich dabei doch gerade um Luxussanierungen, die die Mieter gar nicht wünschen?
Mit Luxussanierung hat das meist nichts zu tun. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Eine 100 Quadratmeter große Wohnung in Charlottenburg, Baujahr 1900, gute Lage, Stuckdecken, Fischgrätparkett, Bad aus den 70er Jahren, Gäste-WC aus den 70er Jahren, Balkon, Vorderhaus, einfacher Zustand wurde 2007 für sieben Euro Nettokalt je Quadratmeter Wohnfläche neu vermietet. Der Mieter ist nun nach fünf Jahren ausgezogen. Der Eigentümer lässt nun das Parkett abschleifen, den Stuck nacharbeiten, Bad und Gäste-WC sowie Küche erneuern, die Raufasertapeten werden durch verspachtelte Wände und Decken ersetzt, Türen und Fenster lackiert. Der Markt bietet nun zehn Euro Nettokaltmiete je Quadratmeter für diese Wohnung.
Das ist doch ein erheblicher Preissprung?
Eben. Selbst seriöse Zeitungen berichten nun auf der Titelseite, dass die Mieten in Charlottenburg in den letzten fünf Jahren um mehr als 40 Prozent gestiegen sind. Auf den ersten Blick mag das stimmen. Auf den zweiten Blick wurde hier eine ganz andere Wohnung dem Mietmarkt zu Verfügung gestellt und ist mit der ursprünglichen Wohnung nicht mehr zu vergleichen. Dieser Punkt wird sowohl von den Mieterverbänden sowie von SPD und Linken nicht berücksichtigt.
Und was ist mit dem Neubau?
Dass Neubau so teuer ist, hat die Politik doch selbst verschuldet. Die gesetzlichen Anforderungen an den baulichen Zustand von neu gebauten Wohnungen haben zu Preissteigerungen von 20 bis 30 Prozent geführt. Die Baukosten sind mit diesen Anforderungen deutlich gestiegen. Dieser Umstand kann nicht wegdiskutiert werden. Die gesetzlichen Anforderungen an den energetischen Zustand an der Gebäudehülle, bei Fenstern, Dämmung und Heizungstechnik führen zu steigenden Mieten in allen Preiskategorien. Ohne eine Weitergabe dieser Kosten im Rahmen der Miete könnten keine Wohnungen gebaut werden. Die Politik muss vor allen die Rahmenbedingungen dafür ändern, damit mehr gebaut werden kann. Dann beleiben auch die Mieten bezahlbar.
Welche Bedingungen sollten das sein?
Es sollten Bauordnungen in Kommunen und Ländern so überarbeitet werden, dass eine größere Verdichtung in den Innenstädten möglich wird, etwa durch Aufstockung von bestehenden Wohnhäusern. Und es sollte wieder darüber nachgedacht werden, höher zu bauen, als dies in den letzten Jahren der Fall war. In Zeiten eines ausgeglichenen Marktes kann eine Traufhöhe von fünf Geschossen ausreichend sein. In Zeiten eines angespannten Wohnungsmarktes kann eine höhere Auslastung von Grundstücken in gefragten Lagen zu einer Entlastung des Wohnungsmarktes führen. Auch die Daseinsberechtigung von Schrebergärten und Kleingartenkolonien in den besten Lagen der Stadtzentren sollte kein Tabuthema der Politik mehr sein. Vor allem aber muss die Politik den Mut haben, auch mal eine unangenehme Wahrheit auszusprechen.
Wie lautet die?
Eine topsanierte Altbauwohnung mitten im Szenekiez, in verkehrsberuhigter Lage und mit perfekter Infrastruktur für fünf Euro je Quadratmeter Wohnfläche sind zwar der Traum jedes Mieters. Bei Wohnungen, die vor 20 Jahren und mehr angemietet worden sind, mag so etwas auch noch vereinzelt vorkommen. Heute ist das nicht mehr möglich und muss ins Reich der Sozialromantik verwiesen werden.