Die Bauschäden im Bahnhof Friedrichstraße sind möglicherweise größer als bislang angenommen. Nachdem vergangene Woche ein Betonteil aus der Decke herausgebrochen war, lässt die Deutsche Bahn jetzt weitere Schutzgerüste unter den vier Fernbahngleisen aufbauen. Teile der oberirdischen Bahnhofshalle sind dafür seit Mittwochvormittag mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Zusätzlich patrouillieren Sicherheitskräfte, um das Betreten gesperrter Bereiche zu verhindern.
Der Aufbau zusätzlicher Gerüste, die bei Bedarf weitere abstürzende Bauteile auffangen können, sei nur eine Vorsichtsmaßnahme, versicherte Bahnsprecher Burkhard Ahlert. Sie würden zudem aufgestellt, damit Gutachter den Deckenbereich umfassend überprüfen können. Eine Gefahr für die Standfestigkeit und die Sicherheit des Gebäudes bestehe nicht, so Ahlert.
Wie berichtetet war am Donnerstag vor einer Woche ein 25 Kilogramm schweres Betonteil völlig überraschend durch die abgehängte Deckenverkleidung hindurch auf den Boden der Bahnhofshalle gestürzt. Nur durch ein Wunder wurde von dem Brocken keiner der zahlreichen Passanten in dem Durchgang verletzt. Eine Frau, die unmittelbar neben der Absturzstelle stand, erlitt einen schweren Schock. Unmittelbar nach dem Vorfall ließ die Bahn das von Fern- und Regionalzügen genutzte Gleis 4 im Bahnhof sperren. In der Bahnhofshalle darunter wurden erste Schutzgerüste aufgebaut.
Beton hätte wegen Schwingungen nicht verbaut werden dürfen
Nach Bahn-Angaben haben die bisherigen Untersuchungen durch Experten ergeben, dass das von der Zwischendecke des Bahnhofs heruntergestürzte Betonteil aus dem Auflagenbereich von Stahlträgern der Bahnsteigkonstruktion stammt. Weil es in diesem Bereich nach Befahren durch tonnenschwere Züge immer zu Schwingungen kommt, hätte dort überhaupt kein Beton fest eingebaut werden dürfen.
Möglicherweise ist bei der Mitte der 90er-Jahre erfolgten umfassenden Sanierung des Anfang des 20.Jahrhunderts errichteten Bahnhofs gepfuscht worden, vermuten die Experten. Um weitere Gefährdungen auszuschließen, wollen die Spezialisten nun auch die Zwischendecken unter den anderen Gleisen des Bahnhofs untersuchen.
Erhebliche Auswirkungen auf den Berliner S-Bahnverkehr
Die zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen haben erhebliche Auswirkungen auf den regulären Bahnverkehr. So ist die Geschwindigkeit der Fern- und Regionalzüge, die durch den Bahnhof Friedrichstraße fahren, auf 20 Kilometer pro Stunde begrenzt. Ähnlich wie bei einer Baustelle auf der Autobahn staut sich durch den Engpass der gesamte Verkehr auf der ohnehin bis an die Kapazitätsgrenze ausgelasteten Stadtbahn.
Am Mittwoch kam es zu Verspätungen von bis zu 30 Minuten. Betroffen war davon insbesondere der Regionalexpress 1, der Berlin unter anderem mit Potsdam und Frankfurt (O.) verbindet. Um die Stadtbahntrasse zu entlasten, hat die Bahn die Regionalbahnlinien 21 und 22 verkürzt. Die Züge aus Potsdam, Golm und Wustermark fahren vorläufig nur bis zum Bahnhof Zoologischer Garten statt bis Friedrichstraße. Die gleichfalls verkürzte RB14 (Nauen–Berlin–Flughafen Schönefeld) konnte ab Mittwochnachmittag wieder über Friedrichstraße fahren.
Der in den vergangenen Tagen oft unpünktliche Regionalexpress 2 (Wismar–Berlin–Cottbus) wird über Berlin-Lichtenberg umgeleitet, was für zusätzliche Verspätungen sorgt. Auch einige Fernzüge müssen über Ausweichstrecken fahren. Der Verkehr der Berliner S-Bahn ist von den Einschränkungen dagegen nicht betroffen, heißt es.
190.000 täglich am S-Bahnhof Friedrichstraße
Der Bahnhof Friedrichstraße gehört zu den am stärksten genutzten Bahnstationen in Berlin. Täglich steigen dort bis zu 190.000 Fahrgäste ein, aus oder um. Offen ist, wie lange die Einschränkungen dort noch anhalten. „Wir hoffen, dass der Aufbau der Gerüste bis zum Wochenende abgeschlossen ist“, sagte der Bahnsprecher der Berliner Morgenpost. Danach soll zumindest die Geschwindigkeitsbegrenzung im Bahnhof aufgehoben werden. Wann wieder alle Bahnsteige genutzt werden können, ist hingegen offen.