Der Besuch des griechischen Bankers in der Spandauer Wilhelmstadt wird nicht ohne Folgen bleiben. Das schlichte Wohnhaus mit den 20 Wohn- und zwei Geschäftseinheiten, errichtet in den 50er-Jahren, soll noch vor dem Jahreswechsel für rund 2,2 Millionen Euro in seinen Besitz übergehen. „Der Käufer“, so Holger Marquardt vom Maklerhaus Engel & Völkers, „schätzt an dem Objekt vor allem die Renditeaussichten und die sichere Anlage.“ Ortsteile wie die Wilhelmstadt oder Wedding lagen bislang nicht im Fokus ausländischer Investoren. Doch angesichts der Euro-Krise, so berichten Makler in der Hauptstadt übereinstimmend, sind gerade Kapitalanleger aus dem angeschlagenen Spanien, dem kriselnden Italien und dem überschuldeten Griechenland vermehrt auf der Suche nach einer sicheren Anlage für ihr Geld. Und da der Markt in den angesagten Innenstadtlagen nahezu leer gefegt ist, interessieren sie sich zunehmend auch für Lagen, die lange als unattraktiv galten.
„Da kommen Käufer aus Polen und legen die Kaufsumme einfach bar auf den Tisch“, berichtet ein genervter Interessent. Die Konkurrenz aus dem Ausland sei gerade in den Szenevierteln Kreuzberg, Mitte oder Prenzlauer Berg stark. „Und Makler konfrontieren einen nicht selten mit Sprüchen wie ,Stellen Sie sich nicht so an, andere fragen auch nicht so viel nach‘.“ Manche nähmen die Objekte sogar ungesehen. Und in den bürgerlichen Wohngegenden von Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf, so die leidvolle Erfahrung vieler Familien, die dort eine Wohnung oder ein Haus suchen, mischen auch noch finanzkräftige Kaufinteressenten aus Russland kräftig mit.
Berliner Immobilien als letzter Rettungsanker
Berliner Immobilien sind seit Beginn der Euro-Krise gefragt. Gut ein Drittel der Käufer komme aus dem Ausland, berichtet der Geschäftsführer des Immobiliendienstleisters Accentro, Jacopo Mingazzini. Fast alle zahlten – anders als deutsche Interessenten – bar. Tetzlaff-Immobilien hat ebenfalls viele Kunden aus Spanien. Zu Engel & Völkers, die nicht nur einzelne Wohnungen, sondern vor allem ganze Mehrfamilienhäuser verkaufen, kommen neben Griechen und Italienern zu immerhin rund 50 Prozent auch Käufer aus dem Inland. Ein Unternehmer aus Italien unterzeichnete jüngst auf Vermittlung von Engel & Völkers einen Kaufvertrag über fünf Millionen Euro für ein Wohnhaus in der Spandauer Vorstadt in Mitte. Der Quadratmeterpreis betrug 2000 Euro pro Quadratmeter.
„Wir sind international neben der Schweiz oft der letzte Rettungsanker“, begründet Thomas Beyerle, Forschungsleiter der IVG Immobilien, das Interesse für Deutschland. Eine nachvollziehbare Überlegung: So sind etwa die Preise für Ferienimmobilien in Griechenland um bis zu 60 Prozent eingebrochen. Griechen und Spanier wollten ihr Geld in Sicherheit bringen. „Sie kaufen sich das Versprechen von Stabilität und sind dafür oft bereit, höhere Preise zu akzeptieren.“
Das treibt nicht nur für deutsche Immobilienkäufer den Preis kräftig in die Höhe. „Mittelfristig wird es auch den Mieten nicht guttun“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund voraus. Vor allem in Berlin ziehen die Mieten bereits kräftig an – für neue Verträge in den vergangenen fünf Jahren um fast ein Fünftel.
Berliner Wohnungen haben Potenzial
Spürbar ist der Einfluss ausländischer Investoren Analyst Beyerle zufolge nicht nur in Berlin, sondern auch in Hamburg, München und Frankfurt. Anders als beim letzten Immobilienboom 2004 interessierten sie sich dagegen weniger für Häuser auf dem Land. In der Großstadt seien sich Käufer einfach sicherer, ihre Wohnungen später zu guten Preisen wieder loszuwerden. Die größte Anziehungskraft hat dabei Berlin – nicht nur wegen des Hauptstadtflairs. „Berlin ist im europäischen und auch innerdeutschen Vergleich weiterhin sehr günstig“, sagt Mingazzini. Trotz zuletzt anziehender Preise finde man hier auch in guten Lagen immer noch Wohnungen zum Quadratmeterpreis von 1400 bis 1500 Euro. „Das ist in Metropolen wie Paris, Bologna oder Mailand undenkbar.“
Hinzu komme das extrem gute Image der Stadt: Berlin ist im Ausland angesagt, die Übernachtungszahlen steigen kontinuierlich. Investoren könnten wegen der vergleichsweise günstigen Mieten weiterhin mit vernünftigen Renditen rechnen. „Und ein Ende ist nicht abzusehen, denn der Zuzug nach Berlin hält an“, betont Mingazzini. Der hohe Anteil an Single-Haushalten fördere zudem die Nachfrage nach Mietwohnungen enorm, sagt Einar Skjerven von der Skjerven Group. „Wer in Berlin kauft, kauft Wohnungen mit viel Potenzial zur Wertsteigerung.“ In München oder Hamburg gebe es solche Entwicklungschancen nicht.
Dabei geht es oft nicht einmal um Luxuslofts mit Dachgarten, nicht nur um den Prenzlauer Berg, sondern auch um die Mittelklassewohnung im alten Westen. Nicht nur die reichen Griechen kaufen in Berlin, berichten die Makler, sondern viele Familienväter, die ihren studierenden Kindern in der Boomstadt eine Wohnung sichern wollen.
Lukrativer Büromarkt
Doch nicht nur Wohnimmobilien sind nach Angaben von Analysten gefragt. Die Abkühlung der Konjunktur in Europa werde die Aussichten für die europäischen Immobilienmärkte auch 2013 bestimmen. Dabei zeige sich ein gespaltenes Bild, wie aus dem am Montag in Frankfurt/Main vorgestellten „Deka Immobilien Monitor“ hervorgeht. „Deutschland bleibt auch im Jahr 2013 der ‚sichere Hafen‘ in Europa und stabilisiert die europäischen Immobilienmärkte“, sagte Deka-Vorstand Matthias Danne. Während sich die nordeuropäischen Immobilienmärkte stabil zeigen, fallen die Prognosen für die südeuropäischen Märkte pessimistischer aus. Für die sieben deutschen Top-Standorte erwarten Analysten durchschnittliche Gesamterträge von 3,3 Prozent, in den spanischen Metropolen Barcelona und Madrid aber einen Rückgang um etwa neun Prozent. Bei den Gesamterträgen liegt Frankfurt mit 6,3 Prozent bundesweit an der Spitze, gefolgt von München mit fünf Prozent und Berlin mit 3,3 Prozent.