Berliner Nahverkehr

Zugausfälle, Verspätungen, Baumängel - S-Bahn in der Krise

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Christine Eichelmann

Erneut will der Senat Strafzahlungen gegen die S-Bahn verhängen und Teile des Budgets einbehalten - weil kein Tag ohne neue Probleme vergeht.

Allen Ankündigungen zum Trotz lässt die Berliner S-Bahn ihre Fahrgäste in diesem Winter erneut in der Kälte stehen. Während der Verkehr auf den Straßen der Stadt am Donnerstag ohne größere Unfälle lief, vergeht seit dem Wintereinbruch kein Tag, an dem es bei der S-Bahn nicht zu Zugausfällen, Verspätungen und wetterbedingten Technikproblemen kommt.

Auch im Schienenregionalverkehr liefen die Räder nicht rund. Zudem stürzte am Donnerstag im Erdgeschoss des S-Bahnhofs Friedrichstraße ein 25 Kilo schwerer Betonbrocken von der Decke herab. Verletzt wurde niemand. „Wir gehen in diesem konkreten Fall davon aus, dass es sich um Baumängel handelt“, sagte Bahn-Sprecher Burkhard Ahlert

Erst kurz vor dem Fahrplanwechsel zum 9. Dezember hatte die Nachricht für Erleichterung gesorgt, dass das Eisenbahn-Bundesamt die Betriebsgenehmigung für die S-Bahn um 15 Jahre verlängert hatte. Die Aufsichtsbehörde hatte die Bedingung gestellt, dass ein sicherer Betrieb inklusive der nötigen Instandhaltung der Fahrzeuge gewährleistet sei. Seit 2009 war die Betriebsgenehmigung wegen massiver technischer Mängel jeweils nur befristet gewährt worden. Bahn-Chef Rüdiger Grube hatte im Oktober verkündet, sein Unternehmen sei gut gerüstet.

Lange Wartezeiten im Berliner Streckennetz

Die S-Bahn-Kunden dürften solche Verlautbarungen buchstäblich kaltlassen. Seit Donnerstagmorgen war es in Berlin wie schon in den vergangenen Tagen zu Zugausfällen gekommen. Züge der Linie S7 zwischen Potsdam und Wannsee fielen aus. Wer auf die Regionalbahnen umsteigen wollte, musste ebenfalls längere Wartezeiten in Kauf nehmen. Auf der Ringbahn fuhr die S75 zwischen Ostbahnhof und Westkreuz nur im halbierten Takt.

Auch auf vielen anderen Strecken kam es zu Verzögerungen und Zugausfällen. Besonders betroffen waren Fahrgäste, die in die Außenbezirke oder Richtung Umland fahren wollten oder von dort kamen. „Das Hauptproblem sind die Fahrzeuge“, sagte Bahn-Sprecher Burkhard Ahlert. Wiederholt waren an ehemaligen DDR-Zügen der Baureihe 485 Türen eingefroren, Antriebe fielen aus. Ersatz durch Fahrzeuge der neueren Baureihen 480 und 481 reißt jeweils Löcher auf anderen Strecken.

Technik bremst die Züge aus

Daneben werden die Züge zusätzlich durch eingefrorene Technik im Bereich der Infrastruktur der Bahn-Tochter DB Netze ausgebremst. So hatte der Frost eine Weiche in Strausberg lahmgelegt. In Zeuthen war es eine Schranke, die ausfiel. Am Alexanderplatz streikte ein Signal.

Von einem „Chaos mit Ansage“ sprach angesichts der altbekannten Schwierigkeiten der stellvertretende Vorsitzende des Fahrgastverbands Igeb, Jens Wieseke. Obwohl die Bahn versprochen hat, Abhilfe zu schaffen, sind in Berlin erst 50 Weichen von insgesamt rund 1000 mit einer Frostabdeckung gegen eisige Temperaturen geschützt. 900 Weichen werden beheizt. Tücken birgt außerdem der Einsatz von Bremssand. Weil die Besandungsanlagen bei starker Benutzung häufig leer sind, werden mehr Werkstattfahrten als normal nötig, um die Behälter wieder aufzufüllen.

Insgesamt waren am Donnerstagmorgen 464 S-Bahn-Züge im Einsatz. Tage zuvor waren es noch über 500 gewesen. Etwa 70 der eingesetzten Züge entstammen der störanfälligen Baureihe 485, so Ahlert.

Senat kündigt neue Strafzahlungen an

„Der Senat wird erneut Strafzahlungen verhängen“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Oliver Friederici. Das Land Berlin hat die Übernahme des S-Bahn-Betriebs auf einem Teilnetz ausgeschrieben. „Es wirft kein gutes Bild auf die Bahn, dass es wieder keinen Tag ohne Zugstörung gibt“, sagte Friederici. So müsste in neuen Verträgen mehr Werkstattpersonal festgeschrieben werden.

Aktuell bleibt dem Senat nur, Teile des für die S-Bahn eingeplanten Budgets einzubehalten. Das werde unter Berücksichtigung von Verspätungsstatistiken und nicht gefahrenen Kilometern „selbstverständlich wieder geschehen“, sagte die Sprecherin von Verkehrssenator Michael Müller (SPD), Daniela Augenstein. Müller selbst hatte im Abgeordnetenhaus angekündigt, er werde die S-Bahn-Führung einbestellen und sich erklären lassen, wieso sie im Winter 2012 bisher „schlechter unterwegs ist als im vergangenen Jahr“.