Schulden

Berlins Haushalt steuert auf die schwarze Null zu

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Joachim Fahrun

Berlin steht vor allem für eines: für Schulden. Doch jetzt steigen die Chancen, dass die Hauptstadt schon 2012 ohne neue Kredite auskommt.

Berlin hat gute Chancen, schon 2012 ohne neue Schulden auszukommen. Diese Aussicht hat das Haus von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) jetzt erstmals in einem offiziellen Dokument formuliert. Ursachen für die positive Entwicklung des Landeshaushaltes im laufenden Jahr, die der Statusbericht zum Stichtag 31. Oktober ausweist, sind die gestiegenen Einnahmen. Aber Nußbaum spart auch fast 200 Millionen Euro, weil für Investitionen vorgesehenes Geld nicht ausgegeben wird.

Trotz der zusätzlich 444 Millionen Euro, die Berlin als Nachschuss für den Bau des neuen Großflughafens BER in Schönefeld bereitgestellt hat, wird die Neuverschuldung massiv gedrückt. Ursprünglich waren 915 Millionen Euro neuer Kredite in dem inklusive Flughafen-Nachtrag 23,17 Milliarden Euro umfassenden Etat 2012 eingeplant. Jetzt rechnen die Experten von Finanzsenator Nußbaum mit einer Nettokreditaufnahme von nur noch 84Millionen Euro.

Am Schluss des Statusberichts, den Nußbaums Staatssekretär Klaus Feiler unterzeichnet hat, folgt dann der Satz, der weitere Erwartungen weckt: Bei einem „Prognosehorizont“ von rund zwei Monaten bis zum Jahresende „kann durchaus angenommen werden, dass die insgesamt positive Entwicklung des Haushaltsvollzugs auch zu einem kleinen Finanzierungsüberschuss und zu einer geringen Nettokredittilgung führen kann“.

Erst das dritte Mal seit 1945, dass Berlin mit Einnahmen auskommt

Es wäre erst das dritte Mal in der Nachkriegsgeschichte, dass Berlin mit seinen Einnahmen auskäme. Das erste Mal war das 2007 der Fall, als 80 Millionen Euro Überschuss ausgewiesen wurden. 2008, kurz vor seinem Wechsel zur Deutschen Bundesbank, errechnete Nußbaums Vorgänger Thilo Sarrazin (SPD) sogar ein Plus von 940 Millionen, worin aber 723 Millionen Euro als einmalige Einnahme aus dem Verkauf der Landesbank enthalten waren.

2012 fallen nun die Steuereinnahmen um 656 Millionen Euro höher aus als veranschlagt. Auch andere Quellen sprudeln reichhaltiger als erwartet. So zahlen Immobilieninvestoren stärker als erwartet ihre Wohnbauförderdarlehen zurück (158Millionen Euro), und der Liegenschaftsfonds erlöste aus Grundstücksverkäufen 15 Millionen Euro zusätzlich.

Berlin gibt 70 Millionen weniger aus als geplant

Aber die Konsolidierung des Berliner Haushalts erfolgt auch zum Teil über die Ausgaben. 70 Millionen Euro weniger als im Haushaltsplan vorgesehen wird die Stadt nach der jüngsten Prognose im Jahr 2012 ausgeben. Den größten Brocken, der durch Steigerungen in anderen Bereichen nicht vollständig aufgefressen wird, bringen die außergewöhnlichen Schwierigkeiten, eingeplante Investitionsmittel auszugeben.

Bei Baumaßnahmen des Senats und der Bezirke werden 96 Millionen Euro nicht genutzt. Weniger als 50 Prozent der bereit stehenden Mittel seien zum 31.Oktober ausgeschöpft, deutlich weniger als in den Vorjahren. Die Finanzverwaltung benennt die Sanierung der Staatsoper und den Bau des Gefängnisses in Heidering aber auch als Probleme der Bezirke mit Neuinvestitionen.

Weitere 100Millionen Euro werden bei den „übrigen Investitionen“ nicht genutzt. So benötigen Bauinvestoren weniger Wohnungsbaubürgschaften. Und die Wirtschaftsförderung wird unter anderem wegen „Projektverzögerungen und Stornierungen bei der Solarwirtschaft“ 45 Millionen Euro weniger an Unternehmen zahlen als geplant.

Kein Geld für sozialen Wohnungsbau

Geld für sozialen Wohnungsbau gibt es nicht. In der Investitionsplanung, die die Projekte bis inklusive 2016 finanziell abbilden soll, ist für günstige Wohnungen kein zusätzlicher Cent vorgesehen. Im Gegenteil. Die Ausgaben für Wohnungsbauförderung sollen in den nächsten vier Jahren kontinuierlich sinken, um insgesamt 242 Millionen Euro im Vergleich zum Niveau 2012 (395 Millionen Euro). Das liegt daran, dass alte Förderprogramme auslaufen.

Aber auch die Investitionen sollen nach den Plänen des Senats zurückgehen: Von derzeit noch 38 auf nur noch acht Millionen Euro. Das halten jedoch nicht nur die oppositionellen Grünen für undenkbar. „Das wird keinen Bestand haben“, sagte der Finanzexperte der Grünen, Jochen Esser. Die größte Oppositionsfraktion neigt der Haltung der Regierungsfraktion CDU zu, die einen dreistelligen Millionenbetrag als Subvention für günstige Mieten für notwendig hält. Ein entsprechendes Konzept zur Zinsminderung für Bauherren hatte der baupolitische Sprecher Matthias Brauner am Wochenende vorgestellt.

Auch Berlins Universitäten vor schwierigen Zeiten

Insgesamt hält Esser Nußbaums Investitionsplanung für wenig aussagekräftig. Jüngere Entscheidungen der Koalition seien dort noch nicht einbezogen. So finden sich als Investitionssumme für das Internationale Congress Centrums (ICC) jene 182 Millionen, die der Senat noch zu Zeiten von Rot-Rot für die Sanierung als Kongressstandort vorgesehen hatte. Inzwischen haben die Fraktionen von SPD und CDU beschlossen, 200 Millionen zuzusagen, wenn ein privater Investor ein sinnvolles Mischnutzungskonzept vorlegt.

Auch Berlins Universitäten haben nach Nußbaums Vorlage ans Abgeordnetenhaus schwierige Zeiten zu erwarten. Die Zuschüsse in den Hochschulverträgen sind bis 2016 auf 948 Millionen Euro pro Jahr festgeschrieben. Die Hochschulpräsidenten fordern in den laufenden Verhandlungen über die Hochschulverträge 100 Millionen zusätzlich, um das erreichte Niveau halten zu können. Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hat diese Ansprüche dem Grunde nach anerkannt.

Vorgesehen sind in der Investitionsplanung die ersten Raten für die formal noch nicht beschlossenen Projekte einer neuen Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld und die 80 Millionen Euro teure Modernisierung des Olympiaparks.

Insgesamt sollen die Bauinvestitionen für nicht eigens ausgewiesene größere Vorhaben der Senatshauptverwaltungen aber deutlich absinken, nachdem die Mittel für 2012 nicht genutzt werden können. 2013 sind noch 160 Millionen eingeplant, 2015 sollen es 118 Millionen Euro sein.