Berliner SPD

Wowereit und Müller - das Ende einer Freundschaft

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Joachim Fahrun

Lange galten Regierungschef Wowereit und Stadtentwicklungssenator Müller als Traumduo der Berliner SPD. Doch ihr Verhältnis ist erkaltet.

Die Unruhe ist groß in Berlin. Die Führungskraft eines großen Landesunternehmens kennt den Berliner Politikbetrieb schon lange. Aber noch nie sei der Senat dermaßen blockiert gewesen wie im Moment, sagt der Mann, der seinen Namen aber lieber nicht in den Medien lesen will.

Schuld sei der Dauerstreit zwischen Finanzsenator Ulrich Nußbaum und Stadtentwicklungssenator Michael Müller. Und was in den Chefetagen der Landesbetriebe schon eine Weile für Irritation sorgt, treibt inzwischen auch die Berliner SPD und erstaunt zunehmend das Publikum. Zwei der vermeintlich mächtigsten Männer im rot-schwarzen Senat des Klaus Wowereit stehen plötzlich als Wackelkandidaten dar.

Schwere Kritik an Nußbaum

Seit Wochen sieht sich der parteilose, aber von der SPD benannte Finanzsenator Nußbaum schwerer Kritik ausgesetzt. Aufsichtsräte landeseigener Unternehmen besetzte er mit Bekannten, heißt es. Es geht um Dossiers, die in der SPD und in Journalistenkreisen herumgegeben werden, und mit denen Stimmung gemacht werden soll – gegen den Senator.

Ex-SPD-Landeschef Müller hingegen soll versucht haben, nach nur einem Jahr am Senatstisch 2013 in den Bundestag zu flüchten, nachdem er 2005 und 2009, seinerzeit noch Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, diese Option verpasst hatte. So wird es jedenfalls erzählt in der SPD, auch wenn Müllers Sprecherin das dementiert.

Der Versuch Müllers, seinen Bundestagswunsch mit dem Regierenden Bürgermeister abzustimmen, sei gescheitert, wird kolportiert. Wowereit habe ihn vor seinem Büro stehen lassen. Der Chef sei nachhaltig verstimmt über seinen langjährigen Tempelhofer Weggefährten.

„Das ist Verrat“, bewertet ein wichtiger Sozialdemokrat das Verhalten des Senators, der im Sommer von einer Allianz von linken und rechten Sozialdemokraten aus dem Amt des Parteivorsitzenden gedrängt worden war.

Zehn Jahre haben Wowereit und Müller die Berliner SPD dominiert

Das Verhältnis zwischen Wowereit und Müller ist erkaltet. Zehn Jahre hatte die Beiden die Berliner SPD dominiert. Wowereit als Regierender Bürgermeister mit seinem treuen Parteivorsitzenden Müller.

Doch seit Müllers Abwahl als SPD-Chef, gegen die sich Wowereit vergeblich gestemmt hatte, und seinem Einzug in den Senat hat sich ihr Verhältnis verändert.

Müller ist enttäuscht über die geringe Rückendeckung, die er von seinem langjährigen Weggefährten nun erhält. Und Wowereit ist genervt über den Dauerstreit zwischen seinem Stadtentwicklungs- und seinem Finanzsenator. Vielleicht hatte sich Müller erhofft, von Wowereit als Nachfolger aufgebaut zu werden. Doch der Regierende Bürgermeister hält sich bei der Kronprinzensuche – vorsichtig gesprochen – dezent zurück.

Die Personalien Nußbaum und Müller hängen unmittelbar zusammen. Die Fehde mit dem Finanzsenator hat Müller zermürbt, nachdem er gerade den Liebesentzug der Partei verkraften und zusehen musste, wie seine Gegner seine alte Machtbasis in der Abgeordnetenhaus-Fraktion übernahmen.

Immer wieder fühlte er sich von dem Kaufmann Nußbaum vorgeführt. Zuletzt, als dieser ihm ohne längere Vorabsprache die Zuständigkeit für die Berliner Energiepolitik vor die Füße warf. Und zuvor, als er den alten Sozialdemokraten Karl Kauermann gegen Müllers Willen aus dem Aufsichtsrat der Wohnungsbaugesellschaft Degewo drängte. Wowereit kam Müller in beiden Fällen nicht zu Hilfe. Die Freundschaft der beiden ist offenbar am Ende.

Ein Alliierter, der Müller seinerzeit im Kampf um den Landesvorsitz gegen den späteren Sieger Jan Stöß unterstützt hatte, ist Michael Arndt. Der Chef des SPD-Kreises Steglitz-Zehlendorf verwirrt in diesen Tagen viele Genossen mit seiner Forderung, die Spitzenkandidatur für die Berliner Landesliste zur Bundestagswahl 2013 mit einem prominenten Gesicht zu besetzen. „Momentan ist ein No-Name dafür vorgesehen“, sagte Arndt gegenüber Morgenpost Online. Landeschef Stöß müsse einen bekannten Kandidaten finden, wenn die SPD in der Hauptstadt bei der Bundestagswahl vorn liegen wolle.

Dass er mit diesem Vorschlag auf den Stadtentwicklungssenator zielte, der sich – wie zu hören ist – bei Arndt auch diskret um die Kandidatur über das Direktmandat in Steglitz-Zehlendorf erkundigt haben soll, bezeichnet Arndt als „Gerücht“. Selbst wenn er keinen Namen nennen will, bleibt er aber bei seinem Vorschlag, einen noch anonymen Prominenten an die Spitze zu setzen. In seinem Wahlkreis bewirbt sich bisher nur die unbekannte Ute Fink.

„Blanker Hass“ zwischen Müller und Nußbaum

Dass Stöß jedoch offenbar nicht daran denkt, den Wunsch des Südwest-Genossen zu erfüllen, machte eine kleine Szene am Montag deutlich. Der SPD-Landeschef hisste gemeinsam mit der bisher inoffiziell als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl auserkorenen Eva Högl zum Tag gegen Gewalt gegen Frauen eine Fahne an der Berliner Parteizentrale an der Müllerstraße. Beide wirkten dabei sehr harmonisch.

Zuvor sagte Högl, sie sehe eigentlich keinen Anlass, über einen angeblich noch prominenteren Bewerber für den Spitzenplatz der Landesliste nachzudenken. Immerhin habe sie als Obfrau der SPD im Untersuchungsausschuss zum NSU-Terrortrio inzwischen auch bundesweit einige Bekanntheit erlangt.

Sozialdemokraten wissen, dass es für einen politisch bereits angeschlagenen Müller schwierig sein dürfte, bei einem Wechsel aus dem gebeutelten Senat in den Bundestag die Unterstützung der Partei zu gewinnen. Müller scheint deshalb seine Ambitionen aufgegeben zu haben und abzuwarten, ob sein Gegner Nußbaum den Sturm der Kritik im Amt übersteht.

Dass beide künftig wichtige Themen wie Mietenpolitik, Energienetze oder den Umgang mit Liegenschaften gemeinsam bearbeiten können, erscheint vielen SPD-Leuten kaum vorstellbar. „Blanker Hass“, so heißt es, trenne sie inzwischen. Bei Sitzungen der SPD-Fraktion hören die Abgeordneten ihre beiden Regierungsmitglieder Schimpfwörter austauschen.

Kaum Hoffnung in der SPD auf Versöhnung

In Partei und Fraktion sind die führenden Leute immer weniger geneigt, sich den Hahnenkampf der Senatoren weiter anzuschauen. Denn entgegen vieler Befürchtungen arbeitet die Gruppe der SPD-Parlamentarier unter dem Vorsitzenden Raed Saleh einigermaßen harmonisch und kommt auch mit der CDU-Fraktion gut zurecht. „Aber im Senat funktioniert es nicht“, sagt ein führender Sozialdemokrat. An dem Zerwürfnis werde sich auch nichts mehr ändern. „Wowereit wird irgendwann eine Entscheidung treffen müssen“, sagte der Genosse. Er müsse einen der beiden feuern. Oder gleich beide.