Für die Berliner S-Bahn könnte es nach dieser Woche nicht unbedingt leichter werden. Am Kreuzberger Moritzplatz sitzen Social-Media-Experten zusammen und denken über ein kleines Computer-Programm nach, das sich schnell verbreitet, „viral“ soll es sein. Nach dem Workshop präsentieren sie die Idee: Wie wäre es, wenn jeder über eine App eintragen könnte, wo und warum eine S-Bahn Verspätung hat? So ein Programm sei leicht geschrieben – und die kurzen Meldungen würden sich auf Twitter innerhalb von Sekunden verbreiten.
Solche Momente zeigen, dass die Social Media Week, die vom Berliner Startup DeskWanted organisiert wurde und am Freitag zu Ende geht, einen nachhaltigeren Effekt auf Berlin haben könnte. Doch selbst, wenn das nicht so leicht messbar ist, zumindest werden die rund 6000 Internet-Experten und -Laien aus Berlin und der ganzen Welt viel über die Rolle von Sozialen Netzwerken gelernt haben.
An drei verschiedenen Orten zwischen Mitte und Kreuzberg diskutieren sie über Vorteile und Nachteile von Facebook, Twitter und Co. Manche Vorträge sind auf Deutsch, andere auf Englisch – denn diese Woche findet zeitgleich in 14 Städten statt, von Chicago über Bogotá bis Seoul.
Am Donnerstagmorgen reden Spieleexperten im Club „Sternchen“ über das Spiel „Immopoly“, bei dem 4000 Mitspieler Wohnungen vermieten und Provisionen kassieren – virtuell, aber unter realen Bedingungen. Beispiel: Prenzlauer Berg, vier Zimmer, 937,60 Euro. Das klingt realistisch, aber auch langweilig. „Um die Spieler zu halten“, wirft ein junger Mann ein, „muss das Spiel viel süchtiger machen.“
Demokratie per Netzwerk
Ein paar Hundert Meter in Richtung Ostbahnhof reden Vertreter vom Hauptsponsor Nokia und der Deutschen Bahn darüber, ob sie Facebook benutzen, um Mitarbeiter vor Vorstellungsgesprächen zu überprüfen. Beide Unternehmenssprecher sagen, dass sie das nicht tun, weil sie sich eher auf Netzwerke wie „LinkedIn“ und „Twitter“ konzentrieren. „Facebook ist für uns ein privates Netzwerk“, sagt Alex Oderburg von Nokia, „auf dem jeder außerdem seine Privateinstellungen im Griff haben sollte.“ Gerade diese rege Diskussion in den Räumen von Immobilienscout24 zeigt, wie medienkompetent die Teilnehmer sind, egal, ob sie im Anzug oder Kapuzenpulli gekommen sind.
In der Design-Academy am Moritzplatz erklärt am Donnerstagabend die Botschafterin Südsudans, Sitona Abdalla Osman, wie ihr noch junger Staat mithilfe von sozialen Netzwerken Demokratie umsetzen möchte – kurz nachdem im gleichen Raum Chris Pinchen einen Vortrag über Zensur und Passwort-Kultur im Internet gehalten hat. „Es kann doch nicht sein“, sagt er, „dass der Präsident Syriens, Bashar al-Assad, wirklich über Jahre das Passwort 12345 benutzt hat.“ Es sei kein Wunder, dass er gehackt wurde. Am Freitagabend, 19 Uhr, will Pinchen allen, die zur Weisestraße 7 in Neukölln kommen, erklären, wie sie sich geschützter im Netz bewegen können.