Der Berliner Schlittschuh-Club – ein traditionsreicher Verein mit 118-jähriger Geschichte – soll zum Jahresende sein Vereinsgelände an der Glockenturmstraße verlassen. Ab Januar ist das Gelände an den Verein Pro Sport Berlin 24 verpachtet. Diese Entscheidung des Bezirksamtes sorgt für Unruhe unter den Vereinsmitgliedern. Die einen sprechen von feindlicher Übernahme, Wahlbetrug, Unterschlagung, die anderen von Eigeninteressen und Sippenwirtschaft. Weil sich die Verantwortlichen beim Berliner Schlittschuh-Club seit Monaten in den Haaren liegen, wurde jetzt sogar ein Notvorstand eingerichtet. Peter Neumann (64) und Jörg Kühnast (67) behaupten beide von sich, der rechtmäßige 1. Vorsitzende des 1893 gegründeten Vereins zu sein. Aber es kann nur einen geben. Der Kampf an der Glockenturmstraße 21 tobt seit etwa Mai.
Und gerade jetzt müssten die Sportler zusammenhalten. Der Bezirk hatte schon vor Monaten entschieden, dass der Vertrag mit dem Schlittschuh-Club nach 15 Jahren nicht verlängert wird. Für die Größe des Areals – 18.000 Quadratmeter in der Nähe des Berliner Olympiastadions – habe er zu wenige Mitglieder. Aktuell sind es nach eigener Auskunft 250. Und im Gegensatz zum Vereinsnamen wird hauptsächlich Tennis gespielt.
Schlittschuh-Sparte ausgelagert
Die Schlittschuh-Abteilung hatte sich 2007 aus Kostengründen abgespalten. Wegen der wenigen Mitglieder hat der Verein Pro Sport Berlin 24 ab Januar einen Pachtvertrag für die großzügige Sportanlage erhalten. „Wir wollen ein Gesundheitssportzentrum im Clubhaus einrichten und den Tennisspielern des Berliner Schlittschuh-Clubs eine neue Heimstatt bieten“, sagte Michael Schenk, Geschäftsführer von Pro Sport Berlin 24 e.V. Die wenigen Karatesportler des Schlittschuh-Clubs könnten voraussichtlich im Horst-Korber-Sportzentrum gleich nebenan untergebracht werden.
Der gemeinnützige Verein Pro Sport Berlin 24 ist mit 6200 Mitgliedern in ganz Berlin aktiv und unterhält bereits an der Grünauer Straße und der Forckenbeckstraße Gesundheitssportzentren, in denen die Mitglieder ohne feste Trainingszeiten aus dem Kursangebot wählen können (der Monatsbeitrag für Kurse in den Nachmittags- und Abendstunden beträgt 42 Euro). Ob die Grundstücksübergabe allerdings im Januar klappen wird, ist zweifelhaft. Kassenwartin Carmen Dziurowitz (64), die zum Notvorstand gehört, sagt: „Vermutlich muss ein Gericht die Streitigkeiten klären. Wir haben gegen die Kündigung des Geländes Klage eingereicht.“ Pro Sport Berlin 24 sei ein prima Verein, habe aber bereits angekündigt, dass im Winter das Zelt nicht aufgestellt werden solle, das die drei Tennisplätze umgibt. „Das würde das Ende des Tennis bedeuten“, sagt die Kassenwartin. Die Halle im Hauptgebäude, in der ohnehin nur ein Platz zur Verfügung stehe, sei bis 2021 außerdem untervermietet an ein kommerzielles Fitness-Studio. Das Bezirksamt kritisierte Untervermietungen dieser Art bereits als rechtswidrig und gab dem Verein auf, die gewerblich genutzten Bereiche wieder in eine förderungswürdige, gemeinnützige Nutzung zurückzuführen.
Auch über die Werte auf dem Vereinsgelände wird noch gestritten werden. Jörg Kühnast hat dem Verein ein Darlehen über mehr als 100.000 Euro gegeben – damit Stromkosten bezahlt werden konnten sowie die Gehälter der Minijobber. Mit 45.000 Euro von Kühnast hat der Verein zudem drei Kunststoffplätze angeschafft, wie es sie sonst nur bei Profi-Tennisturnieren gibt. Das Geld sollte mit Einnahmen aus Vermietungen zurückgezahlt werden.
Während Peter Neumann sagt, es sei an Werten nicht mehr viel da, weil wegen nicht gezahlter Pachten alle Gebäude (außer der Dreifeldhalle und dem Belag) längst an das Bezirksamt gefallen seien, geht Jörg Kühnast davon aus, dass die feste Halle noch einen Wert von 400.000 Euro hat, die Dreifeldtraglufthalle einen Zeitwert in Höhe von 100.000 Euro hat und die fünf Sandplätze 200.000 Euro wert sind. Kühnast wirft Neumann vor, im Alleingang mit Pro Sport Berlin 24 und dem Sportamt Vereinbarungen zur Auflösung des Vereins getroffen zu haben. „Bei einer Räumung werden Werte vernichtet, oder jemand bereichert sich“, kritisiert Kühnast. Die Mitglieder wollten ihren Club erhalten. Kühnast setzt auf die neue Sportstadträtin Elfi Jantzen (Grüne). „Wir hoffen, dass wir mit dem Bezirk zu einer friedlichen Lösung kommen, statt Prozesse zu führen. Der schlechteste Fall wäre, wenn wir unsere Anlagen bei einer Räumung abbrechen müssten“, sagt Kühnast.
„Optimale Nutzung“
Peter Neumann sieht in der Übernahme des Geländes durch Pro Sport Berlin 24 hingegen einen plausiblen Neustart: „Aus sportpolitischer Sicht eine gute Entscheidung, bei der das Gelände optimal genutzt wird. Und für Tennisspieler ändert sich nichts“, sagt er. Wegen dieser Haltung habe er sich aber mit etlichen Sportfreunden zerstritten. Dass ihm sein Gegenspieler Kühnast allerdings Straftaten und Unterschlagungen vorwirft, kratzt an der Ehre des Kriminalbeamten a. D. schon. „Ich bin der Letzte, der irgendwelches Geld für sich nimmt, ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker“, sagt er. Neumann wirft im Gegenzug Kühnast vor, dass er seinem Sohn auf dem Gelände eine Existenz aufbauen wolle. Dazu benutze er den Verein und verfolge so lediglich Privatinteressen.
Kassenwartin Dziurowitz will diesen Vorwurf so nicht stehen lassen. Kühnast junior, der ebenfalls dem neuen Notvorstand angehört, unterrichte als Tennistrainer zwar Kinder, aber das Geld erhalte der Verein. „Benjamin Kühnast erhält dafür nur ein Honorar wie die anderen Trainer auch und wie es in anderen Vereinen auch üblich ist“, so die Kassenwartin. Sie glaubt, dass der Berliner Schlittschuh-Club weiterhin eine Zukunft auf dem Gelände an der Glockenturmstraße hat.